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Losing the Reality-Test: Fiktionalität und narrative Erklärungsstrategien für school shootings in Matt Johnsons The Dirties

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Vermittlungskulturen des Amoklaufs
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Zusammenfassung

Geschichten, wie die der Protagonisten in Johnsons pseudodokumentarischem Spielfilm The Dirties, sind inzwischen allzu bekannt: Außenseiter, die sich auf grausame Weise an ihren Mitschülern rächen. Dass der Weg zu diesen Taten nach einem scheinbar klaren Ablauf verläuft und dass sich das Ende einer solchen (Leidens-)Geschichte vermeintlich schon erahnen lässt, ist jedoch weniger die Folge dessen, dass school shootings ein tatsächlich häufig vorkommendes Ende einer vermeintlichen Gewaltkarriere darstellen. Vielmehr – und darum wird es auch in diesem Beitrag gehen – ist diese Wahrnehmung der Kausalität als ein Ergebnis der immer wiederholten und remediatisierten Erzählung von school shootern zu begreifen, wie dieser Beitrag zeigen wird.

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Notes

  1. 1.

    Dies soll keinesfalls implizieren, dass das Ereignis des school shootings in aller Grausamkeit keine Auswirkung auf Leben und Unversehrtheit realer Opfer hat und Individuen, Familien und Gemeinschaften nicht langfristig schadet. Jedoch sollte in der Diskussion der Taten ihre mediale Konstruiertheit – ihre diskursgenerierte und zugleich -generierende Natur deutlich bleiben.

  2. 2.

    Eine umfassende Auseinandersetzung damit würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen und so sei hier auf eine Studie von Andreas Hepp (2013) verwiesen.

  3. 3.

    Das bekannteste Beispiel des Films als Schreckgespenst im school shooting-Diskurs ist sicherlich Oliver Stones Natural Born Killers (USA 1994), auf welchen sich Eric Harris und Dylan Klebold in ihren Tagebüchern und Videoaufnahmen vor ihrem shooting an der Columbine High School mehrfach bezogen und der schnell als Inspiration oder gar Auslöser für die grausame Tat der Jugendlichen besprochen wurde.

  4. 4.

    Die Statisten sind zum Teil Laiendarsteller, doch ein großer Teil des Films wurde während des regulären Schulbetriebs an einer kanadischen Schule gedreht, sodass viele der gefilmten Jugendlichen sich nicht bewusst waren, dass sie gefilmt wurden oder für welchen Zweck sie gefilmt werden – eine Strategie, die an Sacha Baron Cohens Mockumentaries wie Borat (USA 2006) erinnert (vgl. MacLeod 2011).

  5. 5.

    Die begriffliche Abgrenzung ist jedoch sehr schwer und oftmals willkürlich. Ich bevorzuge hier die Wahl des Begriffes der Pseudo-Dokumentation, da mit Doku-Dramen häufig die Verwendung von Interviews mit realen Zeitzeugen, gemischt mit realen sowie nachgestellten Szenen historischer Ereignissen einhergeht (vgl. Paget 2012, S. 244).

  6. 6.

    Die Definition der Pseudo-Dokumentation, wie z. B. Elias und Weber sie formulieren, trifft auf die Darstellung in The Dirties besser zu und dient gleichzeitig der Abgrenzung von den im school shooting-Zusammenhang geläufigen doku-dramatischen Formaten wie Zero Hour: „Die Pseudo-Doku ist keine Dokumentation, sondern ein fiktionales Format, das den Anschein erweckt, es sei dokumentarisch. Der Zuschauer wird über den fiktiven Charakter der Handlung nicht aufgeklärt – im Gegenteil, durch verschiedene Authentifizierungssignale wird er im Glauben bestärkt, es handele sich um reale Ereignisse […]“ (Elias und Weber 2009, S. 182).

  7. 7.

    Mit den Literaturwissenschaftlern Wolfgang Iser und Dieter Henrich kann gesagt werden, dass Fiktion als solche keine Täuschung sein kann, denn: „[Fiktion] ist immer schon als solche verstanden, wenngleich dieses Verständnis nicht immer durch ein bestimmtes Repertoire von Funktionssignalen artikuliert sein muß“ (Henrich und Iser 1983, S. 10).

  8. 8.

    Wie z. B. die Verpackung der DVD oder Ankündigungstexte im Kino.

  9. 9.

    Zum Konzept der Mediatisierung siehe die Einleitung zum vorliegenden Band. Zu school shootings als mediatisierten Phänomen, siehe Muschert und Sumiala (2012).

  10. 10.

    Lediglich in einer frühen Szene des Films, die als Outtake mit Fehlaufnahmen aus dem fiktionalen Projekt ‚The Dirties‘ am Anfang des Filmes steht, wird er als „Jared“ angesprochen, was als Verweis auf den Mitproduzenten und Director of Photography Jared Raab gedeutet werden kann.

  11. 11.

    Dass diese Frage auch durch Matt selbst gestellt wird, der in diversen Situationen seine Tat offen ankündigt, unterstreicht diesen filmischen Effekt.

  12. 12.

    Bei dieser Beobachtung soll es keinesfalls darum gehen, eine einfache Kausalkette oder Erklärung für die Entstehung von school shootings zu präsentieren, sondern lediglich darum, eine Wechselwirkung der Taten und ihrer fiktionalen Darstellungen zu beschreiben.

  13. 13.

    Zur Verehrung der school shooter auf Basis ihrer Selbstdarstellungen siehe auch Böckler und Seeger (2010).

  14. 14.

    Auf welche Weise Webcams und die daraus generierten Livestreams – wie besonders eindrucksvoll von den Protesten in der Ukraine vor wenigen Jahren eingesetzt – gesellschaftliche Wahrnehmung und ihre mediale Bezüge prägen werden, bleibt dabei abzuwarten.

  15. 15.

    Dies wird durch die Symbolträchtigkeit des Ortes Schule, welche die sozialen Arrangements oftmals im Kleinen repräsentiert, nur weiter verstärkt (vgl. Muschert und Ragnedda 2011, S. 355).

  16. 16.

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  17. 17.

    „One Man Band: A Conversation with Matt Johnson about The Dirties“. Cinema-Scope, Issue 55. Online: http://cinema-scope.com/features/one-man-band-a-conversation-with-matt-johnson-about-the-dirties-by-calum-marsh/. Zugegriffen: 20. Oktober 2016.

  18. 18.

    Für eine Zusammenfassung, siehe Braselmann (2015). Zur Rolle der Männlichkeit s. auch Kellner (2008, S. 118 ff.) und Newman (2005, S. 148 ff.).

  19. 19.

    „One Man Band: A Conversation with Matt Johnson about The Dirties“. Cinema-Scope, Issue 55. Online: http://cinema-scope.com/features/one-man-band-a-conversation-with-matt-johnson-about-the-dirties-by-calum-marsh/. Zugegriffen: 20. Oktober 2016.

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Braselmann, S. (2017). Losing the Reality-Test: Fiktionalität und narrative Erklärungsstrategien für school shootings in Matt Johnsons The Dirties . In: Braselmann, S., Ahrens, J. (eds) Vermittlungskulturen des Amoklaufs. Kulturelle Figurationen: Artefakte, Praktiken, Fiktionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16602-1_9

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