Zusammenfassung
Zentrierung von Familie, Eltern und professionellen Institutionen rund ums Kind ist heute ein zentraler gesellschaftlicher Anspruch. Wie sich die elternzentrierten Sozial- und Verwandtschaftssysteme des Mittelalters so grundlegend verändern konnten, kann ein Blick auf zugrundeliegende, langfristige Machtdynamiken klären. Der Aufstieg des Kindes als gesellschaftliche Ordnungskategorie und ‚Macht der Unschuld‘ wird durch den Prozess der Nationsbildung und das darin verankerte nationale Interesse am Kind befördert. Dabei entsteht ein neuartiger Zentrierungsmechanismus um die Kategorie des Kindes, ähnlich dem Königsmechanismus in der höfischen Gesellschaft: Das soziale Kindchenschema sorgt nicht nur auf individueller Ebene für die Übernahme von Fürsorge, sondern lässt auf gesamtgesellschaftlicher Ebene einen Kindchenmechanismus entstehen. Dieser Machtmechanismus führt zu einer eigendynamischen Kultivierung der Spannungsbalancen rund ums Kind, wie sich am Beispiel Deutschlands zeigen lässt.
Der zugrundeliegende Vortrag sowie der vorliegende Aufsatz basieren auf der Publikation „Prozess-Soziologie der Elternschaft. Nationsbildung, Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland“ und hierbei insbesondere auf dem Abschnitt „Von der Eltern- zur Kindzentrierung“ (Waterstradt 2015).
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Waterstradt, D. (2017). Von der Elternzentrierung zur Kindzentrierung. In: Ernst, S., Korte, H. (eds) Gesellschaftsprozesse und individuelle Praxis. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16317-4_9
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