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Part of the book series: essentials ((ESSENT))

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Zusammenfassung

Sauerbruch war kein  organisierter Nationalsozialist und auch kein uneingeschränkter Befürworter nationalsozialistischer Ideologie und Praxis, er trat nicht der NSDAP bei und er verweigerte sich demonstrativ besonders dem Antisemitismus; aber er hat sich doch zweifellos in Dienst des NS-Staates nehmen lassen, wenngleich sein prätentiös autoritärer Habitus auch der Naziclique gegenüber gelegentlich sperrig daher kam. Sauerbruch war auch für die Nationalsozialisten kein einfacher Zeitgenosse, aber nicht jede Aufmüpfigkeit war Regimekritik oder gar Widerstand. Bei einem der inflationären NS-Feiertage 1933 auf dem Dach der chirurgischen Klinik die 1918 von der Klinik erworbene Reichsflagge statt des roten Tuchs mit der Hakenkreuz-Rune zu hissen, war noch kein Widerstand, sondern eher Trotz: Sauerbruch war „dem Dritten Reich bisher noch nicht vorgestellt worden“. Und kann man die Opposition des überzeugt naturwissenschaftlich orientierten Arztes, etwa in der Eröffnungsrede der 94. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte vom 20. September 1936 in Dresden, gegen die bald gescheiterte ideologische Kapriole der Neuen Deutschen Heilkunde bereits Regimekritik nennen? Freilich, Sauerbruch war mit seiner vehementen Ablehnung des faden Konglomerats aus Naturheilkunde, irrationaler Heilmystik und unwissenschaftlicher, kaum medizinisch zu nennender Spekulation für manchen Wirrkopf des Regimes „unter die Ketzer“gegangen, dem Führerprinzip der NS-Medizin und damit der einen Rollenzuweisung aber treu geblieben. Naturwissenschaftliche Medizin hat für Sauerbruch Hippokrates und Paracelsus als Kronzeugen und Führer. Wer als Vertreter der „Arztkunst“ nicht paracelsisch „Wissen und Können“ verkörpert, war „Volksfeind“. Sauerbruch wollte nicht Volksfeind sein, wohl aber dem Ideal des ärztlichen Führers entsprechen; und dieses Ideal war Teil der NS-Gesundheitsführung wie kein anderes.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Flachowsky, Sören: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat – Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008. – Sauerbruch stand dem Leiter des Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (inoffiziell auch „Reichswissenschaftsministerium“ und „Reichserziehungsministerium“ REM genannt), Bernhard Rust (1883–1945) auch persönlich nah; zudem war Rust Sauerbruchs Patient, sodass seine Ernennung zum Fachspartenleiter des Reichsforschungsrates nicht überrascht. Bereits bald nach dem Machtwechsel 1933 war Sauerbruch unmittelbar in alle Entscheidungsprozesse hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Notgemeinschaft, resp. der DFG einbezogen worden. Von Wilhelm Frick (1877–1946), seit dem 30. Januar 1933 Reichsminister des Inneren, war Sauerbruch für den neuen Hauptausschuss der DFG vorgesehen worden; Bernhard Rust favorisierte Sauerbruch als einen der vier Präsidenten einer Reichsakademie der Forschung. – Flachowsky, ebenda, S. 240.

  2. 2.

    Vgl. die Doc. Nr. 472 und 228 des Ärzteprozesses bei Mitscherlich, Alexander; Mielke, Fred (Hg.), Das Diktat der Menschenverachtung, Heidelberg 1947, 83–84. In diesem Zusammenhang hieß es über die bei dem Vortrag Gebhardts anwesenden führenden Ärzten: „Von keinem dieser Ärzte wurde Kritik an Experimenten geübt. Dem Vortrag folgte eine Diskussion, woran sich Dr. Frey, Prof. Dr. Sauerbruch und Prof. Heubner beteiligten, doch wurde auch ihrerseits keine Kritik laut.“

  3. 3.

    Ebd. – „Dieses Affidavit beweist ohne Zweifel, daß die Kenntnis von den verbrecherischen Experimenten den führenden Stellen der medizinischen Welt in Deutschland zuging… Das waren Leute, die eine Stellung und die Pflicht hatten, Schritte zu unternehmen, solche Dinge nicht stattfinden zu lassen“.

  4. 4.

    Vgl. hier auch den knappen Beitrag von Johannes Steinwachs, Das Tumorforschungsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft und seine Ergebnisse, in: 100 Years of Organized Cancer Research, hrsg. von Wolfgang U. Eckart, Stuttgart: Thieme 2000, S. 57–61. Die von ihm 1991 vorgelegte Dissertation zum Reichsforschungsrat berücksichtigt die Einzelförderungsakten des Bestandes R 73 nur punktuell liefert aber wichtige Anhaltspunkte für vertiefende Studien. Johannes Steinwachs, Die Förderung der medizinischen Forschung in Deutschland durch den Reichsforschungsrat während der Jahre 1937 bis 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Krebsforschung, Diss. med., Masch.-Man., Leipzig 2000, Leipzig, Univ., Diss., 2000.

  5. 5.

    BarchKo, R73/12388, Borst an Breuer, 22. Oktober 1937: „Wenn Herr Sauerbruch als Vorsitzender des Reichsforschungsrates für Medizin Mittel für Krebsforschung bewilligt, ohne dass ich davon Kenntnis habe, so ergibt sich für mich als notwendige Folge, dass ich mich von dem von mit aufgestellten Programm zurückziehe. Ich bitte um Aufklärung“.

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Eckart, W. (2016). Sauerbruch und die NS-Forschung. In: Ferdinand Sauerbruch – Meisterchirurg im politischen Sturm. essentials. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12547-9_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-12547-9_8

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  • Publisher Name: Springer, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-12546-2

  • Online ISBN: 978-3-658-12547-9

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