Zusammenfassung
Erinnern und Vergessen sind wenig beachtete, aber wichtige Kategorien der Kommunikation – nicht nur im Internet. Doch gerade im Digitalen gewinnen Vergessen und Erinnern neue Brisanz. Obwohl der Satz „Das Internet vergisst nichts“ inzwischen zum folkloristischen Allgemeinplatz geworden ist, können einzelne Angebote wie Snapchat nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sehnsucht nach und der Bedarf für das Vergessen weitere Kreise ziehen. Der Beitrag lotet die Doppeldeutigkeit des Begriffs des Vergessens aus und skizziert erste Dimensionen einer Theorie des Vergessens für den digitalen Journalismus. Ausgehend von ganz praktischen Problemen im Umgang mit Löschbegehren der Nutzer und neuen juristischen Prägungen zum Vergessen im Digitalen, fügt der Beitrag anschließend kommunikationstheoretische (Luhmann), medienwissenschaftliche (Kittler) und kulturwissenschaftliche (Kracauer, Assmann) Theoriebausteine zusammen. Dabei liefern Überlegungen zur Aufklärung und Moderne wichtige Impulse für das Verstehen von Vergessens-Prozessen auch im digitalen Zeitalter. Am Ende wird eine redaktionelle Heuristik für den digitalen Journalismus im Umgang mit dem Vergessen angeboten.
Vgl. Assmann 2016.
Ich danke Johanna Wergen, wissenschaftliche Mitarbeiterin der HMKW, für die Mitarbeit an diesem Aufsatz, insbesondere für die Befragung großer deutscher Verlage zum aktuellen Umgang mit Löschwünschen (siehe unten). Meinem Kollegen Hektor Haarkötter danke ich für wertvolle inhaltliche Hinweise zur Verfeinerung und Vertiefung des Textes.
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Welker, M. (2018). Verehren, Sammeln, Zerstreuen, Zerstören. In: Haarkötter, H., Nieland, JU. (eds) Nachrichten und Aufklärung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18099-7_5
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