Zusammenfassung
Ausgehend von der aristotelischen Drama- und der modernen Filmtheorie wird ein Blick auf die entscheidenden Wendepunkte in einer Story geworfen. Diese sogenannten „Plot Points“ lassen sich auch in den Lösungsgeschichten von Patienten wiederfinden und therapeutisch nutzen. Die entscheidenden beiden Plot Points strukturieren den Lösungsprozess in 3 Akte, wobei sich im 2. Akt die Komplikationen in einem Maß steigern, dass kurz vor dem 2. Plot Point die Lage völlig aussichtslos erscheint – in Wirklichkeit die Lösung aber unmittelbar bevorsteht. Es wird beschrieben, wie an diesem Punkt „Unwissen wieder zu Wissen“ wird und warum es überhaupt zu der vorausgehenden Eskalation gekommen ist. Der wesentliche Grund ist ein blinder Fleck des Patienten, der ihn die Natur des Problems nicht erkennen lässt, weil er es mit einem früheren verwechselt. Er scheitert, weil er fälschlicherweise die Struktur des alten Problems auf das neue „überträgt“. Interessanterweise beschreibt bereits Aristoteles dieses psychoanalytische Konzept der Übertragung mit seinem Begriff der Hamartia und nimmt in seiner Drama-Theorie auch die Theorie der Plot Points vorweg.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Auch Patientengeschichten beginnen nicht immer am gleichen Punkt einer allgemeinen Lösungsgeschichte. Bei manchen ist das Problem gerade erst entstanden, wenn sie in therapeutische Behandlung kommen, andere haben sich bereits tief in das Problem verstrickt und wieder andere kommen erst kurz vor dem Ende ihrer Geschichte zu einem Therapeuten. Darüber hinaus gibt es auch noch die Situation, dass ein Patient erst nach dem Ende einer abgeschlossenen Geschichte einen Therapeuten aufsucht, weil er im Nachhinein verstehen will, was mit ihm passiert ist. Er befindet sich gleichsam zwischen zwei Geschichten.
- 2.
„Fassungslosigkeit“ ist ein häufiger und charakteristischer Affekt beim Eintritt in die Rätselzone: Die Situation kann nicht verstanden bzw. eingeordnet werden, weil man keinen bekannten Rahmen dafür findet, also keine „Fassung“.
- 3.
Dieses Oszillieren zwischen Diaspora und Rätselzone sehe ich häufiger. Ein lineares Durchlaufen der einzelnen Phasen – wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben – stellt somit in manchen Fällen eine Vereinfachung dar.
Literatur
Brooks, L. (2011). Story engineering. Mastering the 6 core compentencies of sucsess writung. New York: F&W Media.
Erler, M. (2009). Psychagogie und Erkenntnis. In O. Höffe (Hrsg.), Klassiker Auslegen Bd. 38: Aritoteles’ Poetik (S. 123–140). Berlin: Akademie.
Field, S. (2007). Das Drehbuch. Die Grundlagen des Drehbuchschreibens. Berlin: Autorenhaus.
Franz, N. P. (2009). Stalker. Protokoll des Films in der Original- und der deutschen Synchronfassung. Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.
Freud, S. (1895). Studien über Hysterie (1. Aufl.). Leipzig: Franz Deuticke.
Hauser, S. (2007). Strukturmerkmale des Witztextes. In A. Mentzer & U. Sonnenschein (Hrsg.), Die Welt der Geschichten. Kunst und Technik des Erzählens. Frankfurt a. M.: Fischer.
Höffe, O. (2009). Einführung in Aristoteles’ Poetik. In O. Höffe (Hrsg.), Klassiker Auslegen Bd. 38: Aritoteles’ Poetik (S. 1–28). Berlin: Akademie.
McKee, R. (2010). Story: Die Prinzipien des Drehbuchschreibens. Berlin: Alexander.
Stein, P. (2007). Die Orestie des Aischylos. München: Beck.
Tobias, R. (1993). 20 Masterplots and how to build them. Cincinnati: Writer’s Digest Books.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
Copyright information
© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Mayer, C. (2017). Plot Points: die entscheidenden Wendepunkte. In: Wie in der Psychotherapie Lösungen entstehen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13865-3_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-13865-3_12
Published:
Publisher Name: Springer, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-13864-6
Online ISBN: 978-3-658-13865-3
eBook Packages: Psychology (German Language)