Zusammenfassung
Die empirische Forschung zu ‚Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit‘ (GMF) ist ein Ansatz, der Diskriminierung begünstigende Einstellungen untersucht und seit den 2000er-Jahren erhebliche Prominenz erfahren hat. Schwerpunktmäßig auf das quantitative Ausmaß entsprechender Orientierungen bei Erwachsenen bezogen, blendet sie allerdings die detaillierte Analyse biografischer Prozesse der Entstehung, Entwicklung und Abstandnahme von Ablehnungshaltungen bei jüngeren Menschen aus. Das Konzept der pauschalisierenden Ablehnungskonstruktionen (PAKOs) stößt in diese Lücke. Es sucht die (De-)Konstruktionsprozesse antisemitischer und antimuslimischer Haltungen, herkunfts- und migrationsbezogener sowie stilbezogener und territorialisierender Ablehnungshaltungen ebenso wie Ablehnungen im Kontext der hegemonialen Geschlechterordnung und solche gegenüber gesellschaftlichem ‚underperforming‘ zu verstehen; dies vor dem Hintergrund eines Modells, das unter der akronymischen Bezeichnung KISSeS darauf fokussiert, ob und in welcher Weise Lebensgestaltungsbedürfnisse nach Kontrolle, Integration, Sinnerfahrung und sinnlichem Erleben im Kontext von erfahrungsstrukturierenden Repräsentationen und Selbst- und Sozialkompetenzentwicklungen Erfüllung erfahren.
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Notes
- 1.
Neben dem gängigen Verständnis von Diskriminierung, das diese als negativ zu bewertendes illegitimes Vorgehen bzw. Faktum begreift, das nicht zuletzt eine Umsetzung der Hierarchisierung von Gruppierungen entlang legitimierender Mythen aus dem Fundus von Sexismus, Rassismus, Nationalismus u. ä. m. darstellt, kann durchaus auch von positiver Diskriminierung gesprochen werden. Gemeint sind dann „positive Maßnahmen“ einer Bevorzugung von Benachteiligten, um ihnen gesellschaftlichen Anschluss zu ermöglichen und so „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); vgl. auch § 5 AGG). Im Kontext der hier verfolgten Thematik von Menschenfeindlichkeit und Ablehnungskonstruktionen muss allerdings dieser Aspekt von Diskriminierung nicht zwingend weiterverfolgt werden, so dass der Fokus im Folgenden auf negative Diskriminierung gerichtet und dabei in diesem Sinne verkürzt von Diskriminierung gesprochen wird.
- 2.
„Heterophobie“ ist ein anfangs der Untersuchungsreihe benutzter Begriff, der beanspruchte, Homosexuellen-, Obdachlosen- und Behindertenabwertung terminologisch zusammenzufassen.
- 3.
Rechtspopulismus wird hier als ein Einstellungsmuster begriffen, das sich aus der „Abwertung“ bestimmter sozialer Gruppierungen (u. a. „Juden“, „Ausländer“, „Asylbewerber“), also aus Bestandteilen des GMF-‚Syndroms‘, „Law-and-Order-Autoritarismus“ und „Demokratiemisstrauen“ zusammensetzt (vgl. genauer: Zick und Küpper 2015, S. 30 ff.).
- 4.
Es handelt sich hier um Telefonumfragen bei einer repräsentativen Stichprobe von jeweils 1000 Befragten ab 16 Jahren aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Italien, Portugal zur prozentualen Verbreitung und zum Ausmaß einer Auswahl von GMF-Facetten, nämlich Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie.
- 5.
Die Studie ist zwar insgesamt nicht repräsentativ, die Relationen zwischen den gebildeten Untergruppierungen sind aber verallgemeinerbar.
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Möller, K. (2017). Entwicklung und Ausmaß gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. In: Scherr, A., El-Mafaalani, A., Yüksel, G. (eds) Handbuch Diskriminierung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10976-9_24
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