Zusammenfassung
Dieser Beitrag setzt sich zunächst kritisch mit der gegenwärtigen Lage der Sportethik auseinander. Viele sportethische Entwürfe sind nämlich dem Vorschlag gefolgt, das Sportsystem als Sonder- oder Eigenwelt zu konzipieren und es damit fast vollständig gegen moralische Interventionen von innen oder außen zu immunisieren. Demgegenüber schlägt der Beitrag eine narrative Lesart des sportlichen Wettkampfs vor. Auf diese Weise erweist der Sport sich als offen für ethische Kommentare von individueller und gesellschaftlicher Seite. Eine Analyse des Films „Goal – Lebe deinen Traum“ (GB/USA 2005, R: Danny Cannon) zeigt, wie eine solche Bewertung vonstattengehen könnte. Während der Film vom gelungenen Start einer Profifußballerkarriere erzählt und damit seinen Untertitel gleichsam als ethischen Imperativ rechtfertigt, offenbart eine genauere Betrachtung der Geschichte, dass damit die Gefahren persönlichen wie moralischen Scheiterns über Gebühr heruntergespielt werden. Darüber hinaus wird gezeigt, wie das System des Spitzensports solchem Scheitern im Grunde seine Existenz verdankt.
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Gewiss lassen sich auch zu diesem Punkt prominente Gegenbeispiele anführen. Wer diese allerdings als Einwand gegen das prinzipielle Desinteresse an einer systeminternen Generierung von Systemkritik betrachtet, macht sich genau des „fortunischen Fehlschlusses“ schuldig, der dem Film insgesamt vorzuwerfen ist: von einem zufällig glücklichen Ausgang in Einzelfällen kann man eben nicht auf die Legitimität eines Systems schließen, das seine Existenz dem Scheitern vieler verdankt.
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Filme
„Aus der Tiefe des Raumes … mitten ins Netz“ (D 2004, R: Gil Mehmert).
„Goal! – Lebe deinen Traum“ (Goal! The Dream Begins, UK/USA 2005, R: Danny Cannon).
„Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spiel“ (D 2011, ein Film von Andreas Bach, Marc Jankowski und Burkhard Vorländer).
„Hooligans“ (Green Street Hooligans, USA/UK 2005, R: Lexi Alexander).
„Kick it like Beckham“ (Bend it Like Beckham, UK/D/USA 2002, R: Gurinder Chadha).
„Nordkurve“ (D 1993, R: Adolf Winkelmann).
„Traumberuf Fußballprofi?“ (D 2015, ein Film von Inka Blumensaat, Michael Maske und Boris Porscharsky).
„Wenn der Profi-Traum platzt“ (D 2016, ein Film von Fabian Butler).
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Hübenthal, C. (2018). Sportethik: Misserfolg und Amoral. Was die Erfolgsgeschichten im Profifußball verschweigen – „Goal! – Lebe deinen Traum“. In: Bohrmann, T., Reichelt, M., Veith, W. (eds) Angewandte Ethik und Film. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20391-7_12
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