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Die mythischen 40.000 – Der Verlauf des Diskurses über die Zunahme von Sexarbeit zur Fußball-WM 2010

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Gefährlich oder gefährdet?

Part of the book series: Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 66))

  • 2043 Accesses

Zusammenfassung

In der diskursiven Verschränkung von Sexarbeit und Fußball-WM erlangte eine konkrete Zahl besondere Aufmerksamkeit: 40.000 zusätzliche Sexarbeiterinnen*, die vermeintlich eigens zur WM anreisen würden. Im Zentrum dieses Kapitels steht der Verlauf des Diskurses über die prognostizierte Zunahme von Sexarbeit zur WM. Zunächst werden hierfür wichtige diskursive Ereignisse innerhalb des Analysezeitraums dargelegt. Daran anschließend wird der Diskursverlauf analog zum WM-Verlauf nachgezeichnet. Dieser lässt sich in drei Phasen einteilen, in denen unterschiedliche Leitthemen verhandelt werden: die Zeit vor der WM von Januar bis Ende Mai, die Zeit unmittelbar vor und während der WM von Ende Mai bis Mitte Juli sowie die Zeit nach der WM von Ende Juli bis Oktober.

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Notes

  1. 1.

    Nachgewiesen ist u. a. für die Fußball-WM 2006, die Fußball-EM 2008, die Olympische Spiele 2004, 2010 und 2012 sowie die US Super Bowls 2008, 2009 und 2011, dass im Vorfeld der Events jeweils eine Zunahme von Sexarbeit antizipiert wurde (vgl. Ham 2011, S. 16–23).

  2. 2.

    Dabei geht es mir – ob des diskursanalytischen Zugangs – nicht darum zu ergründen, wo die Ursprünge dieser mythischen Zahl liegen und warum sie zu jedem Sportereignis wiederholt wird. Ausführlicher hierzu siehe beispielsweise die Studie „What’s the cost of a rumour“ der Global Alliance against Trafficking in Women von 2011.

  3. 3.

    Die Analyse des Diskursverlaufs zeigte, dass das Ende der Prä-WM-Phase bereits vor dem tatsächlichen Beginn der WM am 11. Juni 2010 lag. Dies habe ich daran festgemacht, dass schon ab dem 25.05.2010 eine Verschiebung im medialen Diskurs ausgemacht werden konnte. Das Datum des 24.05. als Wendepunkt steht im Zusammenhang mit einer Veranstaltung des Institute for Security Studies (ISS) in Kapstadt zu aktuellen Studien zu Sexarbeit in Südafrika (vgl. Abschn. 7.1). Nach dieser Veranstaltung änderte sich zunehmend die mediale Berichterstattung über Sexarbeit zur WM und fortan dominierten Zweifel an der Zunahme von Sexarbeit. Wie sich die zentralen Themen ab Ende Mai verschieben, wird in Abschn. 7.3 ausgeführt.

  4. 4.

    Jäger (1999, S. 67) folgend, dass für die Feststellung von Schwerpunkten und Tendenzen qualitativ bestimmter Phänomene auch quantifizierende Momente einbezogen werden sollten, werde ich in den Fußnoten für jede Phase eine Quantifizierung anführen, die veranschaulicht, welche Diskursposition als hegemonial und welche als dem Gegendiskurs zugehörig verortet werden können.

  5. 5.

    Der Begriff der Pfadabhängigkeit ist an Thomas Kuhn (1962, S. 44 ff.) angelehnt, der darunter das Festhalten an einem technologischen oder wissenschaftlichen Paradigma fasst, obwohl dieses sich als nicht hinreichend erwiesen hat bzw. es bereits ein neues Paradigma gibt. Das Konzept der Pfadabhängigkeit lässt sich meines Erachtens auch auf die Persistenz von Diskursen anwenden, wie im Folgenden gezeigt wird – selbst wenn eine Diskursposition, wie hier die Zunahme von Sexarbeit zu großen Sportereignissen, empirisch widerlegt werden kann, wird dennoch dem bekannten (und bisher funktionierenden) Pfad weiter gefolgt.

    Insgesamt ist Kuhn’s Theorie zu Paradigmenwechseln in der Wissenschaft wesentlich komplexer als der hier herausgegriffene Aspekt der Pfadabhängigkeit. Ausführlicher hierzu siehe Kuhn 1962, Sterman und Wittenberg 1999.

  6. 6.

    Hierbei handelt es sich nicht um den richtigen Namen der Sexarbeiterin. Um ihre Identität zu schützen wurde lediglich ihr Arbeitsname ‚Kylie‘ an die Medien weitergegeben (vgl. Mail & Guardian, 04.06.10).

  7. 7.

    Siehe u. a. The Witness, 11.03.10; Cape Times, 12.03.10; Daily Sun, 12.03.10; Sowetan, 12.03.10; The Citizen, 12.03.10 und The Star, 12.03.10.

  8. 8.

    Siehe u. a. Weekend Witness, 29.05.10; Pretoria News, 29.05.10; Saturday Star, 29.05.10; Sunday Times, 30.05.10; Business Day, 31.05.10; Daily Dispatch, 31.05.10; Cape Argus, 01.06.10; Sowetan, 03.06.10. Mail & Guardian, 04.06.10.

  9. 9.

    Selebi hatte das Amt als Leiter der SAPS seit 2000 inne. Am 12. Januar 2008 wurde er jedoch wegen Korruptionsverdachts von diesem Amt suspendiert. Sein Nachfolger, Timothy Charles, verfolgte die vorübergehende Legalisierung von Sexarbeit nicht weiter.

  10. 10.

    Für die englische Bezeichnung „interdict“ gibt es keine gleichbedeutende Übersetzung. Am ehesten trifft hier „einstweilige Verfügung“ zu.

  11. 11.

    Eine Provinz im Nordosten Südafrikas.

  12. 12.

    Für eine detailliertere Darstellung siehe auch: http://www.enca.com/south-africa/timeline-who-killed-lolly-jackson, zuletzt geprüft am 27.03.2014.

  13. 13.

    In der folgenden Darstellung der widerstreitenden Diskurspositionen geht es nicht um die Diskurspositionen der einzelnen Zeitungen, sondern um den Verlauf des Diskurses insgesamt und die analytische Frage, welche Diskurspositionen – im Rahmen der Sagbarkeitsfelder – eingenommen werden (können).

  14. 14.

    In dieser Phase wurden 111 Artikel analysiert, in 77 wird explizit eine Zunahme von Sexarbeit zur WM prognostiziert, auch wenn sich nicht alle (38) auf die Figur der 40.000 beziehen. In lediglich 6 Artikeln wird diese Prognose als unrealistisch kritisiert.

  15. 15.

    Abamagosha bzw. abomagosha ist das Plural von magosha/umagosha (siehe Glossar).

  16. 16.

    Ähnlich wie in der sozialwissenschaftlichen Forschung erhalten die hier in den Medien als Expert*innen zitierten Personen ihren Expert*innenstatus durch ihre Befragtenrolle bzw. über den verliehenen Status des*der Expert*in (vgl. Walter 1994, S. 271). Anders als im Kontext der soziologischen Forschung zeichnen sich die in den Medien angeführten Expert*innen jedoch nicht zwangsläufig durch eine „institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit“ (Hitzler et al. 1994) aus, in der Regel reicht hier eine Affilierung mit einer in diesem Feld als Autorität akzeptierten Institution, ohne dass diese einen Bezug im engeren Sinne zu der Thematik der erfragten Expertise aufweisen muss.

  17. 17.

    Auf Bayever berufen sich zahlreiche Zeitungsartikel, die über Referenz auf Expert*innen die vermutete Zunahme von Sexarbeit zur WM plausibilisieren (u. a. The Citizen, 05.03.10; Sunday Sun, 07.03.10; Daily News, 09.03.10). Aber auch Professor*innen, Politiker*innen und Polizeibeamt*innen werden in diesem Argumentationsmuster zitiert (u. a. The Citizen, 02.03.10; Rising Sun, 14.04.; Polokwane Observer, 15.04.10).

  18. 18.

    Ebenso in The Times, 02.03.10; The Citizen, 02.03.10; Pretoria News, 22.05.10 u. a.

  19. 19.

    Mzansi heißt ‚Süden‘ im isiZulu und ist eine populäre Bezeichnung für Südafrika.

  20. 20.

    An anderer Stelle wird diese Form der sensationalistischen Berichterstattung in den Medien und der mediale Hype um die 40.000 ambivalent aufgegriffen und quasi zwischen den beiden Diskurspositionen verhandelt. Es wird davor gewarnt, dass solche Behauptungen erst zur Erfüllung dieser Prophezeiung führen würden: „Last week, sensationalist newspaper posters proclaimed ‘40 000 prozzies (hookers) for World Cup’. This, even though prostitution is illegal here. The message seemed like a subtle advertisement, a permission, a popular pronouncement on what is to be expected and permissible. And of course, we all know that expectations are the best predictors of behavioural outcome“ (The Mercury, 11.03.10). Hier wird darauf verwiesen, dass die Botschaft der Zunahme von Sexarbeit, bzw. der 40.000 zusätzlichen Sexarbeiterinnen* fast schon wie Werbung klingen könnte, eine indirekte Erlaubnis, obwohl Sexarbeit in Südafrika illegalisiert ist. Die auf den zitierten Zeitungs-Postern verwendete abwertende Bezeichnung für Sexarbeiterinnen* (prozzies) wird zudem durch die nicht weniger abwertende Bezeichnung „hookers“ ersetzt.

  21. 21.

    In 32 der 76 Artikel, die in dieser Phase Teil des Dossiers sind, wird der Zusammenhang von WM und einer Zunahme von Sexarbeit explizit hinterfragt, in 9 wird die Prognose aufrecht erhalten.

  22. 22.

    Hier wird auf ein gängiges Muster verweisen, das für den analysierten Diskurs konstitutiv ist. Häufig wurden aus den 40.000 Sexarbeiterinnen* 40.000 Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. In den südafrikanischen Medien ist zum Teil sogar von 100.000 erwarteten Menschenhandelsopfern die Rede (vgl. North Coast Courier, 02.04.2010). Darin zeigt sich die enge Verknüpfung von Sexarbeit mit Menschenhandel, auf die in Abschn. 4.2.2 verwiesen wurde. Auf diese diskursive Verschränkung wird ausführlich in Abschn. 8.2 eingegangen.

  23. 23.

    Es wird zudem eine Orientierung an westlichen Diskursen deutlich (vgl. Abschn. 2.2). Dies wird in der Analyse der Diskursstruktur, insbesondere in Abschn. 8.1, vertiefend aufgegriffen.

  24. 24.

    Vor der WM kommen Sexarbeiterinnen* lediglich in 2 von 111 Artikeln zu Wort, im Gegensatz zu 19 von 76 Artikeln während der WM.

  25. 25.

    Die Artikel des Dossiers (insg. 221) verteilen sich folgendermaßen auf die Phasen: 05.01.10–24.05.10 = 111, 25.05.10–11.07.10 = 76, 12.07.10–23.10.10 = 34.

  26. 26.

    Die Plausibilisierungen, warum es zu keiner Zunahme gekommen sei, tauchen in den Phasen während und nach der WM auf, werden jedoch aus Gründen der Lesbarkeit zusammen dargestellt.

  27. 27.

    Nichtsdestotrotz wurde dieses Gerücht erneut auf die folgenden größeren Sportereignisse übertragen, wie bspw. die Commonwealth Games noch im Oktober desselben Jahres in Indien oder die Olympischen Spiele im Sommer 2012 in London. Hier wurden interessanterweise wieder 40.000 zusätzliche Sexarbeiterinnen* erwartet (vgl. Buckley 2012; Fae 2010).

  28. 28.

    Die neokolonialen Diskurssplitter, die darin und in der britischen Kondomspende sichtbar werden, werden in Abschn. 8.5 ausführlicher dargestellt.

  29. 29.

    Dies auch, weil diese Position in lediglich 4 Artikeln zu finden ist.

  30. 30.

    Diese korrelieren mit der Berichterstattung zur WM insgesamt. Das internationale Sportereignis WM, stellt für die Nation Südafrika Chance und Bedrohung zugleich dar. Auf der einen Seite steht die Hoffnung darauf, die Wirtschaft anzukurbeln und ein positives Bild nach außen zu vermitteln (vgl. Abschn. 3.1). Auf der anderen Seite wird die Einreise zahlreicher Besucher*innen auch als potenzielle Gefahr verhandelt (ausführlicher hierzu siehe Abschn. 8.4).

  31. 31.

    Extern ist hier in dem Sinn gemeint, als sie das prinzipielle Interesse an käuflichem Sex nicht hinterfragen.

  32. 32.

    Zu den Parallelen in den Diskursverläufen zu weiteren internationalen Sportereignissen siehe GAATW 2011 zu den Olympischen Spielen in Athen (2004), Madjlessi-Roudi (2012) und Ihme (2006) zur die WM (2006) in Deutschland, Perry (2012) zu den Olympischen Spielen in London und Ruvolo (2014) zur WM (2014) in Brasilien. Zum globalen ‚Wandern‘ von Diskursen und deren Übertragung in neue lokale Kontexte siehe auch Abschn. 8.1.

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Küppers, C. (2018). Die mythischen 40.000 – Der Verlauf des Diskurses über die Zunahme von Sexarbeit zur Fußball-WM 2010. In: Gefährlich oder gefährdet?. Geschlecht und Gesellschaft, vol 66. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15122-5_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-15122-5_7

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