Zusammenfassung
Die Frage von Bildung und Teilhabe wird häufig mit räumlichen Modellender Ein- und Ausschließung, des „Drinnen- und Draußen-Seins“ verbunden. Demgegenüber entwickelt der Beitrag das Argument, dass Teilhabe in und durch Bildung systematisch als komplexer Prozess der Biographisierung begriffen werden kann. Um diesen Gedanken auszubuchstabieren, rekurriert er auf die biographietheoretische Unterscheidung zwischen dem gesellschaftlich institutionalisierten Lebenslauf und der Lebensgeschichte, die von sozialen Subjekten in ihrer Lebenspraxis immer wieder neu konstruiert wird. Gesellschaftliche Teilhabe wird – so die zentrale These – einerseits an die intensivierte Norm eines durch Bildungsteilnahme und -titel nachweisbaren Lebenslaufs gebunden, andererseits an die immer wieder neu zu beweisende, ebenfalls intensivierte Leistung der Subjekte, ihre Bildungsbiographie aktiv zu gestalten. Anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Kontexten – Bildungswege im prekären Übergangssystem und im akademischen Feld – wird illustriert, zu welchen Widersprüchen und Verwerfungen diese Normierung und Leistungsanforderung in den Biographien konkreter Subjekte führen kann.
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Dausien, B. (2017). „Bildungsbiographien“ als Norm und Leistung gesellschaftlicher Teilhabe. In: Miethe, I., Tervooren, A., Ricken, N. (eds) Bildung und Teilhabe. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13771-7_5
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