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Kunst als politischer Widerstand

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Kunsttheorie

Part of the book series: essentials ((ESSENT))

  • 1847 Accesses

Zusammenfassung

Der Inbegriff des Widerstands müsste heute in der politischen Kunst radikal und neu überdacht werden, und zwar noch jenseits eines pseudokritischen ‚ästhetischen Atheismus‘, der gegen den Aufmerksamkeitsfang des nihilistischen Waren- und Bildkults der kapitalistischen Gesellschaft mit einem Gegen-Aufmerksamkeitsfang reagiert. Eine scheinbar nonkonformistische Kunst, die in politischen Aktionsformen und Diskursen eindringt und so eine Mischung aus Kunst, Event und Demonstration sein will. Denn auch der nonkonformistische Gegen-Aufmerksamkeitsfang, der ästhetisch angeblich gegen den nihilistischen Bildgott des Kapitals angeht, steht eben immer noch im Dienst der alten archischen (mytho-theologischen), imperativen Mächte, die er gerade durch die nonkonformistischen Pseudoaktionen weiter vorantreibt.

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Notes

  1. 1.

    Eine politische Kunst, die freilich in ihrem Anspruch noch weiter gehen müsste als die Ästhetik Rancières, der versucht das „Regime der Erfahrung“ (Rancière 2016) als Revision des kunstgeschichtlichen und modernen Denkens zu fassen, wobei er die Störung als eine epochale, historische Ausnahme denkt, die aber in dieser Form immer noch im Dienst der alten imperativen Mächte (archē) steht.

  2. 2.

    „Würde sich der Nonkonformismus der 68er heute ‚selbstkritisch‘ beschreiben, so käme man wohl zu dem verblüffenden Resultat: Konformismus tarnte sich als sein Gegenteil – nämlich als Kritik“ (Bolz 1999, S. 23). Diese Diagnose stimmt aber nur dann, wenn die Struktur des Gegners einem unbekannt bleibt.

  3. 3.

    Vgl. Menke 2013. Menke versucht die Kunst von der Kraft her ontologisch als ein besonderes Sein (das Sein des Lebendigen) zu begreifen. Während Goethe noch im Faust I die drei Imperative „Im Anfang war das Wort!“, „Im Anfang war der Sinn“, „Im Anfang war die Kraft!“ zuletzt zugunsten „Im Anfang war die Tat!“ verabschiedet, ist Menke beim Vorletzten der Kraft hängen geblieben. Er liest dann diese Kraft als eine Unbestimmtheit, die aller menschlichen Praxis zugrunde liegt, sodass dieses Sein durch Kunst erfahrbar wird – ähnlich Danto, der allerdings die Kunstwerke auf Bedeutsames im Rahmen einer Lebensform hin untersucht und, ähnlich Hegel, sie in historisch-kulturelle Kontexte stellt. Menkes Kunst-Kraft führt hingegen jenseits der menschlichen Praxis, in eine Metaphysik des Lebens. Kunst leistet eine Unterbrechung von Praxis im Namen einer sonstigen Praxis. Was aber ontologisch auf ein sonstiges Können zurückgeführt wird steht in Wahrheit im Dienst der Imperative. Insofern bedarf es hier keiner Ontologie des Kunstwerks, sondern einer Ontologie der Praxis, in der die Kraft und die Kunstwerke stehen: Kunst als eine Praxis der Freiheit ist darin immer zugleich einer der Unfreiheit, weil auch sie den Imperativen unterworfen ist.

  4. 4.

    „Denn für die Allgewalt der Natur, oder vielmehr ihrer uns unerreichbaren obersten Ursache, ist der Mensch wiederum nur eine Kleinigkeit. Daß ihn aber auch die Herrscher von seiner eigenen Gattung dafür nehmen, und als eine solche behandeln, indem sie ihn teils tierisch, als bloßes Werkzeug ihrer Absichten, belasten, teils in ihren Streitigkeiten gegen einander aufstellen, um sie schlachten zu lassen – das ist keine Kleinigkeit, sondern Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung selbst“ (Kant 1970, S. 362). Was aber, wenn Herrschaft nicht nur die politischen Umschwünge der jeweiligen Staatsformen meint, sondern ein ökonomisch-theologisches Disposiv des planetarischen Schöpfers darstellt, wo eine vormals himmlische Monarchie nur auf die Erde versetzt wurde, während die mythische Polyarchie der neuzeitlichen Nationalstaaten den Rahmen dafür bildet? Dann behandelt der universelle Schöpfer nicht nur sich selbst als eine Kleinigkeit (Subjektivierung als Desubjektivierung), vielmehr haben wir es hier mit einer „Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung“ selbst zu tun, wo der Mensch zu einen Grenzwert der göttlichen Herrlichkeitsdispositive geworden ist.

  5. 5.

    Ein Wille zur Kunst, der sich vormals mit der politischen Macht solidarisierte: „Es ging jetzt nicht mehr um die kollektive Erlösung, sondern um das ewige Drama individueller Existenz. Der politische Totalitarismus hatte den Künstlerwillen zur Macht amputiert. (…) Den Willen zur Macht schien es nie gegeben zu haben. Er hatte sich unmerklich gewandelt in den Willen zur Kunst.“ Ebenso transformierte der philosophische Logos, der, wie bei Heidegger, von der politischen Utopie zu einer hermeneutischen Kunsterfahrung wurde: „Ein Prophet der Bewegung wurde zum Ästheten der Nachkriegskunst“ (Wyss 1996, S. 244). In der Tat, Kunst und Philosophie der Moderne waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter, aber diese Figur von „Täter und Opfer“ lässt sich weder in individuell und kollektiv entdialektisieren, noch beschränkt sie sich auf den Faschismus, vielmehr weist sie auf archaische, individuelle wie kollektive Zwangszusammenhänge von Kunst und Philosophie hin.

  6. 6.

    So einmal die naive Vorstellung: „Der Griff nach der Notbremse, den die Kunst einst spektakulär vollzog, elementarisiert sich hier zu lauter kleinen alltäglichen Notwehrhandlungen. (…) Etwas so Läppisches wie die Entscheidung, ob man sich Hintergrundmusik im Restaurant gefallen läßt oder nicht, kann plötzlich zur Prinzipienfrage, zum Probierstein von Zivilcourage werden“ (Türcke 2002, S. 311).

  7. 7.

    Man muss, so Derrida, „wachsam darauf achten, daß keine vereinheitlichende Hegemonie (keine Kapitale) wieder entsteht, so darf man doch auch umgekehrt die Grenzen, das heißt die Ränder und die Randgebiete, nicht vervielfachen. (…) Die Verantwortung scheint heute darauf hinauszulaufen, daß man auf keinen der beiden widersprüchlichen Imperative verzichtet.“ Er meint hier „das Bündnis zwischen der Kapitale und der A-Kapitale, dem anderen der Hauptstadt“ (Derrida 1992, S. 35). Mit seinem Imperativ: ‚Interpretiert!, Dekonstruiert!‘ bestätigt er aber nur den Lauf der bipolaren Maschine, so dass noch das Geschenk der „Gabe“ zuletzt in Gift, in eine vergiftete, unheilvolle Gabe verwandelt.

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Arabatzis, S. (2018). Kunst als politischer Widerstand. In: Kunsttheorie. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19589-2_5

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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