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Das Ästhetische

Zum kritischen Gehalt ästhetischer Reflexionsformen

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Zu einer Kritischen Gesellschaftstheorie der Kommunikation
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Zusammenfassung

In dem Kapitel wird zunächst in groben Zügen eine Rekonstruktion der Geschichte der Ästhetik (als philosophische Disziplin) geleistet. Anschließend wird dargelegt, inwiefern ästhetische Artefakte als Empirie der gesellschaftstheoretischen Forschung gelten können. In einem weiteren Schritt werden zeitgenössische Positionen der Ästhetik diskutiert, um die zuvor eher angedeutete Rationalität des Ästhetischen deutlich zu rekonstruieren und auf diesem Wege den Stellenwert des Ästhetischen innerhalb einer kritischen Gesellschaftstheorie der Kommunikation erkenntlich zu machen. Zur Veranschaulichung des Erkenntnisgewinns, der durch die vorliegende Arbeit ermöglicht wird, endet das Kapitel mit exemplarischen Durchführungen kritisch-hermeneutischer Interpretationen ästhetischer Artefakte.

… kühl wie der Wind

einer kommenden Frühe

Walter Benjamin

Komm! ins Offene

Friedrich Hölderlin

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Notes

  1. 1.

    Einen ähnlichen Versuch, das Ästhetische in die Theorie des kommunikativen Handelns zu überführen, unternimmt Duvenage (vgl. Duvenage 2003), der das Werke Habermas’ in eine frühe und eine späte Phase einteilt, um die wechselnden Haltungen Habermas’ zum Ästhetischen entlang dieser Unterscheidung zu rekonstruieren. Im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit legt Duvenage den Fokus nicht auf methodische Probleme der Theorie des kommunikativen Handelns, sondern generell auf die unterschiedlichen, von Habermas bestimmten Formen der Rationalität, die Duvenage in der Perspektive Adornos und jener der Debatten zur Welterschließung kritisiert.

  2. 2.

    An dieser Stelle und mit Blick auf die Kritik Heinrichs an den Vertretern einer rationalistischen Philosophie wird deutlich, dass Habermasderen Versuche, alles Konflikthafte und Beunruhigenden innerhalb der begrifflichen Systemen zu verdrängen (vgl. Heinrich 1993): Habermas drängt alles, was sein rationalistisches System gefährden würde aus der Theorie des kommunikativen Handelns (Abwehrreaktion)

  3. 3.

    Fußballer/innen können Elfmeter schießen, müssen sie aber üben, da niemals sicher ist, dass jeder relevante Elfmeter verwandelt wird.

  4. 4.

    Innerhalb dieser vielfach zitierten, von Schulze so bezeichneten „Erlebnisgesellschaft“ (Schulze 1993) stellt sich jedoch die Enttäuschung ein, dass die ästhetische Ausstattung der Wirklichkeit keine endgültige Befriedigung hedonistischer Bedürfnisse mit sich bringt. Die Reaktion auf diese Enttäuschung sind weitere Versuche der Ästhetisierung des Sozialen.

  5. 5.

    Dengel argumentiert beispielsweise ausgehend von der Ästhetisierung der Lebenswelt dafür, Mode als semantisch beladenes ästhetisches Artefakt zu verstehen, das an der Konstruktion der symbolisch strukturierten Lebenswelt grundlegend beteiligt ist (vgl. Dengel 2015: 3-10).

  6. 6.

    So der – für diesen Kontext angeeignete – Titel einer Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen Jacob Burckhardts (Burckhardt 1984).

  7. 7.

    In früheren Schriften argumentiert Foucault hingegen autonomieästhetisch und beschreibt die Literatur als Gegendiskurs, der sich aufgrund der Selbstbezüglichkeit seiner Ausdrucksformen gesellschaftlichen Diskursen entzieht (vgl. Geisenhanslüke 2004: 127f.).

  8. 8.

    Die folgenden beiden Absätze zu Rancière sind wörtlich einer eigenen, dreiseitigen Besprechung (vgl. Baum 2011b) entnommen.

  9. 9.

    Früchtl kritisiert, dass Rancière in einer Haltung der Romantik die Autonomie der Kunst unterwandere, weil Rancière Kunst und Politik zu stark aufeinander beziehen (vgl. Früchtl 2007: 213ff.). Die folgenden Überlegungen dieses Kapitels werden zeigen, dass Rancières Position nicht vollständig aufgegeben werden muss, bringt man sie in einen Dialog mit weiteren zeitgenössischen Ästhetischen Theorien.

  10. 10.

    Im Aufzeigen neuer »Landschaften des Möglichen« (Rancière 2009: 121) erkennt Rancière die der Kunst eigene politische Praxis. Diese zielt auf eine neue „Aufteilung des Sinnlichen“ (Rancière 2008), auf eine neue Wahrnehmung der Welt, die im Dissens zur gewohnten steht. In dieser Bestimmung der „ästhetischen Wirksamkeit“ (Rancière 2009: 69), die in der Erfahrung des Dissenses darüber gründet, was wahrgenommen wird, was denkbar ist und als machbar angesehen wird, drückt sich ein bereits in „Das Unvernehmen“ (Rancière 2002) formuliertes konfliktuöses Verständnis von Politik aus. Politik, so Rancière, finde statt, sobald ein Dissens über die Wahrnehmung und Beurteilung der sozialen Realität entsteht, wenn faktischen Gegebenheiten der Schein der Natürlichkeit genommen wird, wenn zuvor stumme, ausgeschlossene Individuen eine Stimme erhalten. Rancières Begriff der Politik bezieht sich zum einen auf Subjektivierungsprozesse, in denen Subjekte als solche erst hervorgebracht werden. Weil er mit dem Begriff der Politik zum anderen den Fokus auf das Moment des sinnlich Wahrnehmbaren richtet, spricht er der Kunst einen eigenen politischen Charakter zu: Während Politik neue kollektive Subjekte hervorbringt, stiftet die Kunst neue Wahrnehmungsweisen der Welt, in der sich politische Subjekte formieren können: „Kunst und Politik hängen miteinander als Formen des Dissenses zusammen“ (Rancière 2009: 78).

  11. 11.

    Der folgende Absatz ist wörtlich einer eigenen, online erschienenen Analyse (vgl. Baum 2015) entnommen. Vgl. zudem die Ausführungen zur rettenden Kritik hier in Kapitel 3 und Kapitel 6.

  12. 12.

    – das die idealistische Ästhetik aufgrund ihrer Vorstellung eines autonomen, von Natur gesetzten befreiten Subjekts aus der Ästhetik tilgt (vgl. Adorno 2003a: 98-122).

  13. 13.

    Adornos Schriften zur Ästhetik lassen sich nicht auf einen kunstsoziologischen Zugang, der nach dem gesellschaftlichen Gehalt in den Werken oder dem gesellschaftlichen Stellenwert von Werken für eine Kritik fragt, reduzieren. Verknüpft sind diese Fragen immer mit denen nach einer normativen Ästhetik schlechthin, also einer Ästhetik, die beurteilt, wann ein Werk als gelungen gelten kann. Zu den sich daraus ergebenen Problemen, die Kriterien nicht dogmatisch einem Kanon zu entnehmen, zugleich aber nicht einer willkürlichen Beurteilung zu verfallen vgl. Wellmer 2005.

  14. 14.

    Sicherlich lässt sich argumentieren dass keine Kritik frei von Ästhetischem ist, weil jeder Form sprachlicher Artikulation rhetorische Momente eigen sind. Gerade Denker, die dies vehement ablehnen, zeigen sich in ihrer Ablehnung als große Ästheten. Hobbes Rhetorik, die eigentlich für eine exakt-wissenschaftliche Darstellung der Legitimation des Staates plädiert, ist unbestreitbar. Platons dialogische Form der Darstellung ist – auch, aber nicht ausschließlich – Literatur, obwohl er selbst die Figur Sokrates der Dichtung vorwerfen lässt, sie verderbe die Mitglieder des politischen Gemeinwesens.

  15. 15.

    Die folgenden beiden Absätze sind wörtlich einer eigenen, zweiseitigen Besprechung (vgl. Baum 2012b) entnommen.

  16. 16.

    In den hier unten folgenden konkreten Durchführungen der hermeneutischen Interpretation wird gezeigt, wie sich eine solche Reflexion des Misslingens im Medium des Ästhetischen darstellt.

  17. 17.

    Ebenso gründet in den grundbegrifflichen Entscheidungen die negativistische, in künstlerische Aporien führende Haltung der Theorie sowie Adornos Hang zum ästhetischen Traditionalismus, dessen Urteil sich einzig auf kanonische Werke richtet (vgl. Wellmer 1985: 9).

  18. 18.

    Wellmers Bestimmungen der Wirkung von Kunst werden durch Ausführungen Menkes gestützt. Zum einen, so Menke, stellen die ästhetischen Darstellungen Produkte des kommunikativen Gebrauchs, der ihre Bedeutung hervorbringt, dar; zum anderen produzieren sie Bedeutung durch die Konstellation ihrer Materialien. Das Kunstwerk ist als Verhältnis aus ästhetischer Praxis und nicht-ästhetischer Kommunikation zu begreifen (vgl. Menke 2001: 172ff.).

  19. 19.

    Diese Idee der Einheit in Differenz korrespondiert mit der oben thematisierten Entgrenzung der Kunst, in deren zeitgenössischer Ausprägung sich unterschiedliche Stilmittel, Materialien und Medien verknüpfen.

  20. 20.

    Beide Theoretiker ergänzen sich wechselseitig. Denn aufgrund ihrer sprachphilosophischen Annahmen können Adorno und Lyotard nicht erklären, wie der Gehalt von Kunstwerken auf eine gesellschaftliche Wirklichkeit bezogen ist. Sie bestimmen den Gehalt ästhetischer Werke als eine Form des Absoluten, das sie als das Andere begrifflichen Denkens (Adorno) oder als das Nicht-Darstellbare (Lyotard) begreifen (vgl. Wellmer 1985: 60-63).

  21. 21.

    Seel reflektiert das Zusammenspiel unterschiedlicher Formen der Rationalität, indem er über einen Begriff der Vernunft nachdenkt, der alle Formen der Rationalität in Differenz zu vereinigen vermag (vgl. grundlegend Seel 1997).

    Während in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf dem Verhältnis von moralisch-praktischen Diskursen und Ästhetischem liegt, wird in einem jüngst erschienenen Band mit dem Titel „anderes wissen“ (Busch 2016) die hier nicht berücksichtigte epistemologische Differenz zwischen theoretischen Diskursen und Ästhetischem untersucht.

  22. 22.

    Auch Brombach et al. 2010 begreifen die Ästhetisierung gewohnter normativer Begriffe als deren kritische Infragestellung.

  23. 23.

    Die Künstlerin Joëlle Tuerlinckx macht diese von der Kunst vollzogenen Befragungen selbst zum Thema ihrer Ausstellungen. Insbesondere ihre 2013 im Münchner Haus der Kunst organisierte Ausstellung „World(k) in Progress“ legt deutlich die Mechanismen, die Gegenstände erst als Kunst klassifizieren, offen. Der simpelste Mechanismus besteht sicher darin, ein Objekt in die Vitrine eines Museums zu legen. Auf diesem Wege kann sogar ein von Besuchenden selbst platzierter alter Einkaufszettel zum Faszinosum für andere Besuchende werden.

  24. 24.

    Hans Namuths Kurzfilm „Jackson Pollock” dient Reckwitz zur Illustration derjenigen Prozesse, die innerhalb der Kunst zur gesellschaftlichen Verallgemeinerung kreativer sozialer Praktiken beitragen (vgl. Reckwitz 2012b). Reckwitz zufolge stellt der Film ein besonderes Dokument dar, in dem sich verschiedene, teils heterogene Momente des Ästhetisierungsprozesses zeigen. Denn der Film fokussiert im Gegensatz zu gewöhnlichen Darstellung von Künstlern/innen nicht die Figur, sondern die Prozesse des Herstellens, die in der Regel verdeckt gehalten und auf diesem Wege zum Mysterium werden. Zwar wird zunächst der klassische Künstlerdiskurs zitiert, indem das kreative Selbst als originelles Genie im Zustand gesellschaftlicher Entfremdung dargestellt wird: Pollock wird als einsame, antiurbane, monologische, expressive und antibürgerliche Figur gezeigt, als Synthese von Introversion und Extroversion. Gleichzeitig dekonstruiert der Film diese Figur und führt zur Normalisierung künstlerischer Praktiken, da sie in den Kontext einer methodisch-systematischen Gestaltung, zu der jedes Individuum letztendlich fähig ist, eingebettet werden: Der Künstler wird zum Arrangeur gegebener Gegenstände, die er auf einer Glasplatte anordnet. Ebenfalls tritt durch Pollocks Technik des sogenannten drip painting das Moment des Zufalls in den Vordergrund. Da der Produktionsprozess zu einer Performance, zum action painting wird, verschwindet die Figur des Genies, das jede Form der Kreativität aus seiner besonderen Subjektivität schöpft.

  25. 25.

    Als Ausweg aus dieser Lage schlägt Böhme vor, eine andere Form der Bedürfnisökonomie, deren Fokus auf der Selbstsorge liegt, in Bildungsinstitutionen zu lehren und die Hauswirtschaft, in deren Rahmen Bedürfnisse abseits ökonomischer Kalküle befriedigt werden können, als vierten Wirtschaftsbereich anzuerkennen (vgl. Böhme 2016: 16-20).

  26. 26.

    Die folgende Durchführung ist größtenteils wörtlich bereit in einer online Besprechung (vgl. Baum 2011a) erschienen.

  27. 27.

    De Waal erzählt keine nostalgische Familiensage. Vielmehr drückt sich in seiner Thematisierung der eigenen Haltung zu den einzelnen Charakteren ein bedachter Umgang mit der Familiengeschichte aus. So beschreibt er den Drang der Familie, sich zugunsten einer vollständigen Assimilation von den sogenannten Ostjuden abzugrenzen. Er verschweigt nicht, dass der Kauf von Kunstwerken der Sicherung einer sozialen Position dienlich ist, spricht aber auch nie der leidenschaftlichen Hingabe zur Kunst und dem Essayistisch-Schriftstellerischen ihre Aufrichtigkeit ab. Da die Lebensläufe seiner Familie „durch Bücher gebrochen sind“, achtet de Waal behutsam darauf, dass sein Wien nicht „zum Wien anderer Leute ausgedünnt“ (Waal 2011: 158) wird, also darauf, seinen Zugang zur Vergangenheit nicht unterschiedlichen Stereotypen und Gemeinplätzen preiszugeben.

  28. 28.

    Die folgende Durchführung ist größtenteils wörtlich bereit in einer online Besprechung (vgl. Baum 2012a) erschienen.

  29. 29.

    Eine originelle, an Wittgenstein orientierte Sprachkritik nimmt Peter Handke in „Lebensbeschreibung“ (in Handke 1974) vor. Er beschreibt dort die Geschichte Jesu in der juristischen Fachsprache, die sich eher an Knappheit und Präzision des Ausdrucks orientiert als an der Vermittlung eines Sinngehaltes. Die vielen einzelnen Teilmomente des biblischen Narrativs werden dem übergeordneten Zusammenhang entrissen und isoliert betrachtet, sodass jeder Satz als einzelner Tatbestand identifiziert werden kann.

  30. 30.

    Vgl. die vier Beiträge zu Hollein und dem Museum Abteiberg in Chatzoudis 2016, die die Forschung der Architekturwissenschaftlerin Branscome in Form der filmischen Dokumentation darstellen.

  31. 31.

    Sicherlich ist nicht jeder tierische Kosename zugleich als Missachtung rationaler Fähigkeiten zu verstehen. In anderen Kontexten kann die Betonung des Natürlichen im Menschen durchaus einen emanzipativen Charakter haben. So jedenfalls lässt sich Adornos (privater) Umgang mit Tieren und entsprechenden Kosenamen als Versuch verstehen, die kategoriale Unterscheidung von Rationalität und Natur zu unterwandern, Menschliches und Natürliches harmonisch vermittelt zu betrachten (vgl. Scholze 2003).

  32. 32.

    – ein Moment des Stücks, das natürlich primär in Inszenierungen wahrgenommen werden kann.

  33. 33.

    Vgl. dazu den vierten Band der hervorragenden Studien „Geschichte der Frauen“ (Duby et al. 1994) im neunzehnten Jahrhundert.

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Baum, M. (2018). Das Ästhetische. In: Zu einer Kritischen Gesellschaftstheorie der Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20694-9_7

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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