Zusammenfassung
Das letzte Kapitel habe ich mit der Feststellung geschlossen, die dargestellten Figuren und Tropen blieben für die strafrechtliche und kriminologische Repräsentation von Verbrechen bis Ende der zwanziger Jahre dominant. Dies gilt auf eine beunruhigende Weise nicht nur für kriminologische und juristische Texte, sondern auch für diejenigen literarischen Texte, die gemeinhin als “fortschrittliche Justizkritik” (Thöming 1981, S. 149) bezeichnet werden. In diesem Sinn stellt beispielsweise Joachim Linder der “justizapologetischen” (Linder 1991, S. 535) Kriminalliteratur des späten 19. Jahrhunderts die im Berliner Verlag Die Schmiede 1924 und 1925 erschienene, von Rudolf Leonhard herausgegebene Reihe Außenseiter der Gesellschaft. Verbrechen der Gegenwart gegenüber1, in der “der Authentizitätsgestus der traditionellen Pitavalgeschichte unterlaufen” (Linder 1991, S. 538) und die “eindeutigen Zuschreibungen des Realismus … aufgelöst” (Linder 1991, S. 539) würden. Solche Charakterisierungen des “kritischen” oder gar “subversiven” Potentials literarischer Justizkritik tendieren jedoch dazu, das nicht durchtrennbare Band der Komplizenschaft zu übersehen, das diese “kritischen” literarischen Texte mit den “kritisierten” kriminologischen oder strafrechtlichen Texten verbindet. Dieses Dilemma der Verbindung von Subversion und Komplizenschaft hat sich schon im zweiten Kapitel bei der Lektüre von Zolas La Bête Humaine angedeutet (vgl. oben S. 31f.): Während bei der Darstellung des Prozesses gegen Cabouche die korrupte und unfähige Justiz kritisiert wird, die einen Unschuldigen verurteilt, weil er den “type même de l’assassin” (Zola 1890, S. 288) mit vorspringendem Kiefer usw. darstellt, wird eben dieser “Urtyp” bei der Repräsentation des “atavistischen Triebtäters” Jacques affirmiert.
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Andriopoulos, S. (1996). Subversion oder Komplizenschaft? — die (affirmative) Wiederholung strafrechtlicher und kriminologischer Figuren in der Justizkritik. In: Unfall und Verbrechen. Hamburger Studien zur Kriminologie, vol 21. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14545-3_7
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