Zusammenfassung
Im Jahre 2004 erkannte der Bundesminister der Verteidigung dem Jagdgeschwader 74 den Traditionsnamen „Mölders“ ab. Das formal verfügte Vergessen an den seit 1973 in dieser Weise erinnerten Werner Mölders, eines 1941 bei einem Flugunfall umgekommenen Offi ziers und Fliegerhelden des nationalsozialistischen Deutschlands, beendete jedoch keineswegs das informelle Andenken. In mehrfacher Hinsicht ist die sogenannte Causa Mölders beispielhaft dafür, wie Erinnern und Vergessen innerhalb der Großorganisation Bundeswehr stattfand und zum Teil noch stattfi ndet. Die Etablierung des Namens als intentional sinnstift endes Element gibt den Blick auf die erinnerungspolitische Handlungsebene frei, die unterschiedliche Hierarchiestufen überspannt und vielerlei Akteure einschließt. Die Schaff ung eines diesbezüglichen sozialen Netzwerkes verdeutlich, dass sich innerhalb einer durch tiefgreifende, verbindliche Regelwerke konstruierten Organisation – ein besonderes Spezifi kum von Streitkräft en – durchaus oder gerade deshalb milieuspezifi sche, gleichsam alltagspraktische Erinnerungsformate entwickeln können, die lange wirksam sind und auch Umbrüche überdauern können. Der Prozess um die Namensaberkennung demonstriert schließlich zweierlei: Zum einen ist zu erkennen, dass neue und alte Wissensbestände über die Zeitachse hinweg utilitaristisch umformatiert wurden. Zum anderen erweist sich die Wirksamkeit eines jahrzehntelangen Erinnerungs- und off ensichtlichen Identitäts- und Sinnstift ungsagenten darin, dass ein von der hierarchisch gegliederten Gesamtorganisation verfügtes Vergessen nicht unbedingt zu einem Vergessen in entsprechenden Organisationsteilen oder Milieus führen muss.
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Schmidt, W. (2016). Organisiertes Erinnern und Vergessenin der Bundeswehr. In: Leonhard, N., Dimbath, O., Haag, H., Sebald, G. (eds) Organisation und Gedächtnis. Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11827-3_9
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