Zusammenfassung
‚Wendezeit‘, ‚the turning point‘, nennt Capra sein berühmtes Werk (Capra 1988). Wenn man sich die Schlagzeilen der letzten Jahre vor Augen führt, könnte man jedoch vielmehr geneigt sein zu sagen, dass wir in einer ‚Krisenzeit‘ leben, in der eine Krise die nächste ablöst; in einer Zeit, in der überall auf dem Globus parallel Krisen auftreten, wieder verschwinden, um mit noch verheerenderen Wirkungen irgendwo wieder aufzutauchen. Capra sah in den neunzehnhundertachtziger Jahren dahinter eher eine Wahrnehmungskrise der westlichen Welt, heute hat man dagegen den Eindruck, es handele sich um empirische Begebenheiten: ‚Börsenchaos‘, ‚Bürgerkriege‘, ‚Chaos statt arabischer Frühling‘, ‚Demokratie-Krise‘, ‚drohende kollektive Altersarmut‘, ‚Energie-Chaos‘, ‚Erdbeben-Katastrophen‘, ‚Euro-Krise‘, ‚Finanzkrise‘, ‚Flüchtlingskrise‘ ‚Globalisierungsfalle‘, ‚Hunger-Katastrophen‘, ‚Klima-Katastrophe‘, ‚Nah-Ost-Konflikt‘, ‚Politikvertrauenskrise‘, ‚Reaktor-Katastrophen‘, ‚Revolutionen‘, ‚Schuldenkrise‘, ‚Tsunami-Chaos‘, ‚Wirtschaftskrise‘ etc.
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
(Paul Watzlawik)
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Gleichwohl ist der Begriff Wendezeit im Zusammenhang mit Krisen durchaus interessant, beinhaltet doch der ursprüngliche griechische Begriff κρισις eine mit einem Wendepunkt verbundene Entscheidungssituation.
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Man erinnere sich beispielsweise an Argentinien 2001, 2014, Island 2008 oder Griechenland 2012, 2015, wo fast oder tatsächlich die jeweilige Regierung einen Staatsbankrott erklären musste, da man nicht mehr in der Lage war, den staatlichen Schuldverpflichtungen nachzukommen.
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Man denke hierbei z. B. an das deutlich höhere Lehrdeputat der Fachhochschulprofessoren im Vergleich zu den Universitätsprofessoren und die deutlich unterschiedlichen Anforderungen bei der Einstellung von Professoren in Bezug auf die beiden Hochschultypen, die jeweils zu ganz anderem Forschungsoutput führen: Während in den Fachhochschulen bei der Auswahl eines Kandidaten für ein Professorenamt der Praxisbezug einen wichtigen Stellenwert einnimmt, spielt in der Universität der Nachweis hochrangiger internationaler Publikationen eine zentrale Rolle.
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Lehrbuchmäßig müsste die Inflation sich mit dem Konjunkturverlauf mitentwickeln. D. h. in der Zeit des Wirtschaftsabschwunges ist die Inflation rückläufig, in der Zeit des Aufschwunges zieht auch die Inflation an. In den neunzehnhundertsiebziger Jahren ließ sich aber beobachten, dass trotz eines Wirtschaftsabschwunges die Inflation auf hohem Niveau verharrte, so dass sie mit dem nächsten Aufschwung noch weiter anstieg (Stagflation = wirtschaftliche Stagnation bei gleichzeitiger Inflation). Die Ursache hierfür lag u. a. in strukturellen Wirtschaftsproblemen und der Antizipation der Inflation z. B. durch die Lohnpolitik der Gewerkschaften, die auf die mit der Inflation verbundenen Reallohnsenkungen zwecks Konjunkturankurbelung nicht mehr „hereinfielen“.
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Es sei bemerkt, dass Pruckner gerade die zunehmende Vernetzung weniger maßgeblich dafür ansieht, dass das Thema Komplexität immer spürbarer wird. Sie sieht die eigentliche Ursache, wie oben angemerkt, in den Daten, Signalen und Informationen, die immer schneller weltweit produziert und verbreitet werden (Pruckner 2005, S. 22).
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Zwei Jahre nach der Gründung verkaufte Levchin die Firma, die er gemeinsam mit seinen Kollegen Peter Thiel und Elon Musk im Jahr 2000 gegründet hatte und rasch zum weltweit bedeutsamsten Online-Bezahlsystem generierte, für 1,5 Mrd. US$ an Ebay. Derzeit (Stand 2014) gibt es ca. 240 Mio. Konten registrierter Nutzer bei Paypal (Lotter 2014, S. 35).
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In einem Experiment hat man dreißig Akademikern Beschreibungen von einem statistischen Zusammenspiel mehrerer Variablen gezeigt. Diese Beschreibungen wurden mit Grafiken untermauert. Die Wechselbeziehungen zwischen den Variablen unterschieden sich in ihrer Komplexität. Es wurde dabei gemessen, wie lange die Teilnehmer für die Lösung der jeweiligen Aufgaben brauchten. Hinterher wurden sie befragt, wie sehr sie von ihren Lösungen überzeugt waren. Dabei zeigte sich, dass die Akademiker mit zunehmender Komplexität schlechter abschnitten und unsicherer wurden. „At the level of the four-way interactions, participants made comments such as ‚Everything fell apart and I had to go back‘“, stellen Halford et al. fest. Lösungen für Aufgabenstellungen, die mit fünf Variablen operierten, lagen dabei im Zufallsbereich. Man schloss aus den Ergebnissen, dass Menschen nicht mehr als vier Variablen gleichzeitig verarbeiten können (Halford et al. 2005).
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Die folgenden Beispiele sind im Wesentlichen entnommen aus: Liening und Mittelstädt (2010).
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Zahlreiche der folgenden fiktiven StartUp-Beispiele sind das Ergebnis mehrerer Brainstorming-Workshops, die die Ideen von Deniz Madanoglu und Cornelius Lahme, Mitgliedern des Lehrstuhlteams des Autors, widerspiegeln.
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Ein ähnliches Beispiel, aber mit zwei gleichartigen, nebeneinander liegenden, leeren Restaurants statt einem, wobei das Lokal sich füllt, für das sich zunächst ein Gast zufällig entschieden hat, beschreibt auch Shiller und wird z. B. auch bei Brost und Rohwetter aufgegriffen (Brost und Rohwetter 2004, S. 37).
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Der Slogan, der im Wahlkampf des am 20. Januar 2009 vereidigten US-Präsidenten Obama, dessen Kampagne zusammenfasste, lautete: ‚Yes, we can change‘ und später nur noch ‚Yes, we can‘.
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Vgl. ausführlich Teil II, Abschn. 4.4.
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Hier sind wir bei einem grundlegenden Prinzip von Wissenschaft angelangt. Die Herausforderungen, die sich dabei jedoch stellen, werden im Kapitel zu den empirischen Methoden (Teil II, Kap. 5) noch näher erörtert.
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Kruse wendet in seinen Arbeiten Erkenntnisse der Neurowissenschaften und der Wissenschaft Komplexer Systeme auf Prozesse in Unternehmen an (Kruse 2010).
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Stand: 19.03.2012, 14.34 Uhr.
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Stand: 19.03.2012, 14.33 Uhr.
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Im Übrigen zeigt dieser Zinseszinseffekt, dass eine gute und einfache Strategie für die private Altersvorsorge lautet: Frühzeitig damit beginnen! Und: Man muss leider zugeben, dass dieses Beispiel eher ein schlechtes Beispiel für den wissenschaftlichen Komplexitätsbegriff darstellt, wie wir später noch erkennen werden; kompliziert mutet es gleichwohl an, komplex ist es jedoch nicht.
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Liening, A. (2017). Wie reagieren wir auf Komplexität? – Eine (nicht nur) verhaltensökonomische Betrachtung für Entrepreneure. In: Komplexität und Entrepreneurship. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13173-9_2
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