Zusammenfassung
Wie kann das „Gute Leben“ (Buen Vivir) in der Stadt gefördert werden? Wie lässt sich urbane Resilienz in einer Zeit der multiplen Krise stärken? Wie sieht ein Quartier aus, das von den eigenen Anwohner_innen gestalten wird? Dieser Text untersucht das Potenzial einer „intentionalen Transformation in Richtung Nachhaltigkeit“, die vor allem bottom-up, von unten nach oben und durch „unkonventionelle Allianzen“ (u. a. zwischen Bürger_innen und Institutionen) auf lokaler Ebene vorangetrieben wird. Als empirische Erkenntnisquelle für die Analyse dient ein „Realexperiment“ in Köln. Seit 2013 findet dort einmal jährlich der sogenannte „Tag des guten Lebens“ statt. Er wird von einem bunten lokalen Netzwerk von fast 130 Organisationen und von vielen engagierten Bürger_innen getragen und dient als Katalysator in einem Prozess, der Vertrauen und Kooperation in der Nachbarschaft fördert, ganze Stadtteile zu „Gemeingütern“ macht und Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung einleitet.
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Notes
- 1.
Dokumente wie der Brundtland-Bericht oder die Agenda 21 sind im Rahmen der Vereinten Nationen verabschiedet worden, als Ergebnis von Verhandlungen unter Regierungsvertretern aus der ganzen Welt.
- 2.
Damals zählten allerdings weder Frauen noch Sklaven zur Bürgerschaft.
- 3.
Trotz der allgemeinen „Verwestlichung der Welt“ (Latouche 1994) orientieren sich einige Länder heute an alternativen Wohlstandsmodellen. In Ecuador und Bolivien ist das indigene Prinzip des „sumak kawsay“ („gutes Leben“, span. „buen vivir“) 2008 und 2009 in den jeweiligen Verfassungen verankert worden (vgl. Poma 2011).
- 4.
Ende 2012 belief sich die Gesamtverschuldung der Stadt Köln auf 6,7 Mrd. EUR (Statistisches Bundesamt 2014, S. 26).
- 5.
Dabei geht es um eine größere Nähe zwischen den Orten der Produktion und des Verbrauchs. In einer solchen Wirtschaftsstruktur wird die Versorgung durch viele Miniproduzenten an vielen Orten geleistet – und nicht durch wenige Megaproduzenten an wenigen Orten (B.U.N.D., EED, Brot für die Welt 2008, S. 231 f.).
- 6.
Die persönliche Ideenskizze, die im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Kölns Klima Wandeln“ der Initiative „Dialog Kölner Klimawandel“ im Dezember 2011 ausgezeichnet wurde, befindet sich unter http://www.koelner-klimawandel.de/fileadmin/ideenwettbewerb/32_Koelner-Sonntag-der-Nachhaltigkeit.pdf. Nach dem Ideenwettbewerb wurde das Konzept ausgebaut, von einem der ersten Unterzeichner (ecosign – Akademie für Gestaltung) professionell gelayoutet und mit den Profilen der weiteren Unterzeichner ergänzt (vgl. Brocchi 2012a).
- 7.
Das Institut Cultura21 e. V. mit Sitz in Berlin (www.cultura21.org) vernetzt Kulturschaffende und Kulturvermittler bundesweit (www.cultura21.net/de) und international (www.cultura21.net), die sich für einen Kulturwandel in Richtung Nachhaltigkeit einsetzen.
- 8.
Dazu gehörte auch der Hauptstromversorger der Stadt Köln, die RheinEnergie AG: Sie finanziert zwar die hiesige kommunale Klimaschutzpolitik, zum Beispiel im Rahmen des Fördergremiums „KlimaKreis Köln“ (www.klimakreis-koeln.de), vertreibt aber vor allem Strom aus Kohlenkraftwerken.
- 9.
Mit den Stimmen von SPD und Grünen (jeweils 6 Sitze), CDU (4 Sitze), FDP, Pro Köln und Linke (jeweils 1 Sitz).
- 10.
Abschn. 8.4 des Beschlussprotokolls der 30. Sitzung der Bezirksvertretung Ehrenfeld am 19.12.2012.
- 11.
Die Pressemitteilung von Toyota Deutschland ist unter http://www.toyota-media.de/Article/view/2013/09/16/ecologic-Foerderpreis-fuer-Zukunftsideen-2013-entschieden/3551 zu finden (zuletzt abgerufen am: 25. Oktober 2015). Innerhalb der Agora Köln wurde kontrovers diskutiert, ob das Projekt des TdgL mit dem Geld eines Autounternehmens finanziert werden dürfe.
- 12.
Zum Beispiel sang eine Opernsängerin spontan aus ihrem Wohnungsfenster.
- 13.
Im Jahr 2012 lag die Autodichte in Lindenthal bei 468 Pkws pro 1000 Einwohner (436 im Jahr 2000), in Ehrenfeld bei 368 (382 im Jahr 2000) (vgl. Stadt Köln 2013, S. 119).
- 14.
Zum Beispiel stimmte der Kölner Stadtrat im März 2016 zu, dass an einem Tag pro Jahr Bus und Bahn in Köln kostenlos sind (Frangenberg 2016). Die Initiative ging von den Piraten aus, die eine Idee aus dem Konzept „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit“ aufgegriffen hatten. Das Konzept wurde ihnen bei der Mitgliederversammlung vom 3. September 2012 vorgestellt.
- 15.
In einem persönlichen Gespräch am 9. Oktober 2015 in Berlin.
- 16.
- 17.
Der hohe logistische Aufwand des ersten TdgL lässt sich anhand folgender Zahlen verdeutlichen: 25 Straßen, 683.500 Quadratmeter Fläche, 220 Halteverbotsschilder, 20 Tonnen Absperrmaterial… Den zwölf Stunden „Tag des guten Lebens“ standen ca. 7500 h ehrenamtlicher Arbeit für die Organisation, Vorbereitung und Umsetzung gegenüber (Agora Köln 2014b, S. 5, 17).
- 18.
Durch Darstellung des Status in höheren Schichten und durch verinnerlichte Minderwertigkeit in unteren Schichten.
- 19.
Birgit Scherer-Bouharroun, Sülzerin und Koordinatorin des AK „Grün“ der Agora Köln, berichtet: „In Sülz fand ich die Beteiligung der Nachbarschaften generell und in einigen Carrés besonders sehr enttäuschend – gähnende Leere […]. Es gab einige Highlights – die auch weiter bestehen, d. h. Gruppen, die sich treffen, was machen“ (persönliche Mitteilung, 17.11.2015). Die Organisatoren gingen trotzdem davon aus, dass zwischen 80.000 und 100.000 Menschen am „Tag des guten Lebens“ in Sülz teilnahmen.
- 20.
Inzwischen liegen die Angebotspreise für Eigentumswohnungen im ehemaligen Arbeiterviertel Ehrenfeld bei 3100 EUR pro m², Tendenz steigend (Corpus Sireo Makler GmbH 2015, S. 13).
- 21.
Konsent ist ein Entscheidungsverfahren aus dem Organisationsmodell der Soziokratie (vgl. Rüther 2010). Dabei wird nicht gefragt, ob jeder zustimmt, sondern ob jemand dagegen ist. Eine bloße Missbilligung des Antrages reicht nicht aus, sondern die Ablehnung muss sich auf eine glaubwürdige Argumentation stützen.
- 22.
In diese Richtung geht u. a. der Verein „Neustart Schweiz“ (http://neustartschweiz.ch), „welcher eine neue Gesellschaftsordnung auf der Basis von Nachbarschaft propagiert. Um den Herausforderungen der Zukunft wie ‚Peak Oil, Klimawandel, ökonomische Krisen, verschwindende Lohnarbeit, Verknappung von Kulturland, Wasser und anderen Ressourcen‘ begegnen zu können, schlägt er die Initiierung eng vernetzter Nachbarschaften von etwa 500 Bewohnerinnen und Bewohnern vor. Durch die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln und vielfältigen Angeboten in direkter Nachbarschaft wie einer Großküche, Restaurants, Bars, Bibliothek, Secondhand-Depot, Reparaturservice, Wäscherei, Gästehaus, Bad, Geräteverleih, Kinderparadies etc. soll das Leben lokaler, synergetischer, gemeinschaftlicher werden. Alle Nachbarn sollen dazu eine gewisse Zahl von Freiwilligen-Einsätzen leisten“ (Reutlinger et al. 2015, S. 13).
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Brocchi, D. (2017). Transition Neighbourhoods. In: Reinermann, JL., Behr, F. (eds) Die Experimentalstadt. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14981-9_8
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