Zusammenfassung
In Deutschland wird teils heftig und zunehmend auch medial zwischen Vertreter*innen der Pluralen Ökonomik und der Mainstreamökonomik über den Zustand der Wirtschaftswissenschaften gestritten. In diesem Beitrag werden mithilfe einer qualitativen Analyse wesentliche Legitimationsmuster und Wissenschaftsverständnisse dieser Debatte identifiziert und analysiert. Es wird geprüft, inwiefern unterschiedliche implizit vertretene wissenschaftstheoretische Positionen die Kommunikation der Diskursteilnehmer*innen beeinflussen und zu Ausgrenzungsrhetoriken beitragen. Durch die Analyse tragen wir zu einer Reflexion der jüngsten Pluralismusdebatte bei und beleuchten Potenziale, aber auch Hürden und Grenzen eines Austausches.
Wir danken Luise Gubitzer sowie den drei anonymen Gutachter*innen für ein kritisches und detailliertes Feedback. Besonderer Dank gebührt dem gesamten Sammelbandteam, das uns stets kompetent und geduldig betreut hat.
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Notes
- 1.
Siehe auch → ‚Macht Ökonomie Gesellschaft?‘ in diesem Sammelband.
- 2.
Zur Diskussion potenzieller Gegenstrategien siehe → ‚Strategische Perspektiven für die Zukunft des Pluralismus‘ in diesem Sammelband.
- 3.
Es ist anzumerken, dass Wissenschaftstheorien nur Annäherungen und Idealtypen beinhalten können, die eine mehr oder weniger konsistente Art und Weise repräsentieren, wie Wissenschaft verstanden wird. Als solche bilden diese weder eine Praxis des Wissenschaftsbetriebs, noch die individuellen Ansichten von Forschenden ab. Gleichwohl bieten Wissenschaftstheorien wichtige analytische Einsichten, insofern diese uns erlauben, die herangezogenen Artikel anhand stringenter Kriterien einzuordnen, sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
- 4.
Ein ontologischer Pluralismus ist hingegen möglich, da mehrere Ebenen ontologischer Existenz anerkannt werden. Jede dieser Ebenen ist jedoch ontologisch existent und kann somit nicht als relativ angesehen werden.
- 5.
Grundsätzlich ist denkbar, dass sich wissenschaftstheoretische Aussagen und Ausgrenzungsmuster nicht zwischen Mainstream und Pluraler Ökonomik unterscheiden, sondern anhand anderer Faktoren zustande gekommen sind. Diesen Umstand haben wir während der Analyse immer wieder kritisch reflektiert. Unterschiede innerhalb der beiden Lager haben wir außerdem versucht, in der Ergebnisbeschreibung zu berücksichtigen.
- 6.
Die Artikel der Vertreter*innen der Pluralen Ökonomik wurden ausschließlich von Hendrik Theine und Andreas Dimmelmeier analysiert, um eine adäquate Analyse zu gewährleisten. Bei den hier vorgestellten Ergebnissen gilt es zu beachten, dass ein definitiver Rückschluss auf die Wissenschaftsverständnisse der Autor*innen anhand der analysierten Texte nicht vollständig möglich ist. Trotzdem lassen sich anhand der genannten Anforderungen an Wissenschaft Hinweise finden, wie wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn aus den jeweiligen Perspektiven möglich sein kann, bzw. wie Wissenschaft konzeptualisiert wird.
- 7.
Vgl. Kapeller (2012) zum Widerspruch der wissenschaftstheoretischen Selbstwahrnehmung des Mainstreams und der Realität im wissenschaftlichen Prozess des Mainstreams.
- 8.
Vgl. Grimm et al. (2014, S. 158–160) zur Immunisierungsstrategie der Mainstreamökonomik.
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Dimmelmeier, A., Hafele, J., Theine, H. (2019). „Die Daten sind nun einmal die Daten“. In: Petersen, D., et al. Perspektiven einer pluralen Ökonomik. Wirtschaft + Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16145-3_2
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