Zusammenfassung
Der russische Semiotiker und Literaturwissenschaftler Juri Lotman stellte bereits im 20. Jahrhundert eine formale Betrachtungsweise von literarischen Geschichten vor. Zunächst untergliederte er den Text in Räume, die jeweils mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen sind. Ein Ereignis wird als Grenzüberschreitung zwischen diesen Räumen konzeptualisiert. Zusammen mit dem aristotelischen Paradigma, dass jede Geschichte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende besitzt, wird daraus vom Autor ein Modell entwickelt, mit dem man sich auf einfache Weise in der Patientengeschichte orientieren kann. Anfang und Ende der Geschichte sind statisch, die Mitte ist dynamisch. Hier ereignet sich die entscheidende Transformation des Patienten. Spontan gemalte Bilder von Patienten in Therapien bestätigen dieses Modell auf eindrucksvolle Weise, weil auch Bilder ein Geschehen oder einen Zustand räumlich auflösen.
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Wir werden später noch sehen, dass es sich bei der Zustandsänderung eines Patienten oder eines Protagonisten in einem Film oder Roman sehr häufig um eine Erkenntnis handelt, die er im Laufe einer Geschichte erwirbt. Lotman formulierte dies mit seinem „Beuteholschema“: Im Mittelteil einer Geschichte erobert der Held, meist unter Gefahren oder anderen Herausforderungen eine Beute, mit der er dann in den Ausgangsraum zurückkehrt (Lotman 1993, S. 339).
Literatur
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Mayer, C. (2017). Was ist eine Geschichte?. In: Wie in der Psychotherapie Lösungen entstehen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13865-3_2
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