Zusammenfassung
Die verfassungsrechtliche Eheschließungsfreiheit sichert insbesondere Frauen die freie Entschließung zur Ehe sowie die Wahl des Partners. Ihr hoher Stellenwert hängt historisch auch am mit der Ehe verbundenen Zugriff auf den weiblichen Körper. Heute ist die Ehe dagegen in allererster Linie Beistandsgemeinschaft; Sexualität ist rechtlich weder auf die Ehe beschränkt noch in ihr einforderbar. Dennoch wird die Sexualität quasi durch die Hintertür wieder rechtlich bedeutsam, wenn sie als Indikator für das Vorliegen einer Scheinehe und damit für die Versagung des Familiennachzugs fungiert, eingebettet in heteronormative Ordnungsvorstellungen und intersektionale Geschlechterstereotype. Umgekehrt steht der Schutz der sexuellen Autonomie im Zentrum des Verbots von Zwangsehen. Neben einer Ergänzung des Strafgesetzbuches ist auch hier der Hauptansatzpunkt der aufenthaltsrechtliche Familiennachzug. Die Maßnahmen der Wahl – Mindestalter und Spracherfordernis – basieren wiederum auf ethnisierten, altersdifferenzierten und schichtspezifischen Geschlechterstereotypen. Sie werfen nicht nur verfassungsrechtliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit auf, auch ihre Stigmatisierungswirkung ist gerade im Kontext rassistisch aufgeladener und vergeschlechtlicher Islamdiskurse für eine echte Autonomiesicherung kontraproduktiv.
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Markard, N. (2017). Eheschließungsfreiheit im Kampf der Kulturen. In: Lembke, U. (eds) Regulierungen des Intimen. Geschlecht und Gesellschaft, vol 60. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11749-8_7
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