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6. Husserls Analyse der Erfahrung

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Book cover Lernen und Erfahrung. Epagogik

Part of the book series: Phänomenologische Erziehungswissenschaft ((PHE,volume 5))

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Zusammenfassung

Hier ist an Husserl zu erinnern und an seine wiederholten Versuche, die in der neuzeitlichen Wissenschaft und ihrer Selbstauslegung vorliegende Idealisierung der Erfahrung im Rückgang auf die Geschichtlichkeit der lebensweltlichen Erfahrung abzubauen. Husserls genetische Analyse der Erfahrung hat die entscheidende Rolle der Antizipation in ganz neuer Weise, im Lichte des phänomenologischen Grundbegriffs der Intentionalität, sichtbar gemacht. Wir müssen dieser Analyse umso mehr unsere Aufmerksamkeit widmen, als Husserls Erörterung des zur Erfahrung und ihrer Gangstruktur gehörenden Vorverständnisses die Antizipation im Zusammenhang mit einer neuen Deutung des Apriori behandelt.

Der Autor Herr Günther Buck ist verstorben. Dieses Werk wird von Herrn Malte Brinkmann herausgegeben.

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Notes

  1. 1.

    Es bedarf kaum des Hinweises, dass die inhaltliche Spezifizierung des Erfahrungshorizontes dessen Horizontcharakter, d. h. den Charakter des Vorverständnisses als eines Verständnisses bloßer „Möglichkeiten“ (Husserl 1948, S. 32), die prinzipiell für die Näherbestimmung durch Kenntnisnahmen offen sind, nicht aufhebt. Der Erfahrungshorizont hat immer den Charakter der „Dynamis“ (Husserl 1948, S. 24).

  2. 2.

    Bekanntheit und Unbekanntheit sind als Momente der „Fundamentalstruktur des Weltbewußtseins“ phänomenologisch nur adäquat erfasst „mit der (…) zugehörigen durchgehenden Relativität und der ebenso durchgängigen relativen Unterscheidung von unbestimmter Allgemeinheit und bestimmter Besonderheit“ (Husserl 1948, S. 33).

  3. 3.

    Vgl. dazu Husserl 1954, VI S. 51, wo die methodische Induktion der exakten Wissenschaft mit ihrer „ins Unendliche erweiterten Voraussicht“ als auf das ursprüngliche „Vor-haben“ und „Vor-meinen“ der Lebenspraxis begründet aufgewiesen wird. Auf der Induktion als solchem Vor-haben „beruht alles Leben“.

  4. 4.

    Vgl. Krisis (Husserl 1954, VI S. 240): „(…) daß in der Horizontintentionalität sehr verschiedene Modi einer im gewöhnlichen engeren Wortsinn ‚unbewußten‘ und doch aufweisbar mitlebendigen und sogar in verschiedenen Weisen mitfungierenden Intentionalität beschlossen sind (…)“.

  5. 5.

    Insofern handelt es sich allerdings bei der Anschauung bzw. Mitanschauung des Kategorialen gar nicht um eine Antizipation in demselben präzisen Sinn wie bei dem auf künftige Bestätigung angewiesenen Vorgriff auf die empirische Typik von etwas. In ‚Erfahrung und Urteil‘ wird der Ausdruck „Antizipation“ sowohl in diesem Sinn als auch im Sinne des die einzelnen momentanen Erfahrungen übergreifenden und insofern vorgängigen kategorialen Verständnisses gebraucht.

  6. 6.

    Vgl. Husserl 1929, S. 221. – Husserl orientiert sich zwar, wie wir oben (S. 61) bemerkt haben, auch in ‚Erfahrung und Urteil‘ einmal am „entwickelten Bewußtsein“, um die Horizontalität des Bewusstseins zu zeigen. Diese Ausdrucksweise muss hier aber von der genetischen Absicht her verstanden werden. Sie besagt lediglich, dass wir immer nur von einem irgendwie entwickelten Bewusstsein ausgehen können. Wir finden nirgends ein absolut unentwickeltes Bewusstsein. Das wäre ein Widerspruch in sich. Bewusstsein heißt immer: Intentionalität, Horizontbewusstsein. Entwickeltheit ist in diesem Sinn Voraussetzung möglicher Entwicklung und gleichbedeutend mit Belehrbarkeit.

  7. 7.

    In diesem Vermögen gründet zwar die Möglichkeit eines reflexiven Wissens des Apriori; aber es ist weder identisch mit diesem Wissen, noch garantiert es die Angemessenheit irgendwelcher auf seinem Boden erwachsener philosophischer Auslegungen der Erfahrung (vgl. dazu Scheler 1957, S. 222).

  8. 8.

    Dabei ist zu beachten, dass Erfüllung als „Sich-selbst-zeigen dessen was schon leer vorgezeichnet, vorgemeint war, (…) niemals pure und bloße Selbstgebung (ist), als ob die Vorzeichnung je so weit ginge, dass der vorgezeichnete Sinn in absoluter Bestimmtheit schon vorgemeint wäre und nur in die anschauliche Klarheit des ‚es selbst‘ überginge“ (Husserl 1948, S. 141).

  9. 9.

    „Ohne Zweifel spielt hier die aristotelische Seinsunterscheidung von dynamis und energeia eine Rolle“ (Szilasi 1959, S. 47). Husserl selbst spricht in ‚Erfahrung und Urteil‘ von der „Dynamis, die zur Entelechie werden soll“ (Husserl 1948, S. 24). Die Erfüllungen als Entelechie bzw. Energeia klären ihrerseits wieder die Dynamis (=Horizont) des Gegenstandes.

  10. 10.

    Die These von der Bildung der Horizontanschauung als der Bedingung der Möglichkeit der phänomenologischen Erfahrung ist nur die Präzisierung der Feststellung, „daß die Bedingung der Möglichkeit der Transzendental-Philosophie die Intentionalität ist (…)“ (Szilasi 1959, S. 25). Insofern ist die transzendentale Erfahrung, indem sie das in der „Induktion“ der natürlichen Erfahrung eigentlich Induzierende (das Apriori) durch einen Richtungswechsel der Erfahrung (durch phänomenologische Reflexion bzw. Reduktion) eigens erfasst, die Vollendung des in der natürlichen Erfahrung begonnenen Ganges der Epagoge.

  11. 11.

    Vgl. dazu Max Schelers Ausführungen über Ent-täuschung und ihre Bedingung (in Scheler 1957, S. 217 ff., besonders S. 221 f.) sowie ‚Die Idole der Selbsterkenntnis‘ (in Scheler 1955, S. 213 ff.).

  12. 12.

    Das gilt natürlich nur für die Funktion der negativen Instanz innerhalb der methodisierten Erfahrung. Gegenüber der vorwissenschaftlichen Erfahrung und ihren Antizipationen besitzt die wissenschaftliche Erfahrung dagegen sehr wohl eine i. e. S. enttäuschende, Vorurteile entlarvende Funktion, und sofern sich die Wissenschaft als die permanente Enttäuschung des vorwissenschaftlichen Erfahrungslebens versteht, gehört dasjenige, wovon sie sich distanziert, in eins mit dem Geschehen der distanzierenden Enttäuschung zur Genealogie des wissenschaftlichen Bewusstseins selbst. Was sich von der wissenschaftlich veranstalteten Erfahrung her als nichtige Antizipation enthüllt, die die Wissenschaft hinter sich gebracht hat, besitzt eine positive Funktion beim Lernen der wissenschaftlichen Erfahrungsweise. In sie bringt man jemanden am besten dadurch hinein, dass man ihm zeigt, wie unsere natürlichen Erwartungen durch sie enttäuscht werden. Es ist aber klar, dass die Rolle der negativen Erfahrung innerhalb dieser didaktischen Induktion nicht identisch ist mit der Rolle der negativen Erfahrung innerhalb der wissenschaftlichen Induktion. Sie gehört zur Vorgeschichte, die in der wissenschaftlichen Erfahrung aufgehoben oder besser gesagt: untergegangen ist.

  13. 13.

    Schon in den ‚Logischen Untersuchungen‘ ist die Rede von der Priorität der „Erfüllungssynthesis“ (Husserl 1921, S. 42).

  14. 14.

    Die Stelle ist nicht nur ein erstaunliches Beispiel für das hartnäckige Fortleben der Terminologie von Herbarts Metaphysik und Psychologie, sondern entspricht auch, wie sich nachweisen ließe, inhaltlich dem Grundgedanken von Herbarts monadologischer Konzeption, die eine Metaphysik (und eine darin implizierte Theorie der Erfahrung) vertritt, deren Charakteristikum die Behauptung des Vorrangs der Positivität und der verschwindenden Rolle der Negativität darstellt.

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Buck, G., Brinkmann, M. (2019). 6. Husserls Analyse der Erfahrung. In: Brinkmann, M. (eds) Lernen und Erfahrung. Epagogik. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, vol 5. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17098-1_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-17098-1_6

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-17097-4

  • Online ISBN: 978-3-658-17098-1

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