Zusammenfassung
Der vorliegende Text ist das soziologische Experiment, den voraussetzungsreichen und komplexen Vorgang des Anbieterwechsels in der Elektrizitätsversorgung an einem Ort seiner Klammerung zu beobachten und zu beschreiben. Der Artikel fragt, wie unter den Bedingungen eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbs die Konsumenten der Elektrizität darauf konditioniert werden sollen, durch individuelle Entscheidungen für umweltverträglich produzierte Elektrizität einen Beitrag zur sogenannten Energiewende zu leisten, die auf eine Risikoverminderung in den Folgen des Energieverbrauchs abzielt. Die gesellschaftliche Konstellation, die den Handlungsrahmen eines solchen Reformversuchs bildet, ist geprägt von einem wettbewerbs- und wachstumsorientierten europäischen Elektrizitätsmarkt, auf dem Versorgungsunternehmen ‒ politisch intendiert ‒ um die Bereitschaft zum Anbieterwechsel von Kunden werben, obgleich eine Versorgung im Normalfall bereits gegeben ist.
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Notes
- 1.
Im Original heißt es „market device“, das als ein Mittler zwischen Dispositionen im Sinne Bourdieus und Dispositiven im Sinne Foucaults gesehen wird, daher scheiden jedoch Disposition und Dispositiv als Übersetzung von „device“ aus (Muniesa et al. 2007, S. 2).
- 2.
Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19, Dezember 1996, betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt.
- 3.
Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG). Zum Zwecke der Unterscheidung wird das Energiewirtschaftsgesetz nach der Marktöffnung als „EnWG 2005“ bezeichnet, und davor „EnWG 1935/78“.
- 4.
In Referenz auf Latour wird der gängige Begriff der „Medien“ in „Mediatoren“ und „Intermediatoren“ aufgeteilt, um die Verlässlichkeit der Durchleitung von Kommunikationen zu bezeichnen. Erfolgt die Durchleitung zuverlässig und ohne Verzerrung durch weitere Aktanten, wird von „Intermediatoren“ gesprochen, sonst von „Mediatoren“ (Latour 2007, S. 37–45).
- 5.
„Naheliegend“ ist eine dezentrale Versorgung insofern, als sie geringere Erzeugungskapazitäten und kleinere Verteilernetze erfordert; aus der Perspektive einer Profitorientierung gilt dies freilich nicht.
- 6.
Auf der Seite mit Erläuterungen zu den Umweltzertifikaten wurde dieser Nutzen weiter erläutert: „Das heißt der Bezug des zertifizierten Ökostromtarifes führt zum Ausbau erneuerbarer Energien. Der Ökostromanbieter muss den Neubau von Kraftwerken auf der Basis erneuerbarer Energien oder effizienter gasbetriebener Kraft-Wärme-Kopplung aktiv fördern. Mindestens ein Drittel des Ökostroms muss in Anlagen erzeugt werden, die nicht älter als sechs Jahre sind. Ein weiteres Drittel der Kraftwerke darf nicht älter als zwölf Jahre sein. Das Zertifikat ist darauf ausgelegt, dass nur Anlagen finanziert werden, die nicht bereits durch das EEG gefördert sind. So werden Doppelförderungen vermieden und der Ausbau neuer Anlagen wird vorangetrieben. Darüber hinaus gelten weitere Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der regenerativen Kraftwerke. So dürfen beispielsweise Windkraftanlagen nicht in Naturschutzgebieten liegen. Auch Strom aus Deponiegas wird ausgeschlossen, da hier Schadstoffe freigesetzt werden.“
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Schraten, J. (2017). Die Klammerung der Energiewende in Webportalen. In: Giacovelli, S. (eds) Die Energiewende aus wirtschaftssoziologischer Sicht. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14345-9_8
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