Zusammenfassung
Der Artikel beschäftigt sich auf der Grundlage eines autobiografisch-narrativen Interviews mit der Lebensgeschichte einer ehemaligen DDR-Bürgerin, die am Ende der 1970er Jahre nach einem gescheiterten Fluchtversuch und ihrer Inhaftierung von der Bundesregierung „freigekauft“ worden war und seitdem in Westdeutschland lebt. In der strukturellen Beschreibung bestimmter Interviewsequenzen, in denen zentrale biografische Entwicklungen und auch Evaluationen und Bilanzierungstheorien der Informantin zur Sprache kommen, wird zugleich Licht auf das Fehlen öffentlicher Diskurse in der DDR geworfen – und das Leiden unter der damit verbundenen Kommunikationsdeprivation. Deutlich wird die biografische Bedeutung informeller, riskanter und subversiver Gegendiskurse, die einen besonderen Vertrauensvorschuss erforderlich machten. Das Thema des „Flüchtlingsfreikaufs“ wird im Artikel auch aus einer ganz anderen Perspektive beleuchtet – nämlich in Form der Analyse von einschlägigen westdeutschen Presseartikeln (vor und nach der „Wende“). Aus der Triangulation der in den unterschiedlichen Datenmaterialien enthaltenen Perspektiven entstehen weiterführende (Forschungs-)Fragen.
Neben den Autor/innen dieses Artikels war auch Fritz Schütze an dem intensiven Interpretationsprozess der verschiedenen Daten beteiligt, dem wir an dieser Stelle für seine inspirierenden Einsichten in das Material herzlich danken. Außerdem bedanken wir uns bei Ina Alber und Birgit Griese für ihre wertvollen Hinweise zu diesem Artikel.
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Literatur
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Detka, C., Riemann, G., Schiebel, M., Treichel, B., Wildhagen, A. (2018). Leben, Flucht und Widerstand. In: Alber, I., Griese, B., Schiebel, M. (eds) Biografieforschung als Praxis der Triangulation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18861-0_6
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