Zusammenfassung
Am Beispiel des Landesverbandes Nordrhein des Deutschen Roten Kreuzes wird eine umfassende Verbandsreform beschrieben, die die langfristige wirtschaftliche Stabilität des Landesverbands mit seinen ideellen Aufgaben sichert. Grundlage ist die verstärkte Durchführung eigener operativer Aufgaben in der Sozialwirtschaft. Damit werden dauerhaft Overheadstrukturen gesichert, und der Landesverband erreicht die für seine idealverbandliche Arbeit notwendige Unabhängigkeit. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Funktionen und Aufgaben intransparent verflochten sind und/oder sich die der Marktlogik unterworfene operative Arbeit von der ideellen Verbandsausrichtung entfernt. Der Beitrag beschreibt, mit welchen strukturellen Maßnahmen diese Probleme gelöst wurden und wie die Umsetzung in einem Prozess unterschiedlicher Geschwindigkeiten gelingen konnte.
*Nach Redaktionsschluss des vorgenannten Fachbeitrages erfolgte eine Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) durch das Bundesfinanzministerium (BMF) vom 26.01.2016 in Verfolgung eines BFH-Urteils vom 27.11.2013 (I R 17/12) – mit der Konsequenz, dass die Vorgaben der Finanzverwaltung zur Gewinnerzielung und Gewinnverrechnung bei Zweckbetrieben nach § 66 AO zu einer deutlichen Verschärfung und Verkomplizierung der Rechtslage „führen“ (Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. [BAG FW] vom 04.04.2016 an den Bundesminister der Finanzen, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble).
Von besonderer Problematik ist die Versäulung, die Bildung von Sparten bei einzelnen Zweckbetriebsregelungen gemäß § 65 ff. AO, wovon auch darüber hinaus die ideellen Aufgaben nach § 68 betroffen sind: nach vorläufiger Lesart ist eine Quersubventionierung der Zweckbetriebe zwischen den Sparten gemäß § 65, 66 und 68 im Wesentlichen nicht mehr möglich, wie auch nicht in den Bereich von ideellen Tätigkeiten; lediglich die Mitfinanzierung verschiedener Zweckbetriebe innerhalb der Gruppe des § 66 (AO sollen unschädlich sein.). Eine aktuelle steuerrechtliche Einschätzung findet sich bei Kirchhain, Dr. Christian, Der neue Anwendungsanlass zur AO, neue Herausforderung für gemeinnützige Körperschaften in: Deutsches Steuerrecht, Heft 9, Seiten 505–560, 4. März 2016.
Eine Beibehaltung der aktuellen Fassung der AEAO könnte – so auch der Tenor der BAG FW-Stellungnahme – zu einer grundlegenden Existenzgefährdung der Freien Wohlfahrtspflege führen. Die weitere Entwicklung verdient daher besondere Aufmerksamkeit.
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- 1.
Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Nordrhein e. V., Düsseldorf, nachstehend: DRK LV NR oder Verbandsbeispiel genannt; Mitglied des Deutsches Rotes Kreuz e. V., Berlin, als einer von 19 Landesverbänden; Mitglieder: z. Zt. 29 Kreisverbände im Wirkungsbereich der Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln, Spitzenverband (SpV) der Nationalen Hilfsgesellschaft und der Freien Wohlfahrtspflege (FW) in NRW, zusammen mit dem DRK-Landesverband Westfalen-Lippe.
- 2.
Die Notwendigkeit und das Instrumentarium eines strategischen Managements bzw. strategischen Controllings (Tiebel 1998) wurden im Verbandsbeispiel bereits in den 1990er Jahren gesehen bzw. eingesetzt; dieser Vorlauf erleichterte die Implementierung des gesamtverbandlichen Strategieprozesses und ermöglichte sogar teilweise eine Vorreiterrolle. Becher unterstreicht ebenfalls bereits 2002 die Notwendigkeit von Strategieentwicklungen, wonach vergangenheitsbezogene Daten und Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung angesichts einer zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit in der Sozialwirtschaft nicht ausreichten (2002)
- 3.
Gemeint ist hier auch der innerverbandliche Markt, also die Leistungsangebote der verbandlichen Untergliederungen als „Kunden“ des DRK LV NR in seiner Spitzenverbandsfunktion.
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Als „Projekt 2020“ (2009–2012) erarbeiteten alle Bereiche des DRK LV NR die jeweiligen strategischen Ziele und nahmen hernach eine Differenzierung in konkrete Arbeitsfelder, Einzelaufgaben und Projekte incl. Priorisierungen vor.
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So wurde beispielsweise das sozialpolitisch hoch relevante Komplexfeld „Arbeit/Arbeitslosigkeit“ zurückgestellt, da es im Verband im Vergleich zu anderen Aufgabenfeldern nachgeordnet ist: Ein diesbezüglicher Strategiewechsel wäre mit einem erheblichen qualitativen und quantitativen Ressourcenaufwand verbunden und widerspräche dem o. a. Prinzip der Ausrichtung nach Kernkompetenzen.
- 6.
Präsidiumsentscheidung 08/2014.
- 7.
Auf die weiteren verbandlichen Merkmale (Grundsätze, Rolle des Ehrenamtes, internationale Vernetzung mit anderen Rotkreuz-Gesellschaften) wird hier nicht näher eingegangen sondern nur kursorisch verwiesen.
- 8.
Siehe eine aktuelle Studie von Rudolf Martens zur tendenziellen Unterfinanzierung der ambulanten Pflege (Martens 2015).
- 9.
Vgl. Arnold, der von „Sozialwirtschaftlichen Organisationen (SWO)“ spricht (Arnold 2002).
- 10.
Beratungsstellen, Kleiderkammern; es gibt darüber hinaus Angebote, bei denen sogar ein gesetzlich festgelegter Eigenanteil für die Leistungserbringung erbracht werden muss, z. B. für Kitas in NRW mindestens 9 %, vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern tw. sogar höher.
- 11.
Hier nachstehend als Betriebsgesellschaft bezeichnet.
Literatur
Arnold, U. (2002). Sozialwirtschaften in der Zukunft – Verbindung von. Sozialverpflichtung und Markt? In B. Maelicke (Hrsg.), Strategische Unternehmensentwicklung in der Sozialwirtschaft (S. 39–45). Baden-Baden: Nomos.
Becher, B. (2002). Warum strategische Unternehmensentwicklung auch in Sozialunternehmen? In B. Maelicke (Hrsg.), Strategische Unternehmensentwicklung in der Sozialwirtschaft (S. 46 ff.). Baden-Baden: Nomos.
Flierl, H. (1992). Freie und öffentliche Wohlfahrtspflege (2. Aufl.). München: Verlagsgruppe Jehle-Rehm.
Leinwand, P., & Mainardi, C. (2010). Die Stärken des Unternehmens richtig nutzen. Harvard Business Manager, 09(2010), 72–80.
Martens, R. (2015). Studie Unternehmensrisiko Pflege. Sozialwirtschaft aktuell – Infodienst für das Management in der Sozialwirtschaft, 04(2015), 1–4.
Neuses, G. (1997). Marktorientierungen sozialer Einrichtungen, Interview durch Kaiser, Jana. In H. C. Vogler & J. Kaiser (Hrsg.), Neue Anforderungsprofile in der Sozialen Arbeit. Probleme, Projekte, Perspektiven (S. 173 ff.). Aachen: Kersting.
Oppl, H. (1994). Quo vadis Wohlfahrtspflege? Zwischen Idealverein und Zweckbetrieb, Vortrag DRK Nordrhein e. V. Düsseldorf.
Ottnad, A., Wahl, S., & Miegel, M. (2000). Zwischen Markt und Mildtätigkeit. Die Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege für Gesellschaft, Wirtschaft und Beschäftigung. München: Olzog Verlag.
Tiebel, C. (1998). Strategisches Controlling in Non Profit Organisationen. München: Vahlen.
Wendt, W. R.(Hrsg.). (2014a). Die Evolution der Wohlfahrtspflege. Ihr Herkommen und ihre Institutionalisierung. Sorgen für Wohlfahrt (S. 37 ff.). Baden-Baden:Nomos.
Wendt, W. R. (Hrsg.). (2014b). Sorgen für Wohlfahrt, Blätter der Wohlfahrtspflege, Sonderband 2014 (hierin Beiträge insbesondere von: Cremer, Georg, Stadler, Wolfgang, Mühlhausen, Marius).,. Baden-Baden: Nomos.
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Schmidt, D., Krabs-Höhler, H. (2017). Reformprozesse unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Ideale wahren und Marktfähigkeit sichern durch strategische Neuausrichtung eines Landesverbandes*. In: Nowoczyn, T. (eds) Die Wohlfahrtsverbande als föderale Organisationen. Sozialwirtschaft innovativ. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12914-9_9
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