Zusammenfassung
Bei einem indirekten Nachweis von Gravitationswellen begnügt man sich damit, die Folgen des durch die Abstrahlung entstehenden Energieverlustes an einem System selbst zu messen, ohne dass dabei die entsandten Gravitationswellen in irgendeiner Form auch selbst detektiert werden. Eine solche beobachtbare Folge eines Energieverlustes ist etwa die zeitliche Veränderung der Umlaufperiode eines Doppelsternsystems. Ist diese gemessen und gerade so groß wie die theoretische Voraussage des Energieverlustes durch Gravitationswellen, so kann man dann von einem Nachweis sprechen, wenn man hinreichend überzeugend ausschließen kann, dass dieser Energieverlust nicht doch auf das Konto irgendeines anderen Prozesses geht. Solche Auschlussverfahren sind in der Regel komplex und auch nicht immer eindeutig. Es ist deshalb wichtig, mehrere dieser ,,Indizien“ an physikalisch unabhängigen Systemen zu sammeln, um die Wahrscheinlichkeit einer Fehldeutung, die ja dann alle Systeme gleichermaßen betreffen müsste, zu minimieren.
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Notes
- 1.
Die Nomenklatur der Pulsare ist so, dass dem Kürzel ,,PSR“ (für pulsating source of radio emission) die Position des Objekts auf der Himmelssphäre mit den Winkeln für Rektaszension und Deklination folgt. Die Rektaszension ist vierstellig und wird in Stunden und Minuten angegeben, die Deklination kann positiv (+) oder negativ (−) sein und wird oft nur zweistellig in Grad angegeben, bei vierstelligen Angaben entweder in Grad und zehntel Grad oder Grad und Minuten. Da sich die Position mit der Zeit ändert, unterscheidet man manchmal die Positionsangabe bezogen auf die Epoche 1950 mit einem vorgeschriebenen B von der Epoche 2000 mit einem vorgeschriebenen J. Deswegen hat beispielsweise der Hulse-Taylor-Pulsar die beiden angegebenen Bezeichnungen PSR B1913+16 und PSR J1915+1606. Pulsare in Doppelsternsystemen heißen Binärpulsare; solche bei denen der Begleiter ebenfalls ein Pulsar ist, heißen Doppelpulsare. Will man die beiden Komponenten namentlich unterscheiden, stellt man der Deklination noch ein A oder B nach.
- 2.
Eine Bogenminute ist der 60. Teil einer Winkelgrades, eine Bogensekunde der 60. Teil einer Bogenminute. Somit ist eine Bogensekunde der 3600. Teil eines Winkelgrades. Sie entspricht dem Winkel, unter dem man die Enden eines Meterstabes aus einer Entfernung von \(200\,\mathrm {km}\) sieht.
- 3.
Vergleichsweise langsame Änderungen, bei denen momentan immer noch die dynamischen Gleichgewichtsbedingungen gelten, nennt man ,,adiabatisch“.
- 4.
Mithilfe einer genaueren theoretischen Analyse kann man zeigen, dass die allgemeine Formel für \(\dot{P}\) aus (5.7) durch zwei Änderungen hervorgeht: Um erstens die Ungleichheit der Massen zu berücksichtigen, muss man die Masse M im Ausdruck für \(R_S=2GM/c^2\) durch \(\bigl [2(M_1M_2)^3/(M_1+M_2)\bigr ]^{1/5}\) ersetzen. Dieser Ausdruck ist das \(2^{1/5}\)-Fache der sogenannten ,,Chirp-Masse“ \({\mathcal M}\), die uns weiter unten in Formel (6.1) nochmals begegnen wird (siehe auch Fußnote 1 in Kap. 6). Um zweitens neben kreisförmigen auch elliptische Bahnen zu berücksichtigen, deren Exzentrität durch den Parameter \(\varepsilon \) charakterisiert wird, der Werte im Intervall zwischen Null (entsprechend einer Kreisbahn) und Eins (ensprechend einer zu einem Strich entarteten Ellipse) annehmen kann, muss man die rechte Seite von (5.7) multiplizieren mit
$$\begin{aligned} f(\varepsilon )= \frac{ 1 +\frac{73}{24}\varepsilon ^2 +\frac{37}{96}\varepsilon ^4}{(1-\varepsilon ^2)^{7/2}}. \end{aligned}$$(5.10)Im Hulse-Taylor-System sind die Massen besser als bis auf 0,2 Promille genau bekannt (Will 2014) und betragen gerundet 1,44 und 1,39 Sonnenmassen. Der durch diese geringe Ungleichheit bedingte multiplikative Korrekturfaktor (relativ zu der obigen vereinfachenden Annahme von je 1,4 Sonnenmassen) beträgt nur 1,018. Erheblich größer ist die Korrektur, die durch die Exzentrität \(\varepsilon \) der Bahn verursacht wird. Letztere ist für das Hulse-Taylor-System sogar bis auf 6 Nachkommastellen bekannt (Will 2014) und beträgt gerundet 0,62. Dadurch ergibt sich der multiplikative Korrekturfaktor (5.10) zu 11,86. Die große Exzentrität der Bahn trägt also ganz erheblich zur Erhöhung der gravitativen Strahlungsleistung bei.
- 5.
Bei der ,,galaktische Korrektur“, die bei PSR B1913+16 zu berücksichtigen ist, handelt es sich um einen Beitrag zur scheinbaren Periodenverkleinerung (Frequenzerhöhung), bedingt durch den Doppler-Effekt und die beschleunigte Annäherung dieses Systems an uns. Letztere ist eine Folge der differentiellen Rotation unserer Galaxie und den Lagen von PSR B1913+16 und unserem Sonnensystem in der galaktischen Scheibe. PSR B1913+16 liegt weiter innen und weiter zurück (relativ zur Drehrichtung), setzt also gewissermaßen gerade dazu an, uns auf der ,,Innenbahn“ zu überholen. Diesen in den Beobachtungsdaten enthaltenen rein kinematischen Effekt muss man natürlich abziehen, bevor man sie mit den Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie vergleicht.
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Giulini, D., Kiefer, C. (2017). Indirekter Nachweis: Binärpulsare. In: Gravitationswellen. essentials. Springer Spektrum, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16013-5_5
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Publisher Name: Springer Spektrum, Wiesbaden
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