Zusammenfassung
Der Beitrag will einerseits verschiedenen audiovisuellen Variationen von Retro-Ästhetiken des Computerspiels nachgehen; andererseits sollen die medialen Praktiken und Vergemeinschaftungen, die diese Spiele umlagern, in den Blick genommen werden. Zwar sind Computerspiele aufgrund ihrer notwendigen technologischen Plattform nicht in einer nicht-mediatisierten Form denkbar, dennoch scheint gerade eine Art Widerstand gegen diese komplexe Plattform ein gemeinsamer Fluchtpunkt vieler Retro-Gaming-Cultures zu sein. So ist zu beobachten, dass sich die Retrokulturen des Computerspiels keineswegs auf Remakes oder die technische Emulation alter Spiele beschränken. Vielmehr geht es häufig um komplexere Formen einer Parallelisierung und Durchdringung von neuen und alten medialen Artefakten – angefangen von Plattform-Remediationen über Demakes bis hin zu analogen Varianten, wie z. B. Street-Games und Game-Theater-Produktionen.
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Notes
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Vgl. hierzu die berühmte Definition einer „restorative nostalgia“ von Svetlana Boym: „Modern Nostalgia is a mourning for the impossibility of mythical return, for the loss of an enchanted world with clear borders and values“ (Boym 2001, S. 8).
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Als Remakes werden häufig auch komplett neu entwickelte Fortsetzungen älterer Spiele oder Spielreihen bezeichnet, beispielsweise Castlevania: Lords of Shadow (2010), das an die bekannte Castlevania-Reihe aus den 1980er Jahren anknüpft. Zwar finden sich in diesen Titeln oft zahlreiche Anspielungen auf die jeweiligen Vorgänger, etwa ein ähnliches Setting, bestimmte Charaktere, bekannte Waffen und Items. Die Spielmechaniken sowie die audiovisuelle Gestaltung orientieren sich jedoch ausschließlich an aktuellen Computerspielen. Somit handelt es sich letztlich nicht um Retro-Games – obgleich hier natürlich ebenfalls nostalgische Aspekte eine Rolle spielen.
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Katrin Keller weist darauf hin, dass Retro-Phänomene stets Subkulturen und nie den populärkulturellen Mainstream markieren: „Retroisierungen als Wiederverwertungen populärkultureller Phänomene verbleiben unausweichlich in einem ‚Sub‘-Verhältnis zum Gegenwarts-‚Main‘. Retroisierende Rückbesinnungs-Handlungen können nur kulturprogrammliche Anwendungsalternativen zu gegenwärtig dominanten Anwendungs-Strategien offerieren, die diese jedoch nie komplett verdrängen“ (Keller 2006, S. 327). Allerdings fehlt einer solchen Einordnung das Moment einer Binnendifferenzierung. So wird Retro-Gaming natürlich die rasante Evolution des Computerspiels nicht bremsen und schon gar nicht aufhalten können. Interessant ist jedoch, wie es mit dem Mainstream jeweils interagiert, wie es z. T. assimiliert wird, z. T. sich durch Stilisierungen abzusetzen versucht. Auf diese Weise differenziert sich das Phänomen Retro-Gaming sozusagen in eine Art Mainstream-Retro und eine Art Subkultur-Retro.
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Für eine Übersicht von Clement Greenbergs Plädoyer für eine „Reinigung“ der einzelnen Künste bis hin zur Ästhetik des „Gesamtdatenwerks“ (Roy Ascott) vgl. Schröter (2008).
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Beil, B. (2017). Widerstandsbewegungen – Tendenzen der De-Mediatisierung des Computerspiel(en)s. In: Pfadenhauer, M., Grenz, T. (eds) De-Mediatisierung. Medien • Kultur • Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14666-5_7
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