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Schlussbemerkung oder: Die offene Gesellschaft und ihre Polizei

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Autorität reloaded
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Zusammenfassung

Von den gegenwärtig sich abzeichnenden gesellschaftlichen Krisenphänomenen hat längst auch die Polizei unter dem Stichwort ‚Autoritätsverlust‘ Notiz genommen. Es handelt sich um Folgeerscheinungen der Individualisierung, die zu immer wieder neuen Kennzeichnungen der Gesellschaft herausfordern. In ihren kulturkritischen Etikettierungen als ‚Risikogesellschaft‘ und ‚Weltrisikogesellschaft‘ (Beck), als ‚flüchtige Moderne‘ und ‚Gesellschaft von Konsumenten‘ (Bauman), als ‚Gesellschaft der Ichlinge‘ (Opaschowski) ‚Gesellschaft der Angst‘ (Bude), ‚entfesselte Welt‘ (Giddens) oder ‚entwurzelte‘, prekarisierte Postmoderne usw. kommen die verschiedenen Symptome der Modernisierung zum Ausdruck. Im Vergleich mit anderen sozialen Institutionen ist die Polizei von den sogenannten krisenartigen Individualisierungsfolgen in besonderer Weise betroffen: Gemäß ihres gesellschaftlichen Auftrags muss sie stets auch die Bereitschaft zeigen, sich den Autonomieansprüchen ihrer individualisierten Klientel in den Weg zu stellen und dabei eine Machtdistanz aufrechtzuerhalten, die dem allgemeinen Bedürfnis nach gleichberechtigter Kommunikation zuwiderläuft. Sie kann sich auf die neuen Anforderungen und Befindlichkeiten, die der Individualisierungsprozess hervorbringt, nur bedingt einstellen. Das liegt an ihrer gesellschaftlichen Funktion, die eben nicht auf Veränderung der Gesellschaft, sondern umgekehrt auf Bewahrung von Sicherheit und Ordnung ausgerichtet ist. Eine gewisse Modernisierungsresistenz, die ihr ermöglicht, gleichsam wie der ‚Fels in der Brandung‘ ihre Funktionsfähigkeit auch in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs aufrechtzuerhalten, kann ihr daher nicht unbedingt als Defizit angelastet werden, sondern stellt im Gegenteil geradezu ein Qualitätsmerkmal ihrer Arbeit dar. Dieses der Polizei innewohnende konservative Prinzip steht den um Modernisierung Bemühten im Weg, die endlich auch die Tore der Polizei für die Individualisierung weit öffnen möchten. In vielen Fällen führen solche Anstrengungen, mit der gesellschaftlichen Modernisierung Schritt zu halten, dazu, dass Polizeikultur und Cop-Culture, also Anspruch und Wirklichkeit der Polizei noch weiter auseinanderdriften. Die Modernisierung der Polizei, wie sie sich in der aktuellen Polizeikultur abzeichnet, erinnert an eine Strategie, die man im Tierreich als Mimese, als optische Nachahmung eines Lebensraums, bezeichnet. Ziel der Mimese ist eine Tarnung, die ein Lebewesen optisch von seiner Umwelt nahezu ununterscheidbar machen soll: Den Versuch, der modernen Umwelt entsprechend nun auch in der Außendarstellung der Polizei einen moderneren, nämlich bürgernahen Anstrich zu geben, lässt sich aber eben in Analogie zum Naturreich nur als eine rein äußerliche Anpassungsstrategie deuten. Diese kosmetische Vorgehensweise erscheint wenig vielversprechend.

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Notes

  1. 1.

    Hitzler und Koenen (1994, S. 448).

  2. 2.

    Gerhardt (1999, S. 74).

  3. 3.

    Hier zitiert Popper Kant (Popper 1992a, S. XXII).

  4. 4.

    Popper (1992b, S. 265).

  5. 5.

    Vgl. Popper (1992b, S. 265).

  6. 6.

    Popper (1992b, S. 265).

  7. 7.

    Popper (1984, S. 170).

  8. 8.

    Popper (1984, S. 170). Darauf weist Popper auch an anderer Stelle noch einmal hin: „Schließlich ist der Rationalismus auf diese Weise mit der Erkenntnis verbunden, dass soziale Institutionen notwendig sind, die die Freiheit der Kritik, die Freiheit des Denkens und damit die Freiheit des Menschen schützen“ (Popper 1992b, S. 279).

  9. 9.

    Popper (1984, S. 170).

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vom Hau, S. (2017). Schlussbemerkung oder: Die offene Gesellschaft und ihre Polizei. In: Autorität reloaded. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14885-0_9

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-14884-3

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