Zusammenfassung
Politische Talkshows fungieren als Gradmesser des öffentlich-medialen Diskurses. Sie greifen jene Themen auf, die tagesaktuell eine hohe mediale Resonanz erfahren und inszenieren sie mit Mitteln unterhaltender Fernsehästhetik. Besonders häufig wurde in den letzten Jahren das Thema Flucht aufgegriffen. Mitentscheidend für die Frage, welche Vorstellungen und Narrative in den Sendungen dominieren, ist die Auswahl der Gäste durch die Polittalk-Redaktionen. Die Gäste weisen häufig einen bemerkenswerten Mangel an Expertise zum diskutierten Thema auf. Insofern fragt der Beitrag mit Blick auf Polittalks, in denen Flucht thematisiert wird, inwiefern Wissenschaftler_innen als Akteure in Polittalk-Sendungen diesem Mangel begegnen oder begegnen könnten. Die Analyse einschlägiger Sendungen sowie zweier Experteninterviews verweist auf ein Dilemma, wonach die fernsehmedialen Rahmenbedingungen einer wissenschaftlich fundierten Argumentationsweise hinderlich sind, gleichzeitig aber der wissenschaftliche Anspruch besteht, Expertise in den öffentlichen Raum zu tragen.
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Notes
- 1.
Als Wissenschaftler_in werden hier jene Personen verstanden, die das formale Kriterium, mindestens promoviert zu sein, erfüllen, und zudem wissenschaftlich tätig sind. Da manche Personen mehr als einmal eingeladen wurden, entsprechen die 32 Einladungen von Wissenschaftler_innen 25 unterschiedlichen Personen.
- 2.
2013 zeigte sich der UNHCR besorgt über die polnische Asylpolitik, da beispielsweise Obdachlosigkeit aufgrund fehlender Integrations- und Unterstützungsmaßnahmen viele Geflüchtete trifft (Wysieńska 2013).
- 3.
Z. B. Art. 14 Abs. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“
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Interview mit Claus Leggewie am 23.11.2016 in Gießen, 58 min.
Interview mit Ruud Koopmans am 06.12.2016 in Berlin, 60 min.
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Goebel, S. (2018). Dozieren, intervenieren, kapitulieren? Wissenschaftler_innen in politischen Talkshows über Flucht. In: Goebel, S., Fischer, T., Kießling, F., Treiber, A. (eds) FluchtMigration und gesellschaftliche Transformationsprozesse. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19036-1_9
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