Psychiatriereform in der DDR? Dies scheint auf den ersten Blick für viele Menschen ein Widerspruch zu sein. Zu wirkmächtig sind die Bilder wie jene aus Ernst Klees Dokumentarfilm „Die Hölle von Ueckermünde“. In diesem Film zeigt Klee die Zustände in einer psychiatrischen Abteilung für schwerbehinderte Menschen, in der Patient_innen ohne hinreichende Betreuung und unter menschenunwürdigen Bedingungen verwahrt werden. Klees 1990 entstandene Dokumentation fand eine breite Rezeption, wurde jedoch auch kritisch diskutiert.Footnote 1 Doch war die Psychiatrie in Ueckermünde charakteristisch für den Stand der psychiatrischen Versorgung in der DDR-Psychiatrie? Wie bereits Sonja Süß konstatiert, zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein differenzierteres Bild und die Wirklichkeit der DDR war „eher grau mit verschiedenen Helligkeitsabstufungen, die stellenweise bis ins Weiße und an anderen Stellen bis ins Schwarze reichen“Footnote 2. Im folgenden Beitrag möchte ich die verschiedenen Reformbemühungen der DDR-Psychiatrie und ihre Verknüpfungen und Reibungen mit der staatlichen Gesundheitspolitik aufzeigen. Für den Zeitraum 1960 bis 1989 soll herausgearbeitet werden, wie sich die psychiatrische Versorgung in der DDR ausdifferenzierte. Auf welchen Wegen und inwieweit fanden die fachliche Perspektive sowie sozialpsychiatrische Reformversuche Eingang in die Gesundheitspolitik, inwieweit wurden die erarbeiteten Pläne umgesetzt und welche Faktoren brachten die Implementierung zum Erliegen?

Die Untersuchung stützt sich auf bis dato nicht ausgewertete Archivalien des Ministeriums für Gesundheitswesen sowie auf psychiatrische Fachpublikationen. Diese Quellen erlauben es, die Verflechtungen zwischen fachlichen und staatlichen Akteuren sowie die Steuerungsprozesse der psychiatrischen Versorgung genauer zu analysieren und die historischen Entwicklungen jenseits der Weißmalerei psychiatrischer Fachpublikationen und Skandalisierungen wie jenen aus der Hölle von Ueckermünde nach zu zeichnen. Dabei werde ich erste Reformvorschläge von Psychiater_innen deutlich machen, sie im Kontext politischer Entwicklungen verorten und schließlich die Entstehung eines gesundheitspolitischen Präventionsdiskurses, der für das Risiko einer psychiatrischen Erkrankung das individuelle Gesundheitsverhalten verantwortlich machte skizzieren.

Phasen der DDR Psychiatrie

Einen ersten Überblick über die Phasen der DDR-Psychiatrie gab der Psychiatriehistoriker Greg Eghigian. Er charakterisierte in knapper Form die wichtigsten Reformen von 1945 bis in die 1980er Jahre und ordnete sie in die allgemeine politische Entwicklung der DDR ein. Die erste Phase bis 1950 sah er durch die Unterstellung der Psychiatrien unter die sowjetische Besatzungsmacht und die damit einhergehenden Plünderungen gekennzeichnet. Die Patientensterblichkeit habe damals fast 20 % betragen. Die Zahl der Patienten in den Kliniken sei gegenüber 1936 auf 20 % abgesunken,Footnote 3 wobei allerdings der Massenmord im Rahmen der NS-Euthanasieaktion und das Hungersterben in den Psychiatrien in Rechnung zu stellen ist, das auch nach 1945 anhielt.Footnote 4 Darüber hinaus seien viele Patienten und Mitarbeiter vor der sowjetischen Besatzung geflohenFootnote 5. In der zweiten Phase, die von 1950 bis 1960 reichte, wurde Eghigian zufolge der Versuch gemacht, eine angemessene Versorgung wiederherzustellen. Seit den frühen 1950er Jahren waren die psychiatrischen Kliniken überfüllt, durch die fortgesetzte Republikflucht fehlten zahlreiche Fachkräfte. Gleichzeitig wurde den ostdeutschen Ärzten durch die bereits 1949 gegründete erste psychiatrische Fachzeitschrift der DDR, „Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie“, wichtige Entwicklungen der sowjetischen Psychiatrie zugänglich gemacht. Die sowjetische Psychiatrie stützte sich auf einen biologistischen Ansatz, dem zufolge psychische Krankheiten in erster Linie als Gehirnkrankheiten zu verstehen seien, weshalb pharmakologische und somatische Behandlungen favorisiert wurden. Zudem bemühten sich Funktionäre der SED zu Beginn der 1950er Jahre, die in der Sowjetunion gefeierte lernpsychologische Reflextheorie des Mediziners und Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlows (1849–1936) mittels spezieller Forschungsprogramme in der DDR zu implementieren.Footnote 6 Allerdings erlangten diese Initiativen kaum Einfluss und nur wenige Jahre später kamen sie im Zuge der Entstalinisierung (die in der DDR mit einigen Jahren Verzögerung gegenüber der Sowjetunion erfolgte) zum Erliegen.Footnote 7 Andere psychiatrisch-psychologische Theorien wie beispielsweise die Psychoanalyse galten als unvereinbar mit materialistischen Positionen und wurden offiziell abgelehntFootnote 8. Mit dem Mauerbau begann nach Eghigian eine dritte Phase der DDR-Psychiatrie. Die für das Gesundheitswesen zuständigen SED-Funktionäre öffneten sich neuen wissenschaftlichen Ideen und Reformen und machten den in der DDR verbliebenen Psychiatern weitreichende Zugeständnisse. Einzelne Forscher erhielten sogar die Möglichkeit, sich im Ausland über die neuesten Entwicklungen der sozialen Psychiatrie zu informieren. Dadurch inspiriert, so legt Eghigian nahe, wurden auch in der DDR Forderungen nach Reformen virulent.

Diese Phase der Offenheit war jedoch bald wieder vorbei, wie sowohl Eghigian als auch Herbert Loos – Psychiater und Autor eines retrospektiven Berichts über die Entwicklung der Psychiatrie in der DDR – feststellen. Im Februar 1971 befasste sich eine von der Abteilung Gesundheitspolitik des Zentralkomitees der SED einberufene Konferenz mit der „ideologischen Situation“ im Fachgebiet Psychiatrie und stellte „ernste Mängel“ fest. Auf der Konferenz verkündete die SED einen Parteibeschluss, dem zufolge alle leitenden Posten in der DDR-Psychiatrie mit SED-Genossen besetzt werden sollten.Footnote 9 Dieser Beschluss gab der Sorge der SED Ausdruck, dass sich insbesondere die ältere Ärzteschaft noch immer am westlichen Wissenschaftsdiskurs orientiere und für die ideologischen Einbindungsversuche der Partei relativ unzugänglich sei.Footnote 10 Tatsächlich blieb die DDR-Psychiatrie von 1971 bis zu ihrem Ende durch Widersprüche und Inkongruenzen gekennzeichnet.Footnote 11 So bezogen sich die Psychiater in der DDR trotz des seit dem Mauerbau stark eingeschränkten Zugangs zu internationaler Forschungsliteratur weiterhin vor allem auf westdeutsche und amerikanische Publikationen.Footnote 12 Sie versuchten, die westlichen Konzepte mit den Zielen des Sozialismus in Übereinstimmung zu bringen, woraus sich zum Teil eigene Herangehensweisen entwickelten. Allerdings gelang es aufgrund personeller und finanzieller Engpässe nicht, die neuen Ansätze in den Anstalten und in der gemeindenahen Versorgung bis 1989/90 in breiterem Umfang zu etablieren.Footnote 13

Partizipative Psychiatriepolitik in den 1960er Jahren und die Rodewischer Thesen

1959 wurde beim Ministerium für Gesundheitswesen der Fachausschuss für Psychiatrie wiederbelebt. Dadurch wurden reformorientierte Psychiater, die sich von der starken Fokussierung auf die Psychopathologie der älteren Schule absetzten und sich stattdessen auf den Ausbau der ambulanten Versorgung konzentrierten, verstärkt in die Planung einbezogen.Footnote 14 In diesem Beratungsgremium engagierten sich vor allem Leiter der Bezirksfachkrankenhäuser für eine grundlegende Reform der psychiatrischen Versorgung, allen voran der Leiter der Heil- und Pflegeanstalt Mühlhausen in Thüringen, Ehrig Lange (1921–2009).Footnote 15 Bereits Ende der 1950er Jahre war Lange im Auftrag des Ministeriums nach England gereist, um sich dort über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Sozialpsychiatrie zu informieren.Footnote 16

Inspiriert durch Langes Bericht über seine Erfahrungen in England, war der Fachausschuss maßgeblich an der Formulierung einer ersten sozialpsychiatrischen Agenda in der DDR beteiligt, die unter dem Namen „Rodewischer Thesen“ bekannt wurde.Footnote 17 Die Thesen waren das Ergebnis einer internationalen, das heißt von Fachvertretern aus verschiedenen sozialistischen Ländern besuchten Konferenz zur psychiatrischen Rehabilitation, die 1963 in Rodewisch im Vogtland stattfand. Ihre Kernaussagen lauteten: Die Psychiatrie müsse sich vom Bild eines schicksalhaften Krankheitsverlaufs verabschieden und ihre Kräfte auf rehabilitative Therapien konzentrieren. Um dies zu erreichen, müssten „Komplextherapien“ konsequent angewendet werden. Diese sollten gezielte Psychopharmakatherapien ebenso wie Arbeits- und Soziotherapien umfassen. Gleichzeitig seien die psychiatrischen Stationen offener zu gestalten und so zu profilieren, dass beispielsweise spezielle Krankheits- oder Altersgruppen gezielt behandelt werden könnten. Ferner wurde gefordert, die Dispensairebetreuung auszubauen und den Übergang zwischen vollstationären und ambulanten Einrichtungen zu erleichtern. Dafür sollte auch ein abgestuftes System von geschützten Arbeitsmöglichkeiten entwickelt werden. Schließlich gelte es, Zwangsmaßnahmen gegen psychisch Kranke auf ein Minimum zu beschränken.Footnote 18 Diese Forderungen orientierten sich im Wesentlichen an den Entwicklungen der psychiatrischen Versorgung im anglo-amerikanischen Raum und gingen von praktischen Beobachtungen aus.

Nach der Rodewischer Konferenz drängte der Fachausschuss für Psychiatrie unter der Leitung von Lange, der inzwischen den Dresdener Lehrstuhl für Psychiatrie übernommen hatte, auf eine schnelle Umsetzung des Reformprogramms. Als das Ministerium für Gesundheitswesen die erforderlichen Maßnahmen hinauszögerte, kritisierte Lange in einem Schreiben an den stellvertretenden Gesundheitsminister Michael Gehring im Juli 1963:

Der Fachausschuss für Psychiatrie beim Ministerium für Gesundheitswesen der DDR ist in seiner letzten Sitzung darin übereingekommen, dass diese in langjähriger Vorbereitung erarbeiteten Entwicklungsthesen dann nur eine Deklaration bleiben, wenn sie nicht von bevorzugter Stelle mit entsprechender Weisungsempfehlung an die psychiatrischen Facheinrichtungen und die Räte der Bezirke überreicht werden.Footnote 19

Zumindest müsse das Ministerium die im Dezember 1963 in Schwerin tagenden Ärztlichen Direktoren psychiatrischer Fachkrankenhäuser auf die bindende Wirkung der Rodewischen Empfehlungen hinweisen. Schließlich versandte Gehring, nach weiterem Druck aus dem Fachausschuss, die Thesen kurz vor der Schweriner Konferenz und forderte die Teilnehmer auf, diese intensiv zu diskutieren.Footnote 20

Dennoch zeichnete sich in den folgenden Jahren ab, dass die Parteiführung andere wissenschafts- und gesundheitspolitische Prioritäten setzte als die Reformer. Dabei handelte es sich um einen schleichenden Prozess, dessen Auswirkungen erst langsam deutlich wurden. Das Ministerium für Gesundheitswesen überführte den Fachausschuss in eine Problemkommission „Psychohygiene und geistige Gesundheit“, die Empfehlungen für die künftige Entwicklung der Psychiatrie und die Forschungsplanung erarbeiten.Footnote 21 In seiner letzten Sitzung im Januar 1965 bestätigte der Fachausschuss für Psychiatrie die Konstitution der Problemkommission, deren Vorsitz Lange innehaben sollte. Der zuständige Gesundheitsminister Ludwig Mecklinger (1919–1994) erklärte dazu, die Problemkommission werde eine „einheitliche Konzeption in der diagnostischen, therapeutischen und medikamentösen Einstellung“ entwickeln, die dem modernsten wissenschaftlichen Stand entspreche. Ausdrücklich benannte er als Problem, dass insbesondere beim Aufbau des ambulanten Sektors noch einiger Nachholbedarf bestehe, aber die finanziellen Spielräume dafür begrenzt seien. Dennoch sei das Ministerium bestrebt, der Psychiatrie echte Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven zu eröffnen.Footnote 22 Er versicherte zudem, dass der für die Rehabilitation so notwendige Aspekt der „psychiatrischen Fürsorge“ und somit sozialpsychiatrische Fragen in einer gesonderten Arbeitsgruppe berücksichtigt würden.

Die bisherigen Fachausschuss-Mitglieder fühlten sich durch das klare Bekenntnis zur Sozialpsychiatrie zunächst bestärkt. Ihre Hoffnung auf inhaltliche Kontinuität erfüllte sich indes nicht. Vielmehr nutzte das Ministerium für Gesundheitswesen die Umbildung des psychiatrischen Beratungsgremiums, um in dessen Ausrichtung einzugreifen. Den verantwortlichen Gesundheitspolitikern ging es darum, eine biologisch fundierte Psychiatrie bei gleichzeitiger Förderung der psychohygienischen Gesundheitserziehung zu etablieren. Damit schlossen sie nicht nur an die Entwicklung der sowjetischen Psychiatrie an, sondern folgten auch einem weltweiten Trend hin zu einer biochemischen und neurophysiologischen Grundlagenforschung, der durch die Einführung der modernen Psychopharmaka ausgelöst worden war.Footnote 23 Diese Neuorientierung behagte den Reformerpsychiatern nicht, weil sie fürchteten, die SED werde auf naturwissenschaftliche und individualisierende „Lösungen“ für die Probleme der psychiatrischen Versorgung setzen, statt Strukturreformen einzuleiten. Zu Recht, wie die weiteren Entwicklungen zeigten. Die neue Parteilinie propagierte der Rat für Planung und Koordinierung der Medizinischen Wissenschaften, dem die Problemkommission unterstand, 1967 auf einer nationalen Konferenz mit dem Titel „Sozialismus, wissenschaftlich-technische Revolution und Medizin“. In den zu diesem Symposium veröffentlichten Thesen hieß es, dass sich die Forschung vermehrt auf die Epidemiologie psychischer Störungen – mit dem Ziel der Objektivierung der klinischen Versorgung – und vor allem auf die „Prophylaxe“, das heißt die „Verhütung“ psychischer Störungen mittels Gesundheitserziehung bzw. „Psychohygiene“, konzentrieren müsse.Footnote 24 Ein Jahr zuvor hatte das Ministerium für Gesundheitswesen in der Einladung zur ersten Sitzung der Problemkommission am 15. Juni 1966 als Leitlinie festgelegt, dass deren Arbeit insbesondere in neurochemischer, neurologischer, psychohygienischer und prophylaktischer Hinsicht über die Tätigkeit des Fachausschusses hinauszugehen habe.Footnote 25

Bestandsaufnahmen und Reformen in den 1970er Jahren

Die Hoffnung einen Aufbau des ambulanten Sektors der Reformer erfüllte sich indes nicht. Anfang der 1970er Jahre kamen jedoch die Möglichkeiten engagierter Psychiaterinnen wie Ehrig Lange nahezu vollständig zum Erliegen und die Steuerung des Gesundheitswesens im Bereich Psychiatrie wurde bis zum Ende der DDR von parteitreuen Kadern übernommen. 1971 hatte die Parteiführung ein Gutachten zur aktuellen Situation der Psychiatrie in Auftrag gegeben, das noch im selben Jahr vorgelegt wurde. Der von parteitreuen Psychiatern in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Ministeriums für Gesundheitswesen abgefasste Bericht ging offensiv auf bestehende Probleme der psychiatrischen Versorgung ein. Diese Offenheit war vielleicht gerade deshalb möglich, weil der Bericht unter Federführung von Parteikadern erstellt worden war und lediglich der internen Diskussion dienen sollte. Die Autoren unterstrichen, dass die Behandlung und Rehabilitation psychisch Kranker keineswegs dem wissenschaftlichen Stand entspreche. Das Potenzial einer sozialistischen Gesellschaft müsse sich aber nicht zuletzt am Umgang mit ihren psychisch Kranken erweisenFootnote 26. Sie kritisierten die Baufälligkeit der psychiatrischen Anstalten sowie deren Überbelegung um mindestens ein Drittel der vorhandenen Kapazität:

Viele Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie bieten deshalb noch heute das Bild einer Massenunterkunft. Das Ziel, die stationäre psychiatrische Betreuung für eine gezielte Diagnostik, straffe Therapie und Einleitung der Rehabilitation zu nutzen, ist z. Zt. noch nicht ausreichend möglich.Footnote 27

Der Mangel an teilstationären Einrichtungen, der viel zu langsame Ausbau ambulanter Angebote, die unzureichende Versorgung rein pflegerisch zu betreuender Kranker sowie der massive Fachkräftemangel in Praxen und Polikliniken würden die Reformbemühungen hemmen. Die Berichterstatter merkten zudem an, dass auf dieser Basis psychopharmakologische Langzeittherapien nicht gezielt eingesetzt werden könnten.Footnote 28 Auch in den Jahren nach diesem kritischen Bericht verbesserte sich die Lage der Psychiatrie nicht substanziell. Es existierten nach wie vor enorme Betreuungslücken, obwohl die Zahl der psychiatrischen Betten von 34.543 im Jahr 1963 auf 36.710 im Jahr 1972 stieg.Footnote 29 Ein weiterer im Auftrag des Ministeriums für Gesundheitswesen erstellter Bericht des Obermedizinalrats Münter und seines Kollegen Bodo Barleben, an dem die Psychiatrieprofessoren Peter Hagemann und Klaus Weise mitgearbeitet hatten, zog im Jahr 1979 eine ernüchternde Bilanz: Über die Hälfte der Patienten bleibe über zwei, ein Drittel mehr als zehn Jahre in stationärer Versorgung. Die meisten von ihnen würden in überfüllten Fachkrankenhäusern betreut, die „vorherrschend die Funktion der Asylierung chronischer Störsyndrome und geistig schwer behinderter Menschen ausüben“Footnote 30. Die Bettenkapazitäten seien zudem regional ausgesprochen ungleich verteilt. Vier Fünftel aller Krankenhausbetten würden im Großraum Leipzig vorgehalten, obwohl im Bezirk nur acht Prozent der Gesamtbevölkerung lebten. Aus diesem Grund würden Patienten aus dem gesamten Gebiet der DDR in Leipzig aufgenommen, die dadurch teilweise ihr Recht auf Wohnraumversorgung im Heimatort verloren. Im übrigen Gebiet sei die Situation durch den Mangel an Ärzten und Pflegepersonal desolat: „Der Funktionsbetrieb psychiatrischer Krankenhäuser“, so die Berichterstatter, „kann vielfach nur durch den Einsatz von Patienten gesichert werden.“Footnote 31 Das hieß nichts anderes, als dass die Patienten für anfallende Arbeiten auf den Stationen eingesetzt wurden. Bei der ambulanten Betreuung sah es nicht besser aus: Der Anteil an komplementären Einrichtungen wie Tages- und Nachtkliniken und ambulanten Wohnformen sei nach wie vor äußerst gering. Dieser Berichtsteil mündete in der Feststellung: „Das den psychisch behinderten Bürgern gesetzlich zugesicherte Recht auf Rehabilitation und soziale Integration entbehrt z. Z. den äußeren Bedingungen zu seiner Verwirklichung.“Footnote 32

Sozialpsychiatrie in den 1970er Jahren

Angeregt durch zunehmende Reformbestrebungen in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern, kam es zu Beginn der 1970er Jahre auch in der DDR zu neuen Reformbemühungen. In einschlägigen psychiatrischen Veröffentlichungen zeichnete sich dabei eine Neuausrichtung ab. Die Publikationen konzentrierten sich auf eine Verbesserung der Arbeit in den psychiatrischen Anstalten, kaum eine machte jedoch die Dispensairebetreuung zum Thema. Diskutiert wurde über sozialpsychiatrische Aspekte der forensischen Begutachtung, den Aufbau von Patientenklubs, Angehörigenarbeit, Soziotherapie oder über die Einrichtung von Suizidberatungsstellen.Footnote 33 Parallel zum verstärkten Einsatz von Depotneuroleptika nahmen Mitte der 1970er Jahre auch die Veröffentlichungen über das Verhältnis von Sozialpsychiatrie und Psychopharmaka zu. Einige Autoren äußerten die Hoffnung, dass die sachgerechte Anwendung dieser langwirkenden Medikamente dazu beitragen könnte, die sozialpsychiatrische Agenda leichter umzusetzen.Footnote 34 Gleichzeitig wiesen sie auf das Problem der Ruhigstellung der Patienten durch übermäßigen Psychopharmakaeinsatz hin, dem durch aktivierende Soziotherapie entgegengewirkt werden müsse.

Um das Fehlen einer funktionierenden Dispensairebetreuung zu kompensieren, konzentrierten sich die wieder erwachten Reformbestrebungen vor allem auf das Innenleben der Anstalten. Dies war auch der Fluchtpunkt einer 1976 unter dem Titel „Brandenburger Thesen“ publizierten sozialpsychiatrischen Agenda, die im Titel, nicht jedoch in der inhaltlichen Ausrichtung, an die „Rodewischer Thesen“ anschloss. Eine erste, 1974 veröffentlichte Fassung der Agenda, die unter dem Titel „Neun Thesen zur Therapeutischen Gemeinschaft“ in „Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie“ erschien, forderte eine „echte“ Gemeinschaft von Klinikärzten, Pflegepersonal und Patienten: Die krankenhaustypische Hierarchie sei abzubauen und durch ein System der offenen Tür zu ersetzen.Footnote 35 Diese Forderungen griffen das international viel diskutierte Konzept der „Therapeutischen Gemeinschaft“ des britischen Psychiaters Maxwell Jones auf, das auf eine Mitbestimmung von Mitarbeitern und Patienten auf allen Ebenen und ein demokratisches Klima abhob.Footnote 36

Dennoch fielen die „Neun Thesen“, die nicht mehr von den alten Reformern, sondern von jüngeren parteiverbundeneren Psychiatern formuliert worden waren, deutlich weniger radikal aus als die Rodewischer Thesen, die neben einer Verbesserung der Situation in den Anstalten umfangreiche Rehabilitationsmöglichkeiten außerhalb der Klinikmauern gefordert hatten.Footnote 37 Nichtsdestotrotz kritisierte die erste Fassung der Reformagenda, wenn auch in milder Form, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der DDR. So wurde beispielsweise festgestellt, „dass auch soziale Störfaktoren zu erheblichen passageren oder bleibenden psychischen Veränderungen führen können“.Footnote 38 Diese Aussage der „Neun Thesen“ griff der Medizinhistoriker und -ethiker Achim Thom (1935–2010), der als parteitreuer Vordenker eines sozialistisch begründeten Reformprogramms der Psychiatrie fungierte, scharf an: Die Betonung soziogener Aspekte sei linksradikal und antipsychiatrisch.Footnote 39 Ziel einer sozialistischen Sozialpsychiatrie müsse stattdessen die gerechte psychiatrische Versorgung aller Gesellschaftsschichten auf der Grundlage eines medizinischen Modells psychischer Krankheit sein, das von biologischen Ursachen ausgehe.Footnote 40

Auch die in der ersten Fassung der „Neun Thesen“ angedeutete Autoritätskritik lehnte Thom ab. Zu den Verhältnissen in den Psychiatrien hatten die Autoren unter der ersten These („Der Mensch entwickelt und bewährt sich in der Gemeinschaft“) folgendes geschrieben:

Anstelle des Gemeinschaftsprinzips herrschte weitgehend eine hierarchisch gegliederte Struktur in allen Bereichen vor, wobei die gemeinsame Gestaltung des Lebens im Krankenhaus in den Hintergrund trat und sich durch das Prinzip der Anordnungen nicht entfalten konnte.Footnote 41

Diese Situation verglichen die Verfasser mit den von Erving Goffman (1922–1982) geschilderten Zuständen in „totalen Institutionen“. Sie forderten stattdessen eine Beteiligung von Patienten durch Patientenräte, Patientenparlamente und gemeinsam aufgestellte Stationsordnungen.Footnote 42 Diese Forderungen gingen Parteikadern wie Achim Thom zu weit: Autorität und Disziplin seien nicht grundsätzlich, sondern nur unter kapitalistischen gesellschaftlichen Bedingungen problematisch.Footnote 43 Thoms’ Auffassung setzte sich durch: Die letzte Fassung der „Brandenburger Thesen“ enthielt die kritisierten Passagen nicht mehr. Stattdessen hieß es nun, die „Therapeutische Gemeinschaft“ sei kein abstraktes Prinzip, sondern abhängig von den Möglichkeiten der Gesellschaft, in der sie eingebettet sei.Footnote 44

Letztlich beschränkten sich die „Brandenburger Thesen“ auf das Machbare. Sie forderten ausschließlich eine Verbesserung der stationären Versorgung und erwähnten die Dispensairebetreuung mit keinem Wort. Dagegen wurden die Darlegungen zum biologischen Charakter psychischer Störungen verstärkt.Footnote 45 Indem sich die Veränderungsvorschläge – in räumlicher und politischer Hinsicht – ausschließlich nach innen, das heißt auf die psychiatrischen Anstalten, richteten, markierten die Reformvorschläge der 1970er Jahre, eine Zäsur gegenüber der Agenda der 1960er Jahre.Footnote 46

Endstation Pflegeheim

In den 1980er Jahren wandten sich einige Psychiater erneut sozialpsychiatrischen Themen zu. Zwar hatte laut einer vom Ministerium für Gesundheitswesen 1985 in Auftrag gegebenen Studie die Zahl der psychiatrischen Betten seit den 1970er Jahren jährlich um ein Prozent abgenommen und die Aufenthaltsdauer in den psychiatrischen Kliniken hatte sich um 25 % verkürzt. Diese Entwicklung blieb jedoch hinter der Entwicklung in der Bundesrepublik zurück, hier sank die Bettenzahl jährlich um anderthalb Prozent. Gleichzeitig nahm in der DDR die Zahl der Neuerkrankten jährlich um zwei Prozent zu, es entstand also ein erhöhter psychiatrischer Versorgungsbedarf.Footnote 47 Auch dieser Bericht blieb auf die psychiatrischen Anstalten fokussiert und widmete der Dispensairebetreuung und der häufigen Unterbringung von psychiatrischen Patienten in anderen Einrichtungen wie zum Beispiel Heimen keine Aufmerksamkeit.

Anfang der 1980er Jahre kamen auch auf ministerieller Ebene die Probleme einer unzureichenden sozialpsychiatrischen Versorgungsstruktur deutlicher zur Sprache als bis dahin üblich. Ein interner Bericht von 1981 präsentierte eindrückliche Bedarfszahlen für die psychiatrische Versorgung: 15 % der Bevölkerung, so erwarteten die Gesundheitspolitiker, müssten längerfristig psychiatrisch betreut werden. Mindestens zehn Prozent würden jährlich an Neurosen und funktionellen Störungen erkranken – also genau jenen Erkrankungen, die durch die zunehmenden Anforderungen der technisierten Gesellschaft begünstigt würden. Im Vergleich dazu ging man in der Bundesrepublik von neun Prozent neurotischer Störungen aus.Footnote 48 Im Zentrum neuer Betreuungskonzeptionen müsse deshalb insbesondere die Prophylaxe und Behandlung dieser Störungen stehen.Footnote 49 Auch ein Papier aus dem Ministerium zur Psychiatrieentwicklung aus dem gleichen Jahr mahnte:

[V]erstärkte Aufmerksamkeit ist präventiven und Früherkennungsmaßnahmen psychischer Störungen zu widmen. Hierzu ist der Betreuungskomplex ‚psychiatrische Beratung, Krisenintervention, Notfallpsychiatrie‘ als Teilaufgabe territorialer Betreuungssysteme zu entwickeln […].Footnote 50

Zur Umsetzung dieser Maßnahmen müssten auch die Allgemeinmediziner stärker in die Neurosenbehandlung einbezogen werden. Der Fachkräftemangel sei dabei allerdings ein großes Hindernis. Deshalb seien durch „Kaderlenkung“ mehrere hundert Ärzte für den Bereich Psychiatrie/Neurologie zu gewinnen.Footnote 51 Eine besondere Aufgabe ambulant tätiger Psychiater sollte nach Ansicht der Ministeriumsberater darin bestehen, die ständig steigende Zahl alkoholkranker DDR-Bürger zu betreuen. Auch klinische und epidemiologische Forschungen müssten sich verstärkt diesem Themenkomplex zuwenden. Das Papier unterstrich, dass alkoholabhängige Patienten eine Vielzahl neuer Betreuungsformen wie Patientenklubs und therapeutische Gruppenangebote benötigten.Footnote 52 Fachkrankenhäuser sollten daher Rehabilitationsangebote für Alkoholkranke mit abgestufter Betreuung in Form von Tages- und Nachtkliniken schaffen. Auch in den Kreisen seien komplementäre Einrichtungen aufzubauen, sodass der Behandlungsort nicht so weit vom eigentlichen Wohnort des Patienten entfernt läge.Footnote 53

Letztlich unterstrichen die Bedarfsermittlungen der 1980er Jahre nur die bereits seit Langem bekannten Probleme. Wie zuvor wurden jedoch die Reformvorschläge auch in den 1980er Jahren kaum umgesetzt, nicht zuletzt aus finanziellen Nöten. Wie eine vom Ministerium für Gesundheitswesen in Auftrag gegebene Befragung der verantwortlichen Obermedizinalräte in den Bezirken zur Versorgungslage von 1987 verdeutlichte, entfaltete sich das sozialpsychiatrische Reformprogramm regional sehr unterschiedlich. So hielt der Bericht für Dresden fest, dass die Dispensairebetreuung überdurchschnittlich gut ausgebaut sei.Footnote 54 Wesentlich schwieriger war die Situation in Halle. Der zuständige Medizinalrat klagte, in einigen bevölkerungsreichen Industriekreisen sei es kaum möglich, überhaupt Fachärzte anzusiedeln. Von einer differenzierten prophylaktischen Betreuung oder gar einer systematischen Nachbetreuung könne keine Rede sein. Auch die Zahl psychiatrischer Betten in Fachkrankenhäusern sei so begrenzt, „dass jährlich über 1000 Patienten […] vor allem in internistischen Abteilungen der Bezirks- und Kreiskrankenhäuser behandelt werden müssen“.Footnote 55

Kurz vor dem Mauerfall offenbarte sich der mangelhafte Ausbau einer sozialpsychiatrischen Versorgung insbesondere in den Feierabend- und Pflegeheimen. Das Ministerium für Gesundheitswesen veranlasste eine Untersuchung dieser Heime, die im Juli 1987 vorlag. Darin wurde insbesondere die Situation in Altenheimen in den Blick genommen. Das Ergebnis war, dass 40 % der Plätze in diesen Einrichtungen von psychisch Kranken genutzt wurden, von denen sich 20 % nicht im Rentenalter befanden. Die Altenheime seien aber dafür nicht ausgelegt. Zwar hatte eine Verordnung vom 1. März 1978 eine entsprechende Profilierung für Feierabendheime gefordert, doch sei diese Verordnung nicht umgesetzt worden. Nur dort, wo psychisch Kranke und Alte separat betreut wurden, so der Bericht, sei zumindest für letztere eine deutliche Entlastung eingetretenFootnote 56. Durch das fehlende Angebot an Arbeits- und Beschäftigungstherapie in solchen Einrichtungen könnten bestehende Behandlungserfolge nicht weitergeführt werden. Mangelnde Fördermöglichkeiten hätten dazu geführt, dass wieder auf überwunden geglaubte Zwangsmittel wie vergitterte Fenster und geschlossene Stationen zurückgegriffen wurde. Diese Maßnahmen anzuwenden, erscheine unumgänglich, da sich die zuständigen Fachkrankenhäuser zunehmend weigerten, Patienten aus Pflegeheimen in akuten Krisensituationen aufzunehmen:

Häufig werden psychisch geschädigte Heimbewohner, bei denen es zu akuten Reaktivierungen bzw. dramatischen und von den Mitarbeitern der Einrichtungen nicht beherrschbaren Verhaltensweisen kommt, nicht oder nur im Austausch gegen 1 bis 3 ‚ruhige‘ pflegebedürftige Patienten in Fachkrankenhäuser für Psychiatrie/Neurologie aufgenommen.Footnote 57

Der Umgang mit psychischen Krisen und Verhaltensauffälligkeiten werde durch die Tatsache erschwert, dass nur in einem Viertel der Heime überhaupt Fachärzte für Psychiatrie arbeiteten. Diese Situation habe schließlich, so heißt es zusammenfassend, zu einer breiten und undifferenzierten Anwendung von Psychopharmaka geführt, die hauptsächlich vom Allgemeinarzt verabreicht würden.Footnote 58

Zwischen Reformanspruch und Mängelverwaltung

Was lässt sich aus den geschilderten Entwicklungen über eine Psychiatriereform in der DDR folgern? Festzustellen ist, dass die Sozialpsychiatrie in der DDR bis Ende der 1980er Jahre nur wenige Fortschritte verzeichnen konnte. Aus den untersuchten Quellen ergibt sich dabei ein differenziertes und zugleich widersprüchliches Bild: Während Wissenschaftler vermehrt sozialpsychiatrische Reformen forderten, drückten die im gleichen Zeitraum erstellten Gutachten und Expertisen des Ministeriums für Gesundheitswesen auf die Bremse, sodass die Reformbemühungen zum Erliegen kamen. Gründe dafür waren der Mangel an Ressourcen und Fachpersonal, aber auch – da die Zuweisung und Verteilung von Ressourcen der staatlichen Planung unterstand – die Entwicklung der SED-Gesundheitspolitik, die im Verlauf der 1960er Jahre andere Prioritäten setzte. Letzteres lässt sich an mehreren Punkten festmachen: Erstens versprach eine Schwerpunktverschiebung hin zur biologischen Grundlagenforschung international mehr Prestige als die Beschäftigung mit Problemen der (sozial-)psychiatrischen Versorgung. Zweitens setzte die Gesundheitspolitik der SED auf die „Prophylaxe“ psychischer Störungen, was vor allem auf eine risiko-individualisierende „Gesundheitserziehung“ hinauslief. Drittens wurden durch das Bestreben der Parteiführung, wichtige Posten im Gesundheitswesen mit SED-Kadern zu besetzen, nach und nach die einstigen Psychiatriereformer verdrängt.

Die mangelnde Umsetzung der Reformbemühungen verdeutlicht somit einen politischen Konflikt, der sich im Laufe des Untersuchungszeitraums zuspitzte. Mit den Rodewischer Thesen formulierten die Reformpsychiater in den 1960er Jahren eine offene und öffentliche Kritik an der psychiatrischen Versorgung. Mit der Ideologisierung der Psychiatrie in den 1970er Jahren setzte die Abteilung Gesundheitspolitik des Zentralkomitees der SED, dem die Psychiatrieplanung unterstand, auf eine verstärkte Abgrenzung gegen Einflüsse aus dem kapitalistischen Ausland. Statt sich international zu orientieren, entwickelten die Gesundheitspolitiker eine eigene sozialistische Perspektive, wie sie beispielsweise in den Diskussionen um die Brandenburger Thesen zum Ausdruck kam. Als die politische Führung die Zügel wieder straffer in die Hand nahm, entfernten sich die Reformbemühungen nach und nach von dem Ziel, eine ambulante Versorgung aufzubauen. Flankiert wurde diese Entwicklung durch individualisierende Strategien, die im psychiatrischen Diskurs ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre immer deutlicher hervortraten. So lässt sich bezüglich der psychiatrischen Forschung eine Verlagerung hin zu einer statistischen Erfassung früher Formen psychischer Krankheiten konstatieren, die sich verstärkt auf die Prävention richtete. Nicht nur in westlichen Ländern, auch im Sozialismus sollte das Selbstführungspotenzial der Patienten durch Gesundheitserziehung aktiviert werden: Die Proklamation des „sozialistischen Patienten“ band die Erhaltung seiner Gesundheit eng an seinen Lebensstil zurück – und schrieb ihm selbst die Verantwortung für die Minimierung der Gesundheitsrisiken zu. So lässt sich resümieren, dass diese Entwicklungen die unzureichende Umsetzung der geforderten Psychiatriereformen kompensieren sollten.

Ein sicherlich besonders radikales Scheitern dieser Reformpläne stellen solche Zustände dar, wie Ernst Klee sie in Ueckermünde filmisch dargestellt hat. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass diese Bilder die Psychiatrie in der DDR repräsentieren. Vielmehr bilden sie eine Wirklichkeit am Ende langjähriger Reformbemühungen ab, die am Ende der DDR an fehlendem politischen Willen und den mangelnden finanziellen Ressourcen eines zusammenbrechenden Staates scheiterten.