Skip to main content

Part of the book series: Europa – Politik – Gesellschaft ((EPG))

  • 1132 Accesses

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt des Kapitels steht eine Rekonstruktion der Erinnerungen der Bürger in Spanien auf der Grundlage der dort durchgeführten Gruppeninterviews. Wie in den vorangegangenen Kapiteln beschreiben wir zuerst, welche historischen Ereignisse von den Bürgern genannt, welche dieser Ereignisse als besonders wichtig angesehen und wie diese räumlich gerahmt und gedeutet werden. Schließlich rekonstruieren wir die strukturierenden Motive, die den Deutungen zugrunde liegen. Unser zentrales Erkenntnisinteresse gilt auch hier der Frage, in welchem Verhältnis nationale und transnationale Bezüge in den Erinnerungen der Bürger zueinander stehen. Auch wenn die Befragten bei der Nennung von bedeutsamen historischen Ereignissen Themen nennen, die außerhalb von Spanien zu lokalisieren sind, so konzentriert sich ihr Aufmerksamkeitsfokus zunehmend auf das eigene Land, wenn man die Auswahl der drei von ihnen am intensivsten diskutierten Ereignisse betrachtet: Bürgerkrieg und Franquismus, Transición und Kolonialismus beziehen sich in erster Linie auf den spanischen Nationalstaat und werden auch so von den Interviewten gerahmt und gedeutet. Die Sorge um die Rückständigkeit Spaniens im Vergleich zu anderen Gesellschaften und der nostalgische Blick auf vergangene Epochen, in denen Spanien noch eine Weltmacht gewesen war, bilden für die Befragten zentrale strukturierende Motive der Deutung von Geschichte.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Die vier im September 2013 in Madrid durchgeführten Gruppeninterviews bezeichnen wir im Folgenden mit den Kürzeln ES1 bis ES4. Die Gruppen, an denen jeweils zwischen sechs und acht Personen partizipiert haben, unterscheiden sich im Bildungsgrad und in der Auslandserfahrung ihrer Teilnehmer. Bezüglich der Merkmale Geschlecht und politische Einstellungen wurde auf eine möglichst paritätische Zusammensetzung geachtet. Das Alter der Teilnehmer liegt zwischen 25 bis 40 Jahren, was bedeutet, dass die Teilnehmer einige Ereignisse wie das Ende der franquistischen Diktatur 1975 nicht miterlebt haben können.

  2. 2.

    Wir werden im Folgenden den spanischsprachigen Begriff Transición (Übergang) verwenden, da er konkret auf den spanischen Fall bezogen und auch so in die internationale Debatte eingegangen ist.

  3. 3.

    Der Konflikt prägt bis heute die erinnerungspolitischen Debatten und die Ausdeutung der Ereignisse, die sich auch entlang der politischen Lagerbildung zwischen der konservativen Volkspartei (Partido Popular, PP) und den linken Parteien, allen voran der Sozialistischen Partei Spaniens (Partido Socialista de España, PSOE) widerspiegelt.

  4. 4.

    Mit dem Begriff Nationalkatholizismus (nacional-catolicismo) wird die enge Verbindung zwischen Kirche und Franquismus beschrieben. Franco gab sich einerseits betont katholisch und strebte andererseits nach Legitimation durch kirchliche Institutionen. Die Kirche stellte sich schon während des Bürgerkriegs klar auf die Seite der Falange. 1953 schloss Franco ein Konkordat mit dem Vatikan ab.

  5. 5.

    Am 23. Februar 1981 (im Spanischen kurz „23F“) drangen Truppen der spanischen Militärpolizei (Guardia Civil) in die spanische Abgeordnetenkammer ein und nahmen zahlreiche Parlamentarier als Geiseln. Diese Auflehnung wurde jedoch niedergeschlagen. Die Rolle des spanischen Königs Juan Carlos, dem die Beendigung des Putschversuchs angerechnet wird, wird in diesem Zusammenhang besonders positiv bewertet. Zugleich rücken seine ursprünglichen Verbindungen zur Diktatur in den Hintergrund (vgl. Bernecker 2004, S. 709).

  6. 6.

    Sämtliche Namen von Teilnehmern sind Pseudonyme. Zitate aus den Transkripten werden mit einem Sigel gekennzeichnet, z. B. (ES4, S. 17). Dieses gibt das Land und die entsprechende Gruppe (ES4) sowie die Seite des Transkripts (17) an.

  7. 7.

    Seit der Jahrtausendwende fordern einige Bürgerinitiativen, allen voran die Vereinigung zum Wiedererlangen des historischen Gedächtnisses (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica, AMRH), die bisher in anonymen Massengräbern verscharrten Leichname der Opfer des Franquismus zu exhumieren, zu identifizieren und individuell zu bestatten. Diese Forderung führte zu andauernden politischen Kontroversen, auch in der spanischen Öffentlichkeit (vgl. Silva Barrera 2009).

  8. 8.

    Interessant sind in diesem Zusammenhang die Bezugnahmen auf Lateinamerika. Die Teilnehmer sind offenbar der Ansicht, dass diese Region vom spanischen Beispiel lernen könne, was im Kontrast steht zu der Tatsache, dass die Entwicklungen in Spanien umgekehrt oftmals eher als Adaption entsprechender Prozesse in Lateinamerika beschrieben werden können (vgl. u. a. Bauerkämper 2012; Elsemann 2011).

  9. 9.

    In vielen ehemaligen spanischen Kolonien und auch in den USA wird der sogenannte Kolumbus-Tag als Feiertag begangen, allerdings häufig aus postkolonialer Perspektive, also mit einem kritischen Blick auf den Kolonialismus. Einen national-affirmativen Feiertag zur Erinnerung an den spanischen Kolonialismus gab es von 1958 bis 1987 unter dem Begriff Tag der Hispanität (Día de la Hispanidad). Das koloniale Narrativ der Hispanität ist getragen von der Vorstellung einer kulturellen Einheit der spanischsprachigen Welt (vgl. Aguilar Fernández und Humlebæk 2002, S. 137; Bernecker und Brinkmann 2006, S. 220 f.).

  10. 10.

    Die Blaue Division (División Azul), offiziell Spanische Freiwilligendivision (División Española de Voluntarios) war eine Einheit spanischer Freiwilliger, die zwischen 1941 und 1943 in den Reihen der deutschen Wehrmacht am Angriff gegen die Sowjetunion beteiligt war.

  11. 11.

    Isabella I. von Kastilien (1451–1504), auch Isabella die Katholische genannt, war Königin von Kastilien und León und als Gattin Ferdinands II. ab 1479 auch Königin von Aragón – so entstand die Grundlage für ein gesamtspanisches Königreich.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Jürgen Gerhards .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Gerhards, J., Breuer, L., Delius, A. (2017). Erinnerungen der Bürger in Spanien. In: Kollektive Erinnerungen der europäischen Bürger im Kontext von Transnationalisierungsprozessen. Europa – Politik – Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13402-0_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-13402-0_4

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-13401-3

  • Online ISBN: 978-3-658-13402-0

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics