Zusammenfassung
Die Frage nach der Herkunft des Wortes „Kunst“ führt uns nicht nur in die Renaissance, sondern ebenso auf ihren Ursprung, auf die Antike und ihren Begriff der poiesis, der aisthesis und der technē zurück. So finden wir bereits in den Schriften des Aristoteles eine erste europäische Kulturtheorie formuliert, in der eine Welt konstruiert wird, die später für die westliche Welt schwerwiegende Folgen haben würde. Denn bereits hier wurden im Medium der Philosophie Unterscheidungen getroffen, die dann über das Mittelalter, die Renaissance, die Neuzeit, die Moderne und die Spätmoderne das westliche Denken und die westliche Praxis fundamental bestimmen sollten.
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Notes
- 1.
„Zur Sprache als eine Gestaltungsform gehören die Satzformen. Diese zu kennen ist aber Sache der Schauspielkunst (hypokritikes) und der anderen Künste, wie Malerei oder Bildhauerei, die sich mit dieser nicht-apophantischen Sphäre beschäftigen. Zum Beispiel, was ein Befehl (entole) ist, was ein Wunsch (euche), eine Erzählung (dyigesis), eine Drohung (apyle), eine Frage (erotisis), eine Antwort (apokrisis) und dergleichen mehr ist. Der Dichtkunst selber und der Kunst insgesamt kann man aber aus der Kenntnis oder Unkenntnis solcher Dinge keinen Vorwurf machen. Denn was soll das hier für ein Fehler sein, wenn Protagoras gegenüber Homer bemängelt, dass der Dichter in seiner Ilias einen Wunsch (euche) äußern wollte, in Wirklichkeit aber nur einen Befehl (epitaxis) aussprach, so wenn er schreibt: ‚Singe, o Göttin, den Zorn!’ Denn Jemanden auffordern etwas zu tun oder zu lassen sei ein Befehl (epitaxis) und kein Wunsch (euche), wie hier Homer offenbar beide fälschlich miteinander verwechselte“ (Aristoteles 1995, 1456b; übers. vom Verf., 20. 7–8).
- 2.
Insofern hat Adorno recht, wenn er schreibt: „der Gehalt der Kunst, nach seiner Konzeption ihr Absolutes, geht nicht auf in der Dimension ihres Lebens und Todes. Sie könnte ihren Gehalt in ihrer eigenen Vergänglichkeit haben. Vorstellbar und keine bloß abstrakte Möglichkeit, daß große Musik – ein Spätes – nur in einer beschränkten Periode der Menschheit möglich war“ (Adorno 1989, S. 13). Was Adorno hier als ‚große Kunst‘ (Musik) beschreibt, ist in Wahrheit nur die autonom-bürgerliche Kunst, wo ihr Gehalt in der Tat in ihrer eigenen Vergänglichkeit lag. Die autonome Kunst geht als eine historische Form in den Aktionen des interaktiv-vernetzt-performativen Künstlers auf. Während ihr „Gehalt“ zugleich auf den alten „Kultwert“, auf die liturgisch-zeremoniellen und doxologischen Aspekte der Macht als den vornehmen Ort einer ästhetisch-ökonomischen (technisch-politischen), kollektiven Machtinszenierung zurückweist.
- 3.
Der Begriff „Dispositiv“ taucht zunächst im Konzept Michel Foucaults auf, der darunter „ein Netz aus Institutionen, Personen, Diskursen und Praktiken“ verstand. Allerdings nicht als unmittelbare historische Gegebenheit, sondern als gedankliche Konstruktion und Epochenbegriff. Später wird er von Agamben sowohl als gedankliche als auch als praktische Konstruktion verstanden. Er wird weit nach hinten geöffnet, um ihn vorne mit unserer neuen, mediatisierten Gegenwart zu füllen: „Wer sich vom Dispositiv Mobiltelefon gefangennehmen läßt, wie intensiv auch das Verlangen gewesen sein mag, erwirbt deshalb keine neue Subjektivität, sondern lediglich eine Nummer, mittels derer er gegebenfalls kontrolliert werden kann“ (Agamben 2008, S. 37). Wir verwenden diesen Inbegriff nun sowohl als Nummer (eine übrigens, die es auch in den präelektronischen, vordigitalen Medien gab, ohne dass etwa Goethe oder Schiller sich desubjektivierend verstanden) und instrumentelle Rationalität, als auch als Erzählung, Affekt, Gefühl, Emotion oder Rausch, als Zahl und Musik. Aber so, dass beide Kräfte (logische und alogische) im Dienst der imperativen Mächte stehen.
- 4.
Bei Derrida hingegen heißt es. Die „Eschatologie und die Teleologie“, das ist „der Mann. Er erteilt der Besatzung Befehle, hält das Steuerruder oder den Steuerknüppel, er, das Haupt, behauptet sich gegenüber der Besatzung und der Maschine – häufig nennt man ihn Kapitän“ (Derrida 1991, S. 16). Die Frage ist hier: Wer erteilt der Besatzung Befehle und bleibt dabei als imperative Potenz unsichtbar?
- 5.
Adorno versuchte noch die bürgerlich-autonome Kunst zum Statthalter einer besseren Praxis zu machen: „Kunst ist nicht nur der Statthalter einer besseren Praxis als der bis heute herrschenden, sondern ebenso Kritik von Praxis als der Herrschaft brutaler Selbsterhaltung inmitten des Bestehenden und um seinentwillen.“ (Adorno 1989, S. 26). Dies ist aber noch vom Standpunkt der modernen Praxis aus geschrieben, die noch in der „besseren Praxis“ das alte göttliche Wirken im menschlichen Projekt weiter wirken lässt.
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Arabatzis, S. (2018). Kunst, ihr Anfang und ihre Geschichte. In: Kunsttheorie. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19589-2_2
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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