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Zwischen Anpassung und Autonomie. Psychoanalytische Sozialpsychologie als Kritische Theorie des Subjekts

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Perspektiven kritischer Psychologie und qualitativer Forschung
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Zusammenfassung

Hans-Joachim Busch skizziert in seinem Beitrag die Geschichte psychoanalytischer Sozialpsychologie in Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Der Schwerpunkt seiner Ausführungen liegt dabei auf der sog. zweiten und dritten Generation der Kritischen Theorie, in denen er zwei Lager psychoanalytischer Sozialpsychologie identifiziert: Während in dem Einen, Psychoanalyse als intersubjektive Theorie verstanden und das Potential psychoanalytisch-sozialpsychologischer Gegenwartsdiagnostik skeptisch eingeschätzt werde, halte das Andere – trotz einer Öffnung zu interaktionstheoretischen Ansätzen – an Einsichten der klassischen psychoanalytischen Subjekttheorie und gegenwartsdiagnostischen Ansprüchen fest. Busch vertritt die Auffassung, dass zukünftig beide Ansätze verknüpft werden müssten, um das Projekt psychoanalytischer Sozialpsychologie voranzubringen. Der Beitrag endet mit einigen gegenwartsdiagnostischen Überlegungen, in denen sich der Autor kritisch mit der These einer „postheroischen Persönlichkeit“ (Dornes) auseinandersetzt.

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Notes

  1. 1.

    Einen Anstieg des „Grundangstniveaus seit 1960“ verzeichnet auch Twenge (zit. in Dornes 2012, S. 344).

  2. 2.

    Gleichwohl gibt es auch hier, in diesem Fortschrittsbewusstsein, Brüche. Als Belege dafür dienen Richter (1992, S. 28) die gegenwärtig aufkommende „Angst und Unruhe“, die „Ahnung der Richtigkeit“ von Warnungen vor Fortschrittsrisiken, die diesbezüglichen dumpfen Schuldgefühle.

  3. 3.

    Diese Überlegung bestätigt die bereits von Freud (1974a [1927]) geäußerte Prognose der Zukunft säkularisierter religiöser Illusionen inmitten der aufgeklärten Moderne. Auf diesen inzwischen leider nur zu gut bestätigten Befund missglückter Säkularisierung des Bewusstseins der Moderne gestützt hat Claussen (1993, S. 7) das herrschende Bewusstsein zutreffend als „Alltagsreligion“ charakterisiert. Wenn ich diesen Begriff hier aufnehme, so geschieht dies in – wie ich finde: legitimer – Ausdehnung über die von Claussen darunter gefassten Phänomene von Xenophobie, Antisemitismus und Nationalismus hinaus auf weitere Motivkomplexe wie wissenschaftlich-technische Destruktivität und Konsumismus.

  4. 4.

    Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Finanzkrise hat Haubl (2011, S. 377 f.), bezogen auf die Praxis von Kundenberater*innen, ähnliche Dissoziationsvorgänge festgestellt. Das Wissen, ihre Kund*innen zu belügen, wird konsequent geleugnet.

  5. 5.

    In diesem Sinne argumentiert offensichtlich auch Butler (1997). Sie erachtet das biografisch unausweichliche Triebschicksal des Objektverlusts als geradezu konstitutiv für die Formung des Subjekts, durch das die Melancholie zu einem lebenslangen Begleiter wird. Zugleich liegt in dieser Melancholie, und nur in ihr, der Keim der Auflehnung des Subjekts gegen die Macht.

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Busch, HJ. (2017). Zwischen Anpassung und Autonomie. Psychoanalytische Sozialpsychologie als Kritische Theorie des Subjekts. In: Heseler, D., Iltzsche, R., Rojon, O., Rüppel, J., Uhlig, T. (eds) Perspektiven kritischer Psychologie und qualitativer Forschung. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14020-5_4

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