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Nonverbal kodierte Anordnungen in Beziehungen erfassen. Psychotherapie und Interaktionsanalyse der Körpersprache mit BMIA (Bonner Modell der Interaktionsanalyse)

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Zusammenfassung

Körpersprachliche Kodierungen im Rahmen psychotherapeutischer Kommunikation werden in ihrer individuellen Ausprägung beobachtet. Referenzen sind biologisch/physikalisch determinierte motorische Möglichkeiten des menschlichen Bewegungsrepertoires hinsichtlich dreier Dimensionen: Intensität/Kraft, Raum und Zeit. Menschliche Fähigkeiten der Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Beziehungsfähigkeit, Impulssteuerung und Affektdifferenzierung zeigen sich in nonverbal kodierten Handlungsdialogen auf der motorischen Ebene. Die affektmotorische Energiemobilisierung (Dimension der Intensität) ist, motorisch betrachtet, von der immer wirkenden Schwerkraft und muskulärer Gegenwirkung (statische oder dynamische Kraftentwicklung) abhängig. Die Nähe-Distanzregulation (Körper im Raum) ist von der Nutzung anatomischer Möglichkeiten im Außenraum (Bewegungsradius) abhängig. Knochenbau, Gelenke, Muskeln etc. bedingen die räumliche Ausdehnung/Anordnung von Körperteilen, unter den jeweiligen Umgebungsbedingungen. Die rhythmische Passung (zeitlicher Verlauf) ist von der Gestaltung des Bewegungsflusses, von rhythmischen und dynamischen Qualitäten im zeitlichen Verlauf einer Interaktion abhängig. Der Artikel stellt die Systematik der Interaktionsanalyse vor.

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Notes

  1. 1.

    Zu unbewussten und verinnerlichten Interaktionserfahrungen vgl. ursprünglich (Stern 1992, 1998).

  2. 2.

    Die unbewusste Psychodynamik wird erschlossen aus der Art und Weise, wie sich Patienten in der Beziehung zum Therapeuten verhalten. Bedeutungshypothesen über unbewusste Strebungen, Antriebe, Motivbündel usw. ergeben sich aus dem Erleben der therapeutischen Beziehung, sowohl vonseiten des Patienten als auch vonseiten des Therapeuten. Die eruierten Bedeutungshypothesen können systematisch erfasst und eingeordnet werden. Hierzu bietet die OPD-2 (2014) die differenzierteste Systematik.

  3. 3.

    Eine Gegenübertragungsanalyse bezieht sich auf wahrgenommene Gedanken, Gefühle, Wünsche, Sehnsüchte, Ängste usw., die im Psychotherapeuten in einer gegebenen Interaktionsepisode durch die Äußerungen des Patienten ausgelöst werden. Dieser überträgt seinerseits unbewusst Motivationsbündel mit Wünschen, Erwartungen usw. auf den Therapeuten. In der Psychodynamischen Psychotherapie wird mit Analysen von Übertragungs- und Gegenübertragungsszenerien gearbeitet (Wöller und Kruse 2010).

  4. 4.

    Vgl. die Übertragung des Organon-Modells von Karl Bühler auf die körpersprachliche Kommunikation in Trautmann-Voigt und Voigt (2012, S. 42–46). Organon bedeutet im Griechischen „Werkzeug“. Verbale Kommunikation wurde von Bühler mit Bezug auf eine Bemerkung Platons als Werkzeug aufgefasst, mit dessen Hilfe Menschen einander etwas mitteilen können. Dabei wurden den sog. „Sprachzeichen“ drei unterschiedliche Funktionen zugewiesen: Darstellung, Ausdruck und Appell. Diese drei Funktionen wurden systematisch auf KSZ = Körpersprachliche Zeichen übertragen.

  5. 5.

    Körpersprache wird als dialogisch funktionierendes, symbolisches Zeichensystem mit einer Signalfunktion, einer Symbolfunktion und einer Handlungsfunktion aufgefasst (Trautmann-Voigt und Voigt 2012, S. 38 ff.: „Aspekte einer gemeinsamen Handlungstheorie von Sprache und Körpersprache“).

  6. 6.

    Körperverhalten meint hier das in einer Beziehungsepisode aktualisierte Bewegungsrepertoire, also die Gesamtheit der zu Clustern bzw. Bewegungsmustern zusammengefügten Bewegungselemente, die sich nach BMIA kodieren lassen, vgl. Abb. 1 und Abschn. Was ist eine Metaanordnung in der Psychotherapie?.

  7. 7.

    Feldenkrais schrieb hierzu bereits im Jahr 1949: „All movement, whatever its purpose may be […] is in the last analysis an anti-gravity action. […] The body is set in a special attitude and is thus maintained against the tendency of gravitation to bring it down. There is little awareness of all this constant adjustment to very stringent requirements, but the nervous system is constantly and without break, responsive to gravitation, as long as there is any life in it. […] Taking this viewpoint […] it is quite obvious that the most suitable function for analyzing the development of a personality is his muscular activity“ (Feldenkrais 1949, S. 20).

  8. 8.

    Das Körpergedächtnis zeigt sich z. B. in fixierten motorischen Mustern. Der Körper speichert Erinnerungen an Aktions-Reaktions-Gewohnheiten im sogenannten prozeduralen Gedächtnis (Stern 1992, 2005; vgl. ausführlich Trautmann-Voigt und Voigt 2012, S. 160).

  9. 9.

    Der Text ist die Körpersprache, die nur in ihrer Verwendung, also im Prozess der Interaktion, eine kommunikative Bedeutung erhält.

  10. 10.

    Eine ausführliche Diskussion und zahlreiche klinische Fallbeispiele finden sich in Trautmann-Voigt und Moll (2011).

  11. 11.

    Zur Leiblichkeit in einem phänomenologischen Verständnis vgl. (Merleau-Ponty 1964; Waldenfels 2000).

  12. 12.

    Kohuts Theorie des primären Narzissmus konzipiert die Idee eines ursprünglich gesunden Selbst-Bewusstseins, das sich etwa mit dem Erreichen des ersten Lebensjahr dann entwickelt, wenn das elterliche Bezugssystem ausreichend verlässlich und spiegelnd empathisch war (Kohut 1979). Um diese Zeit wird auf der Ebene der motorischen Entwicklung die Vertikale erreicht.

  13. 13.

    Lokalisierungen von Orientierungsfunktion, absichtsvollem Handeln und rhythmisch-dynamischen Konturen (Trautmann-Voigt und Voigt 2012, S. 87–102).

  14. 14.

    Es wird hier ein mehrere Wissenschaftsbereiche integrierendes Modell der Bewegungsmöglichkeiten zugrunde gelegt: das ursprünglich von Shahar-Levy entwickelte Paradigma (Shahar-Levy 2001). Dieses inzwischen als Datenbankversion vorliegende Instrument kann zu Forschungszwecken verwendet werden. Das jeweils benutzte Bewegungsrepertoire gibt Auskunft über bestimmte Vorlieben bzw. über Auslassungen oder über die „Abwehr“ möglicher Bewegungsoptionen (ausführlich Trautmann-Voigt und Voigt 2012, Kap. 6 und 7).

  15. 15.

    „I have not come across any paper that discusses the contribution made to our knowledge and experience of a patient from our looking at him or her in their person as a body as against looking at merely the verbal materal and affective responses in the analytic situation“ (Khan 1996, S. 246).

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Trautmann-Voigt, S. (2019). Nonverbal kodierte Anordnungen in Beziehungen erfassen. Psychotherapie und Interaktionsanalyse der Körpersprache mit BMIA (Bonner Modell der Interaktionsanalyse). In: Ankele, M., Kaiser, C., Ledebur, S. (eds) Aufführen – Aufzeichnen – Anordnen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20151-7_15

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