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Karl Poppers Welt 3 und die Philosophie der Mathematik

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Handbuch Karl Popper
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Zusammenfassung

Vielleicht die zentrale Frage über die Natur mathematischer Objekte betrifft das Zustandekommen abstrakter Terme. Gedankendinge wie Zahlen, Mengen, Relationen und Klassen hängen in einer schwer durchschaubaren Weise mit der konkreten Dingwelt zusammen, sie werden unvermeidbar für deren Erkenntnis gebraucht, bilden aber auch den eigenständigen Gegenstandsbereich der Formalwissenschaften. In einer fortgeschrittenen Phase seiner philosophischen Entwicklung wagt Karl Popper eine neue Hypothese über diese Gegenstandswelt der Vernunft, die in einer Weise an den realistischen platonischen Denkstil anschließt und sich damit in Gegensatz zur weithin dominierenden nominalistischen Tradition setzt. Im Folgenden wird untersucht, wie sich sein Vorschlag in die herkömmlichen Deutungen von Abstrakta einfügt und wie sein Vorschlag aus der heutigen Sicht der Philosophie der Mathematik zu werten ist. Einiges Gewicht wird dabei dem aristotelischen Ansatz zugemessen, der Zahlen als das numerische Moment der Dinge betrachtet.

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Notes

  1. 1.

    Unter den Enttäuschten von Wien waren meine unmittelbaren Freunde wie Edgar Morscher, Reinhard Kamitz, Rudolf Wohlgenannt, also die damalige 5. antimetaphysische Kolonne, die im katholischen Österreich nur verdeckt operieren konnte. Wir alle sahen eine Gefahr, wenn jetzt das Abgrenzungskriterium von Wissenschaft und Metaphysik wieder aufgeweicht würde und spirituelle Entitäten in den Bereich der behandelbaren Wissenschaft einrückten, dann hätten wir auch bald wieder Götter, Engel und andere Wesen aus der theologischen Mottenkiste am Hals. Poppers ontologische Wende hatte also damals in Österreich durchaus eine politische Dimension. R. Carnaps Logischer Empirismus und Poppers Kritischer Rationalismus waren Bollwerke gegen die Übergriffigkeit der katholischen Traditionalisten christlich-platonischer Prägung. Christentum als Platonismus fürs Volk war damals politische Realität.

  2. 2.

    Dies zeigte sich auch in seiner Akzeptanz einer aktual unendlichen Menge von Zeitpunkten als abgeschlossene Größe (Genius 25.03.2013; Popper 1978). Dort weist Popper gegen Whitrow darauf hin, dass man analog der natürlichen Zahlen diese als Folge oder als Menge auffassen kann. Auch eine unendliche Vergangenheit kann statt einer Abfolge von Zeitpunkten ebenso als Menge von Zeitabschnitten gedeutet werden, als solche ist sie dann eine aktual unendliche Menge.

  3. 3.

    Vgl. dazu Roberto Torretti 1998.

  4. 4.

    Eine Limeszahl ist eine Ordinalzahl, die keine Nachfolgezahl ist. Wenn λ eine Limeszahl ist, gibt es keine Ordinalzahl α so dass N(α) = λ. Die Ordinalzahl λ ist die große Vereinigung aller kleineren Ordinalzahlen als λ, d. h. die große Vereinigung aller ihrer Elemente λ = ∪ λ. Die kleinste Limeszahl ist ω.

  5. 5.

    Das gewöhnliche Axiomensystem der Mengenlehre reicht nicht aus, um solche große Kardinalzahlen zu fordern; so ist etwa die unerreichbare Kardinalzahl κ nicht durch die Vereinigung einer Anzahl von kleineren Kardinalzahlen oder durch die Potenzmenge einer Kardinalzahl, die kleiner als κ ist, definierbar; sie muss als zusätzliches Axiom gefordert werden. Diese neuen Axiome werden durch das Postulat der relativen Konsistenz mit den gewöhnlichen Unendlichkeiten der Mengenlehre geregelt, die verhindern, dass inkonsistente Objekte eingeschleust werden.

  6. 6.

    Nominalisten halten Abstrakta wie etwa Allgemeinbegriffe für inexistent oder schreiben ihnen nur eine fiktive Existenzweise zu v. a. mit der Begründung, dass diese nicht im kausalen Netz der Dinge wirken können. Abstrakta lassen sich aus nominalistischer Sicht nicht in einen Wirkzusammenhang einspannen.

  7. 7.

    Man kann die Frage stellen, ob das überhaupt geht, denn schon aus kosmologischer Sicht ist die materiale Welt 1 immer primordial; wie sollte man sich sonst Entstehung und Wachstum der beiden anderen Realitätsebenen vorstellen?

  8. 8.

    Vgl. dazu Resnik 2005, S. 412.

  9. 9.

    Auch der Nachweis des ν durch Cowan und Reines ändert nichts daran, dass man diese Teilchen nicht sehen kann.

  10. 10.

    Dieser Zusatz ist notwendig, weil Aristoteles Schwierigkeiten mit dem Unendlichen hatte und aktuale Unendlichkeiten nicht anerkennen wollte. (Vgl. dazu B: Kanitscheider 2013).

  11. 11.

    Das Konstruktibilitätsaxiom V = L besagt, dass das Mengenuniversum V gleich der kumulativen Hierarchie L ist, wobei L die Menge der konstruktiblen Mengen ist. V = L impliziert mit den anderen Axiomen von ZF das Auswahlaxiom C und die Kontinuumhypothese CH. Mit V = L wird eine Mengenlehre bereitgestellt, die die gesamte für die Physik notwendige Mathematik liefert. Später hat sich Quine aber dazu durchgerungen, auch die weiteren Höhenflüge der Mengenlehre zu akzeptieren mit Hinweis auf die einheitliche Semantik und Epistemologie der Wissenschaft. Gödel wollte V = L nicht unter die Standardaxiome eingereiht wissen, weil dies den Aufbau der Mengenlehre zu sehr einengt. Es erlaubt zwar einige große Kardinalzahlen, aber z. B. nicht die messbaren Mengen wie Dana Scott nachgewiesen hat. Die Existenz einer messbaren Kardinalzahl impliziert V ≠ L.

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Kanitscheider, B. (2019). Karl Poppers Welt 3 und die Philosophie der Mathematik. In: Franco, G. (eds) Handbuch Karl Popper. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16239-9_24

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