Zusammenfassung
Let’s Plays bieten sich an, als Medienprodukt verstanden zu werden und als Format, das die ihm vorausgehenden Spiele in bestimmter Weise ausstellt und vermittelt. Dieser Artikel entwirft hierzu eine Gegenperspektive, die Let’s Plays zusätzlich als Prozess zu begreifen sucht, der im Wechselspiel seiner Beteiligten eine eigene Dynamik und Kreativität ausbildet. Anhand dreier Grenzfälle, bei denen Let’s Plays ihre Spiele nicht zeigen, sondern überlagern und ersetzen bzw. auf Spiele verweisen, die überhaupt nicht existieren, sondern vom Let’s Play erfunden wurden, wird aufgezeigt, dass bei Let’s Plays nicht bloß eine Person für ein und vor einem Publikum spielt. Stattdessen kooperieren SpielerInnen, Publikum und Format in einem Nicht-Spiel, das über einzelne, angeblich präsentierte Titel hinausweist und sich von ihnen emanzipiert, zugunsten eines Spielens zweiter Ordnung. Dies zwingt dazu, Konzeptionen von Let’s Plays weitaus komplexer auszulegen und zeigt zudem potenzielle Perspektiven für Game Studies insgesamt auf.
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Notes
- 1.
Die in diesem Text referenzierten Let’s Plays stammen aus dem entsprechenden Forum der Internetseite Something Awful. Vollständiger Zugriff ist leider nur mit einem Account möglich, jedoch findet sich dort die erste und eine der mit Abstand größten Communities für Let’s Plays. Vereinzelt werden die dortigen Let’s Plays, im Falle von Videos, auf YouTube hochgeladen oder nach ihrer Fertigstellung vom Let’s Play Archive archiviert und sind so extern zugängig, ihr ursprünglicher Kern bleibt jedoch der jeweilige Forenthread. In ebendiesem wird nicht nur ihr Verlauf sichtbar, sondern zudem die Beteiligung der RezipientInnen, die im Habitus und Möglichkeitsraum des Forums deutlicher hervortritt als bei Let’s Plays die ausschließlich z. B. YouTube als Plattform nutzen.
- 2.
Sprachlich ließe sich diese Verlagerung auch als Übergang von ‚game‘ zu ‚play‘ differenzieren, d. h. als Trend zu den freieren, assoziativen Aspekten des Spielbegriffs, in einer Gegenbewegung zu der Privilegierung der regelzentrischen, formalisierenden Aspekte, die sich bei mehreren AutorInnen aus dem Feld der Game Studies und in der Praxis, z. B. der Gamification, beobachten lässt.
- 3.
Fanart, d. h. Zeichnungen, Comics, Audioaufnahmen und dergleichen zu denen Fans und RezipientInnen eines Medienprodukts durch dieses inspiriert wurden, sind allgemein für Let’s Plays nicht unüblich, auch über den Fall von Boatmurdered hinaus. Im Forenkontext, der derartige Beteiligung natürlich begünstigt, wird oft in den einleitenden Beiträgen eines Let’s Plays von Beginn an Platz für erwartete Kreationen der ZuschauerInnen reserviert.
- 4.
Ein sehr ähnlicher Fall ist das Let’s Play zum MMO Star Wars: The Old Republic (BioWare 2011), das insgesamt zweieinhalb Jahre dauerte und in dieser Zeit über den ursprünglichen Spieler hinaus mehrere zusätzliche Let’s PlayerInnen anzog, die zu großen Teilen die Spielfiktion und -welt, inkl. anderer SpielerInnen, nutzten, um eigene Geschichten und Handlungsstränge ihres jeweiligen Avatars zu erzählen (vgl. Moon Slayer 2012).
- 5.
Entsprechende Positionen finden sich unter anderem bei Huizinga (2011), Caillois (1960), sowie Salen und Zimmerman (2004). Für ein markantes Gegenbeispiel vgl. McGonigal (2011), die Kooperation als das wichtigste Element von Spielen ansieht und daraus sogar einen potentiellen Weg der Weltrettung entwirft.
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Othold, T. (2017). Let’s Not Play – Kooperatives Nicht-Spielen. In: Ackermann, J. (eds) Phänomen Let´s Play-Video. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12936-1_4
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