Zusammenfassung
„Was können wir wissen?“ Diese Frage beschäftigt, seit sich Immanuel Kant derselben in der ‚Kritik der reinen Vernunft‘ (Kant 1995) gewidmet hat, nicht nur die Philosophen in aller Welt. In einer Zeit, in der ökonomische Katastrophen die globalisierte Welt erschüttern, stellt man diese Frage auch den Wirtschaftswissenschaftlern, die offenbar mit ihren Prognosen z. T. falsch lagen und sich mit ihren Voraussagen an die neuen Faktenlagen permanent anpassen müssen.
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Die ebenso bedeutsame Kantsche Frage: „Was sollen wir tun?“, die die Ebene der Moral trifft, kann hier nicht aufgegriffen werden, soll aber in Abwandlung in „Was können wir (überhaupt) tun?“ zum Schluss des Buches in Ansehung der Ergebnisse der komplexitätswissenschaftlichen Analyse als Ausblick behandelt werden. Wenngleich das Sollen damit noch nicht thematisiert wird, so werden doch zumindest Potentiale denkbaren Handelns aufgezeigt. Viel mehr kann eine Wissenschaft, die sich der Werturteilsfreiheit verschrieben hat, kaum leisten, wenngleich die Differenz und damit auch das Defizit zwischen der Wissenschaft und dem je individuellen Handeln hier offenbar wird.
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Während der Autor diese Zeilen schreibt, befindet er sich in einer Zelle des Klosters Himmerod, wo die Zisterziensermönche seit über 900 Jahre jeden Tag die gleichen Riten und Abläufe zwischen Ora und Labora bewerkstelligen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch morgen früh um 04.30 Uhr der Tag mit den Vigilien beginnt und um 19.30 Uhr mit der Komplet endet, ist sehr hoch; nur an den Sonn- und Feiertagen wird man bereits um 04.15 Uhr beginnen, auch dies ist sehr wahrscheinlich, hat sich doch seit dem Jahr 1134, in dem das Kloster hier gegründet wurde, daran nichts geändert.
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Dieses Beispiel mag zwar im Detail keine historisch belegbare Entwicklung darstellen, wie die Rolle zeigt, die Nicolaus August Otto damals faktisch einnahm, oder auch die Tatsache, dass andere Mitstreiter wie Carl Gustav Benz etc. hier ebenfalls erwähnt werden müssten. Das Beispiel verweist aber anschaulich auf die grundsätzliche Herausforderung, wenn Innovationen unerwartet auf Märkte dringen und die Kraft besitzen, diese zu überrollen.
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Der Ökonom Friedrich August von Hayek erhielt 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft. Er kann als ein Vertreter des Liberalismus gewertet werden, der sich z. B. kritisch mit den Ausführungen seines Zeitgenossen John Maynard Keynes beschäftigt hat, dessen nachfrageorientierte Konzepte der Globalsteuerung er in Frage stellte.
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Modelle lassen sich als materielle oder immaterielle Systeme interpretieren, die andere Systeme darstellen, so dass experimentelle Manipulationen der abgebildeten Strukturen und Zustände möglich werden. Vgl. Niemeyer (1977, S. 57).
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Bei linealen Systemen handelt es sich um Konzeptionen, in denen die Elemente des Systems als Kette hintereinander angeordnet sind. Da in einer derartigen Struktur im Gegensatz zu nicht-linealen Systemen Rückkopplungsschleifen fehlen, wird ein vordefiniertes Verhalten abgearbeitet, ohne dabei auf endogene oder exogene Ereignisse zu reagieren. Lineale Systeme sind oftmals mathematisch linear, nicht-lineale Systeme hingegen vielfach nicht-linear.
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Unter einer Trajektorie versteht man die Entwicklungslinie eines dynamischen Systems. Es beschreibt die Bahn, die ein System von einem bestimmten Ausgangspunkt beginnend im Laufe seiner dynamischen Entwicklung im Phasenraum vollzieht. Der Phasenraum ist dabei der Raum, der von den zeitlich veränderlichen Variablen eines dynamischen Systems aufgespannt wird. Bewegt sich die Trajektorie in einen ‚attraktiven‘ dynamischen Zustand, spricht man auch von einem Attraktor als Teilmenge eines Phasenraumes. Man unterscheidet vier Arten von Attraktoren, die als Fixpunkt-, Grenzzyklus-, Torus- und Chaotischer bzw. Seltsamer Attraktor bezeichnet werden.
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Vgl. hierzu z. B. die Ausführungen zur Grammar Complexity in: Strunk und Schiepek (2006, S. 203 ff.).
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Der Autor hat früher von einer Theorie statt von Wissenschaft gesprochen. Weil eine Theorie aber wesentlich konkreter, zugleich in sich widerspruchslos bzw. kohärenter ist, als dies der Begriff ‚Wissenschaft‘ suggeriert, wird hier nunmehr von den Komplexitätswissenschaften gesprochen. Wir schließen uns damit Henning Bandte an, der betont: „Trotz zahlreicher Autoren, die bereits von einer Komplexitätstheorie sprechen (mea culpa, der Verf.), sollte besonders vor dem Hintergrund der uneinheitlichen begrifflichen Verwendung (…) überprüft werden, ob es nicht verfrüht ist, von einer ausgewachsenen etablierten (…) Theorie zu sprechen“ (Bandte 2007, S. 79).
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Der Begriff wurde vom Autor erstmals im gleichnamigen Aufsatz 2009 verwandt (Liening 2009).
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Zur populärwissenschaftlichen Literatur sei z. B. hingewiesen auf: Bestenstreiner (1991).
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Einige Abschnitte wie z. B. Teile des historischen Kapitels (Kap. 3) oder der Theorieteil (Kap. 4) wurden bereits vor über zwanzig Jahren verfasst und erstmals in Liening (1998) publiziert. Sie haben bis heute nicht an Aktualität eingebüßt, wurden hier gleichwohl z. T. präzisiert, vertieft und ergänzt. Da diese betreffenden Passagen an Gültigkeit jedoch nicht verloren haben, erscheint es nicht sinnvoll, diese im Folgenden noch einmal mit anderen Worten auszudrücken. Und so stellen die verarbeiteten älteren Aspekte einerseits die Basis für die Beschreibung und Erarbeitung der neuen empirischen Methoden dar und andererseits werden sie einem neuen Adressatenkreis im Rahmen eines gänzlich anderen Anwendungsgebietes als damals zugänglich gemacht. Im Kontext dieses Buches geben diese Abschnitte damit in der Gesamtschau zudem ein runderes Bild ab, als in ihrer Erstpublikation. In den vergangenen Jahren wurde dabei insbesondere immer wieder die Synergetik aufgegriffen und in Publikationen verwertet (Liening 1998, 2006, 2007, 2009, 2013, 2015). In diesem Buch führen die Erkenntnisse aus über zwanzig Jahren Forschungs- und Publikationstätigkeit zu einem synergetischen Gesamtkonzept, das erstmals und in der inhaltlichen Fokussierung auf Entrepreneurship hier vorgestellt wird.
Literatur
Bandte, H. (2007). Komplexität in Organisationen. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
Bestenstreiner, F. (1991). Der phantastische Spiegel. Quanten, Quarks, Chaos – Oder vom Trost, der aus der Formel kommt. Frankfurt a. M.: Fischer-Taschenbuch.
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Hayek, F. A. von. (2003). Arten der Ordnung (1963). In F. A. von Hayek (Hrsg.), Rechtsordnung und Handelsordnung – Aufsätze zur Ordnungsökonomik (S. 15–29). Tübingen: Mohr Siebeck.
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Liening, A. (1998). Komplexe Systeme zwischen Ordnung und Chaos. Münster, Hamburg: LIT.
Liening, A. (2006). iLearning – Ein synergetischer Ansatz zum selbstorganisierten Lernen im Rahmen ökonomischer Bildung. In E. Brunner & T. Meynhardt (Hrsg.), Selbstorganisation Managen. Beiträge zur Synergetik der Organisation (S. 179–205). Münster, New York, München, Berlin: Waxmann.
Liening, A. (2007). Ökonomische Chaostheorie. In H. May (Hrsg.), Lexikon der Ökonomischen Bildung. München: Oldenbourg.
Liening, A. (2009). Complexonomics – Über den Zusammenbruch des Laplaceschen Weltbildes und die Anmaßung des Wissens in der Ökonomie. In J. Weyer & I. Schulz-Schaeffer (Hrsg.), Management komplexer Systeme – Konzepte für die Bewältigung von Intransparenz, Unsicherheit und Chaos (S. 91–118). München: Oldenbourg.
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Liening, A. (2015). Ökonomische Bildung – Grundlagen und neue synergetische Ansätze. Berlin, Heidelberg: Springer-Gabler.
Morecroft, J. (2009). Strategic modelling and business dynamics. Chichester: Wiley.
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Niemeyer, G. (1977). Kybernetische System- und Modelltheorie: System Dynamics. München: Vahlen.
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Strunk, G. (2009). Die Komplexitätshypothese der Karriereforschung. In A. Liening (Hrsg.), Komplexe Systeme und Ökonomie (Bd. 2). Frankfurt a. M.: Peter Lang.
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Liening, A. (2017). Einführung. In: Komplexität und Entrepreneurship. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13173-9_1
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