Zusammenfassung
Die Telemedizin weckt große Erwartungen und Hoffnungen für die medizinische Versorgung in Deutschland. Nicht nur „bevölkerungsschwache“ Regionen können jetzt darauf bauen, einen Weg aus Unterversorgung, die häufig ihren Ursprung in einem zu konstatierenden Ärztemangel oder Schwächen in der Infrastruktur des Planungsbezirkes für die vertragsärztliche Versorgung in diesen Regionen hat, zu finden. Auch Menschen mit chronischen und schwerwiegenden Erkrankungen haben auf Basis dieser Versorgungsansätze die Möglichkeit, ein Stück Lebensqualität zurückzugewinnen und ihren Alltag positiver und selbstbestimmter zu verbringen. Zur Überwindung bestehender Versorgungslücken und unter Nutzung innovativer Medizintechnik entwickelten das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das Universitäre Herzzentrum Hamburg (UHZ) gemeinsam mit einer Krankenkasse, einem Medizintechnikhersteller und ambulant-niedergelassenen Kardiologen (Die weibliche Form ist der männlichen Form in diesem Buchbeitrag gleichgestellt; lediglich aus Gründen der Vereinfachung wurde die männliche Form gewählt.) ein integriertes telemedizinisches Versorgungsmodell mit außerbudgetärer Vergütung . Herzinsuffizienz ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und eine Erkrankung, die für die Betroffenen und das Gesundheitssystem schwerwiegende Folgen hat. Eine Dekompensation ist die akute Verschlechterung einer Herzinsuffizienz, welche mit Luftnot, Wasseransammlungen im Brustkorb und in den Beinen einhergeht. Sie verursacht meist lange und sich wiederholende stationäre Aufenthalte, hohe Behandlungskosten und eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität bei den betroffenen Patienten. Für einen Teil der Herzinsuffizienz-Patienten besteht die Möglichkeit einer sogenannten kardialen Resynchronisationstherapie. Hierbei unterstützt ein Implantat die Pumpleistung des Herzmuskels durch eine elektrische Stimulation/Synchronisation der Herztätigkeit. Das UKE, das UHZ und die Vertragspartner haben einen gemeinsamen Ansatz entwickelt, durch die Nutzung eines Implantats mit telemedizinischer Zusatzfunktion die Versorgung der Patienten weiter zu verbessern. Das telemedizinische Produkt ist ein „normaler“ Herzschrittmacher /Defibrillator , der als zusätzliche Überwachungsfunktion über den elektrischen Widerstand (Impedanz) den Flüssigkeitsgehalt im Brustkorb misst und eine drohende Dekompensation vor Auftreten von Symptomen frühzeitig detektiert. Dieses von der Industrie entwickelte System verursacht Mehrkosten, die in der Vergütung gemäß DRG-Klassifikationssystem nicht gesondert berücksichtigt werden. Im Rahmen dieses Versorgungsmodells wurde ein Risk-Sharing-Modell entwickelt, welches die Finanzierung des telemedizinischen Systems sichert. Für die Krankenkasse entstanden höhere Kosten der Implantation demnach erst dann, wenn die Vermeidung stationärer Aufenthalte nachgewiesen wurde und dadurch eine entsprechende Einsparung erzielt werden konnte. Darüber, ob ein stationärer Aufenthalt vermieden worden war, befand das Gremium „Telemedizin“ besetzt aus Kassenvertretern sowie Mitarbeitern des UKE und UHZ. Das Projekt wurde auf die wirtschaftliche Zielerreichung, die Verbesserung der Versorgungsqualität und unter dem Gesichtspunkt der Auswirkung auf die Lebensqualität evaluiert. Ergebnisse der Evaluation bestätigen den medizinischen Nutzen der Telemedizin. Zudem lassen sich tendenziell Wirtschaftlichkeitsreserven (bspw. in Form der Hospitalisierungsreduktionen) nachweisen. Die Auswertung der psychosozialen Aspekte der Patienten zeigt eine hohe Akzeptanz gegenüber der telemedizinischen Anbindung sowie zurückgewonnene Lebensqualität.
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Notes
- 1.
Insgesamt wurden 35 Patienten eingeschlossen, wobei allerdings drei Patienten nicht in die Auswertung aufgenommen werden konnten.
- 2.
Hier wurden insgesamt 31 Patienten bewertet. Eine Patientin ist nicht beurteilbar, da keine Übertragungen erfolgten aufgrund fehlender Verbindung zum Server.
- 3.
Zusätzlich zu den drei vorgestellten Fragebögen wurden soziodemografische Daten sowie die Beteiligung an medizinischen Entscheidungen und Entscheidungskonflikte (PEF-FB-9) und die Selbsteinschätzung der medizinischen Behandlungsmaßnahmen (K-Med) zu verschiedenen Messzeitpunkten abgefragt. Auf die Darstellung dieser Fragebögen wurde hier allerdings verzichtet, da der Fokus zunächst auf das subjektive Empfinden der Teilnehmer im Hinblick auf die Telemedizin gelegt wurde.
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Danksagung
Die Autorinnen danken PD Dr. Ali Aydin, Dr. Karin Overlack, Susanne Quante, PD Dr. Monica Patten-Hamel, Egbert Schuhr, Cornelia Krüger, Michael Abelbeck, Rainer Voss, Lisa Rauer und Ramona Meister für ihre maßgebliche Rolle bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation dieses Versorgungsmodells sowie dem UKE für die Unterstützung.
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Bargel, S., Ohm, G. (2018). Mit einem Risk Sharing-Modell zu Mehrerlösen – „Integrierte Versorgung Telekardiologie“. In: Hartweg, HR., Proff, M., Elsner, C., Kaestner, R., Agor, K., Beivers, A. (eds) Aktuelle Managementstrategien zur Erweiterung der Erlösbasis von Krankenhäusern. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17350-0_10
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