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Die Gruppe als Untersuchungseinheit. Anforderungen an die Auswertung von Gruppendiskussionen als Methode zur Erfassung von Medienrezeption in Realgruppen

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Auswertung qualitativer Daten

Zusammenfassung

Die Gruppendiskussion ist eine der wenigen Methoden (neben Beobachtung, Netzwerkanalyse), die es erlaubt, soziale Prozesse in ihrem Ablauf zu dokumentieren. Soziale Prozesse sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Rezeptionssituationen und daher ein grundlegender Faktor von individuellen und kollektiven Rezeptionseffekten. Um zu rekonstruieren, wie soziale Interaktionsprozesse diese Effekte teils hervorbringen, teils prägen, müssen sie in der Auswertung von Gruppendiskussionen erhalten bleiben. Eine Analyse, die sich allein an Inhalten oder individuellen Aussagen orientiert, verliert die besondere Leistungsfähigkeit und die spezifische Datenstruktur aus den Augen, die die Gruppendiskussion kennzeichnen. Im Beitrag wird zunächst der Begriff der Gruppe definiert und die Bedeutung von Gruppen für die alltägliche Mediennutzung beschrieben. Im nächsten Schritt wird das Potenzial des Gruppendiskussionsverfahrens zur Erfassung von Gruppenprozessen dargelegt, die daraus resultierenden Anforderungen an die Auswertung expliziert und anhand von praktischen Beispielen demonstriert.

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Notes

  1. 1.

    Als „Thema“ bezeichnen Neumann und Charlton (1990, S. 32 f.) „die vom Subjekt, aber auch von der Gesellschaft konstruierten, übergeordneten Sinnperspektiven, unter denen Welt betrachtet wird“. Handlungsleitend sind sie insofern sie „zu einer theoretischen Voreingenommenheit“ führen. „Subjekte fassen die Umwelt parteilich auf, sie sehen sich die Welt durch die Brille desjenigen Themas zurecht, das sie in ihrer Aufmerksamkeit und Bedürfnislage in Anspruch nimmt.“

  2. 2.

    Nach Esser (1979, S. 22) besteht der Anspruch des methodologischen Individualismus darin, „gesamtgesellschaftliche Explananda […] prinzipiell über Gesetzmäßigkeiten über individuelles Verhalten zu erklären“. Ungelöst bleibe dabei das Hauptproblem der Transformation, wie nämlich „systembezogene Zustände […] aus auf Individuen bezogenen Theorien“ abgeleitet werden können (ebd.).

  3. 3.

    Natürlich kann die Gruppe selbst, ihre Kommunikation und Kultur zum Diskussionsthema gemacht werden, aber zur Selbstreflexion angehaltene Kollektive täuschen sich über sich selbst oft nicht weniger als Individuen.

  4. 4.

    Ganz abgesehen davon, dass sein sehr grobes Raster von zwölf Kategorien den Anforderungen an sinnverstehende Auswertung nicht gerecht werden kann und dafür auch gar nicht konzipiert wurde.

  5. 5.

    Die Zahlen in Klammern verweisen auf die Zeilen im Transkript. Nichtsprachliches wurde folgendermaßen transkribiert:

    (LACHEN):

    : nonverbale Äußerungen

    (LAUT):

    : Modulation des Sprechens

    (GETRÄNK WIRD EINGESCHENKT):

    : Hörbare Handlungen

    (UNV.):

    : Äußerung nicht verständlich

    *:

    : kurze Pause, eher ein Absetzen als echte Redeunterbrechung

    **:

    : längere Pause, aber kürzer als 1 s

    *2*:

    : längere Pause, Dauer wird in gerundeten Sekunden zwischen den Sternen angegeben

    [:

    : Überlappung, die Äußerung des überlappenden Sprechers wird eingerückt.

  6. 6.

    Die Tragfähigkeit dieser Rollenzuschreibung für die hier vorgenommene Analyse gruppendynamischer und -soziologischer Aspekte wird in den nachfolgenden Beispielen deutlich.

  7. 7.

    Später übernimmt A die Abstimmung selbst, allerdings nicht per demokratischer Stimmabgabe, sondern indem er die persönliche Präferenz jedes Einzelnen abfragt.

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Mehling, G. (2018). Die Gruppe als Untersuchungseinheit. Anforderungen an die Auswertung von Gruppendiskussionen als Methode zur Erfassung von Medienrezeption in Realgruppen. In: Scheu, A. (eds) Auswertung qualitativer Daten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18405-6_8

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