Zusammenfassung
Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen viele Hersteller und Traditionshändler vor der Frage, was digital zu tun ist. Nach dem Prinzip Hoffnung werden dabei Online Pure Plays (reine Internethändler) nicht selten für tot erklärt oder als Non-Profit-Veranstaltung abgetan. Es fehlt zuweilen am Bewusstsein für die Notwendigkeit der digitalen Transformation, vor allem aber fehlt es an Risikobereitschaft. Der Grund liegt auf der Hand: Ein Handelskonzern hat viel Geld in die Hand zu nehmen, wenn das Management beschließt, die Digitalisierung mit Vollgas voranzutreiben. Auch müssen Komfortzonen abgebaut werden, sowohl bei den Führungskräften selbst als auch bei den Mitarbeitern. Die schnellen Online Pure Plays machen vor, dass ausgeprägte Statussymbole und Hierarchien eher hinderlich sind bei der Digitalisierung. Zwar werden häufig schon die Investitionen in das Ladennetz reduziert, Filialen geschlossen bzw. umgelagert sowie Mittel in Richtung Digitalisierung und Online-Shop reallokiert. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Insight-out Perspektive des stationären Handels, verfolgen Online-Anbieter mit Ihrem Ansatz der Kundenzentralität eher eine Outside-in Perspektive. Spätestens seit Eröffnung des neuen Amazon Buchladens im November 2015 in Seattle wird klar, dass sich wesentliche Prinzipien des Online-Einkaufs und dabei vor allem die Outside-in Perspektive auch auf das stationäre Geschäft übertragen lassen. Amazon hat es als erster Online-Händler unter dem Stichwort Kundenzentralität geschafft, den Einkauf „einfach zu machen“ und den Begriff der Usability – das heißt den schnellen und bequemen Einkauf – zu positionieren. Diese Usability wendet Amazon nun auch auf der stationären Fläche an und erfindet damit den stationären Handel aus einer Outside-in-Perspektive, also mit konsequenter Kundenzentralität, neu. Es handelt sich um eine Art „Ultimative Usability im Store“, mit der ein Kunde entsprechend seiner individuellen Suchstrategie, sei es nach Bewertung, Bestseller und Themen, sein Produkt finden kann. Genau das wäre der Ansatz für eine disruptive statt „bloß“ digitale Transformation, mit der stationäre Handel gegen die digitalen Disrupteure punkten könnte.
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Heinemann, G. (2018). Disruptive Transformation – eine Lösung für das Dilemma „digitale Disruption oder Transformation“ im Handel. In: Keuper, F., Schomann, M., Sikora, L., Wassef, R. (eds) Disruption und Transformation Management. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19131-3_13
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