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Reinszenierungen

Von der Szene der Plebejer zur Untersuchung des politischen Moments in gegenwärtigen Bewegungen

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Gleichheit, Politik und Polizei: Jacques Rancière und die Sozialwissenschaften
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Zusammenfassung

Jacques Rancière konzipiert im Berührungspunkt zwischen dem, was er Polizei nennt, und dem, was er als Politik bezeichnet, den politischen Moment als Bruch mit der Ordnung einer Gesellschaft. Beispielhaft hierfür steht bei Rancière die Erzählung des Auszuges der Plebejer aus dem antiken Rom. Die Frage ist, was kann dieses Ereignis vor 2500 Jahren über die Möglichkeit politischer Momente in der Gegenwart erzählen? Anhand der theoretischen Überlegungen Rancières und dem Beispiel des Auszuges der Plebejer will ich dieser Frage nachgehen und zeigen, womit in einem politischen Moment gebrochen wird und wie sich ein solcher Bruch vollzieht. Hiervon ausgehend werde ich dann die These verfolgen, dass der politische Moment heute in aktuellen Bewegungen und Ereignissen wie Occupy Wall Street gesucht und anhand von aktivistischen Reflexionen (d. h. aktivistischen Theorieproduktionen) angelehnt an Rancières Methode der Gleichheit untersucht werden kann.

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Notes

  1. 1.

    Da ich zwischen der Alltagsbedeutung von Polizei und Politik und der Bedeutung, die Rancière Polizei und Politik zuteilt, differenziere, sind letztere immer kursiv geschrieben. Ausnahmen sind direkte Zitate.

  2. 2.

    Für sehr hilfreiche Kommentare und Korrekturen danke ich Edda Grimm, Lena Twardowski, Carolin Zieringer, Martin Nonhoff und Thomas Linpinsel.

  3. 3.

    Daher ist der Begriff der Polizei nicht nur nicht mit der gleichnamigen Ordnungsmacht oder dem Staatsapparat im Allgemein zu verwechseln (Rancière 2002, S. 40), sondern es ist auch verkürzt, ihn mit dem Verweis auf das englische Verb policing auf „Überwachung“ (Davis 2014, S. 125) festzunageln und ihm „düstere Untertöne“ (Davis 2014, S. 145) zu unterstellen, wie es Oliver Davis in seiner Standard-Rancière-Einführung macht.

  4. 4.

    Folgende Ausführungen und insbesondere die Teile zu Gleichheit und Streit lehnen sich an Leonhardt (2017, S. 47–52) an.

  5. 5.

    Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf die Frage des Sagbaren. Vgl. u. a. für das „Sichtbare“ Rancières Überlegungen zu Kunst und Ästhetik (Rancière 2005).

  6. 6.

    Für eine solche Interpretation vgl. z. B. Hürlimann (2015, S. 15).

  7. 7.

    In der Erzählung von Ballanche (siehe nächster Absatz) ziehen die Plebejer auf den Aventin (Rancière 2002, S. 34), einen der sieben Hügel Roms, der sich damals ebenfalls außerhalb des Pomeriums (dem offizielle Stadtgebiet) befand (Livius 1999, S. 208).

  8. 8.

    Zur Politik des historischen Erzählens vgl. Rancière (2015).

  9. 9.

    Da es keine deutsche Übersetzung des Textes von Ballanche gibt, sind hier alle Zitate aus dem Unvernehmen übernommen und jeweils im Satz als Zitate aus dem Ballanche Text ausgewiesen.

  10. 10.

    „[…] sie sprechen Verwünschungen und Vergötterungen aus; sie wählen einen unter ihnen aus, um ihre Orakel zu befragen; sie geben sich Repräsentanten, indem sie ihnen neue Namen geben“ (Rancière 2002, S. 36; H. i. O.).

  11. 11.

    Die Volsker, wie auch die folgenden Sabiner und Aurunker, waren Volksstämme, die zu der Zeit in direkter Nachbarschaft zu Rom siedelten und in Konflikt mit der Stadt gerieten, die Rom langfristig für sich entscheiden konnten.

  12. 12.

    Das Konsulat war das höchste Amt in Rom und die beiden Konsuln standen u. a. dem Senat vor.

  13. 13.

    Vgl. hierzu Laclau (2002, S. 23 ff.).

  14. 14.

    Vgl. dazu u. a. Décieux und Nachtwey (2014); Mörtenböck und Mooshammer (2012); Lorey et al. (2012).

  15. 15.

    Vgl. hierzu auch Leonhardt (2017, S. 51 f.).

  16. 16.

    So formuliert z. B. Anna-Lena Dießelmann in Anbetracht der Pressestrategie der Regierung Merkel während der Protesten gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, dass Partizipation zum neuen Zauberwort geworden sei, „mit dem Protest delegitimiert wird. Dazu wurde der Anschein erweckt, dass die Meinung der Protestierenden bereits erfragt worden sei und so keine wirkliche politische Motivation hinter dem Protest stehe“ (Dießelmann 2015, S. 284).

  17. 17.

    Der Titel von Rancières Auseinandersetzung mit Philosophie und Sozialwissenschaften und ihrem politischen Subjekten ist Der Philosoph und seine Armen (Rancière 2010a).

  18. 18.

    Neben der hier gemachten Argumentation hätte ein solches Vorgehen einen weiteren interessanten Effekt: Wenn aktivistische Theorieproduktionen wie Texte der Politischen Theorie gelesen werden, dann beschäftigt sich die Politische Theorie mit Material, was in anderen sozialwissenschaftlichen Kontexten als empirisches Material gelten würde. Kurz: Es würde bedeuten, mit dem Vorgehen der Politischen Theorie auch quasi-empirisch arbeiten zu können.

  19. 19.

    Für ein Beispiel aktivistischer Theorieproduktion vgl. meine Untersuchung zur inhaltlichen Affinität zwischen Rancière und dem US-amerikanischen Kollektiv CrimethInc. (Leonhardt 2018).

  20. 20.

    Vgl. hierfür u. a. Graeber (2009, 2012, S. 38 ff.).

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Leonhardt, C. (2018). Reinszenierungen. In: Linpinsel, T., Lim, IT. (eds) Gleichheit, Politik und Polizei: Jacques Rancière und die Sozialwissenschaften. Kulturelle Figurationen: Artefakte, Praktiken, Fiktionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20670-3_8

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