Zusammenfassung
Um besser abschätzen zu können, wie sich die Situation in den einzelnen volkswirtschaftlichen Bereichen – oder „Baustellen“ – weiter entwickelt, ist es hilfreich, unterschiedliche Kennwerte bei wichtigen Variablen anzunehmen und zu überprüfen, wie sich diese auf die Gesamtsituation auswirken. Dabei entstehen so genannte Szenarien, aus denen weitere Zusammenhänge erschlossen und Erkenntnisse gewonnen werden können.
In der heutigen Situation ist eine Fortsetzung der Niedrig- oder Negativzinspolitik bei gleichzeitiger Aufblähung der Geldmenge am wahrscheinlichsten. Alternativen sind heute schwierig zu erkennen, und nicht umsonst hat das amerikanische Fed die Heraufsetzung der Zinsen von Monat zu Monat verschoben.
In Bezug auf die Inflation stellt sich die Frage, wie verlässlich die offiziellen Inflationsberechnungen überhaupt sind. Je nachdem kann sie aktuelle Situation als Vermögens- und Sachwertinflation gesehen werden – bei Null- oder Negativteuerung im Konsumgüterbereich – oder als einzig durch die expansive Geldpolitik kompensierte und damit sozusagen verdeckte Deflation, die sonst deutlich stärker wäre. Auch hier scheint eine Alternative schwierig, weil einerseits mit einer längeren Wachstumsphase infolge gesteigerten Nachfrage kaum zu rechnen ist, und anderseits nicht wenige Regierungen eine extensive Sparpolitik betreiben.
An der Schuldenfront hat sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise nur wenig geändert. Die staatlichen Schulden bleiben hoch und in einer Reihe von Ländern wächst auch die private Verschuldung.
Vorausgesetzt, es kommt nicht zu einem größeren Krieg oder zu flächendeckenden Umweltkatastrophen, welche anschließend zu einem massiven Wiederaufbaubedarf führen, dürften ein langfristig sinkendes oder stagnierendes Wirtschaftswachstum zur Regel werden, gerade auch in den emerging states. Dazu kommt, dass das Wirtschaftswachstum durch verstärkte Nutzung natürlicher Ressourcen früher oder später an sein Ende kommen wird – auch wenn Substitutionsprozesse und technische Innovationen diesen verzögern oder zeitweise umkehren können.
Die nationalen Arbeitsmärkte werden tendenziell weniger Arbeitskräfte absorbieren können, was zu verstärkter Konkurrenz unter den Arbeitsuchenden und Arbeitnehmern führen wird, und zu tendenziell sinkenden Löhnen sowie zunehmend prekäreren Arbeitsbedingungen. Diese Entwicklung ist bereits voll im Gang und wird durch die großen Migrationsbewegungen noch verstärkt.
Im Bereich der internationalen Investitionen werden sich die Auseinandersetzungen zwischen Investoren und nationalen Regierungen eher verstärken, wobei die Position der internationalen Investoren eher stärker wird und die der nationalen Regierungen eher schwächer. Die Bemühungen um transatlantische und transpazifische Handelsräume sowie neue Investitionsschutzabkommen dürften kleinen und mittleren Unternehmen zunehmend zu schaffen machen, aber auch vielen Nationalstaaten.
Schließlich könnte sich der internationale Steuerwettbewerb dermaßen verschärfen, dass viele Peripheriestaaten und arme Länder zunehmend marginalisiert werden und die einfachsten Staatsaufgaben nicht mehr finanzieren können, während die transnationalen Unternehmen nach wie vor ihre Steuern optimieren können und aufgrund eines fehlenden globalen Steuerregimes von Niedrigsteuerländern profitieren. Das wirkt sich angesichts der weltdemografischen Entwicklung und der Zunahme von kriegerischen Hotspots sowie des globalen Terrorismus verheerend aus.
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Jäggi, C. (2016). Szenarien. In: Volkswirtschaftliche Baustellen. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11996-6_2
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