Zusammenfassung
Kunst als ästhetische Praxis ist die Basis moderner Vergesellschaftung seit deren Beginn, die kapitalistische Ökonomie ihr Überbau. Eine recht verstandene Kunstsoziologie, eine Ästhetiksoziologie, ist folgerichtig die Schlüsseldisziplin der Gegenwartsgesellschaft – nicht die Wirtschaftssoziologie oder Rechtssoziologie oder Politische Soziologie.
Das Phänomen der Ästhetisierung der Gesellschaft einmal wirklich ernst nehmen heißt, zu erkennen, dass die Kunst der Erscheinung – wider alle soziologische Erwartung – als eigentliches Kraftzentrum der Gegenwartsgesellschaft fungiert. Die Frage der Gestaltung der sinnlichen Erscheinung des Lebens vor- und füreinander – der Interphänomenalität (statt Intersubjektivität) – ist den gegenwärtigen Gesellschaften offensichtlich so lebenswichtig, dass die „ästhetische Frage“ der sozialen Frage vorgeordnet wird. Interphänomenalität als Kern moderner Vergesellschaftung – das omnipräsente ästhetische Erscheinen der Subjekte vor und füreinander, der stilisierten Dinge vor ihnen, der Dinge voreinander (in der ästhetischen Ordnung der Bauten, der Interieurs oder der Gärten) – wäre dann der strukturierende Kern der gegenwärtigen Gesellschaft. Selbst die Sphäre der Ökonomie ließe sich so als eine abhängige Variable der ästhetischen Praktiken der Gesellschaft auffassen, da die letzteren mit ihren unvorhersehbaren Art Worlds entwerfen, worin ökonomisch investiert werden soll.
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Fischer, J. (2018). Ästhetisierung der Gesellschaft oder Ästhetiksoziologie. In: Bosch, A., Pfütze, H. (eds) Ästhetischer Widerstand gegen Zerstörung und Selbstzerstörung. Kunst und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18767-5_31
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