Zusammenfassung
Dieser Aufsatz fragt nach den institutionellen Strukturen der modernen Wahlen: Wer ist eigentlich zuständig für die Durchführung der Wahlen und woraus begründet sich deren Legitimation? Die Personalfrage ist entscheidend für das Gelingen des Wahlverfahrens: Denn Wahlen können nur Legitimation und damit Befriedung schaffen, wenn die Bevölkerung die Wahlergebnisse anerkennt, das heißt, wenn sie Vertrauen in das Wahlverfahren hat. Durch die Jahrzehnte der Wahl-Personalpolitik zieht sich daher die Frage, wie es gelingt, auch mit Hilfe des Wahlpersonals Vertrauen zu schaffen. In Deutschland hat sich dabei ein spezifisches Modell der „Selbstverwaltung“ der Wahlen als Aufgabe aller Wahlberechtigten herausgebildet, dessen Ursprünge im Reichstag des Norddeutschen Bundes untersucht werden. Diese Fragen werden in einem historischen Längsschnitt auf das Personal der Wahlverwaltung und die organisatorischen Strukturen mit einem Fokus auf politische Wahlen auf Reichs- bzw. Bundesebene untersucht. Durch die Rekonstruktion der historischen Entwicklungslinien werden die Pfadabhängigkeiten, aber auch die institutionellen Anpassungen an die Wahl- und Verwaltungssysteme unter unterschiedlichen Verfassungen sichtbar. Auf dieser Grundlage werden Elemente einer „Theorie der Praxis“ des Personals der Wahlen entfaltet. Damit wird ein Beitrag geleistet zur Entwicklung der Verwaltung der Demokratie insgesamt und der bisher nur selten thematisierten Verwaltung der Wahlen im Besonderen.
Ich danke Judith Brockmann und Julian Krüper für ihre Kommentare zu früheren Versionen dieses Textes.
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Pilniok, A. (2017). Das Personal der Wahlen und die Vertrauensfrage: Bausteine einer Geschichte der Verwaltung der Demokratie. In: Richter, H., Buchstein, H. (eds) Kultur und Praxis der Wahlen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16098-2_12
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