Zusammenfassung
Wie die Intensität der religiösen Frage, also der Frage nach dem Woher und Wohin des eigenen Lebens und der Welt, mit der Wahl christlicher und säkularer religiöser Überzeugungen zusammenhängt, wird in Deutschland mit Daten des ALLBUS 2012 untersucht. Die Intensität der religiösen Frage wird als Häufigkeit des Nachdenkens über den Sinn des Lebens, des Gesprächs über religiöse Fragen und des Nachdenkens über Glaubensfragen erhoben – Sinnfrage, Religionsfrage und Glaubensfrage. Erwartet wird, dass die Sinnfrage weder mit christlichen noch mit säkularen religiösen Überzeugungen zusammenhängt – Offenheitshypothese; dass aber die Religions- und Glaubensfrage positiv mit christlichen und negativ mit säkularen Überzeugungen zusammenhängen – Differenzierungshypothese. Christliche Überzeugungen werden als theistisches und deistisches Weltbild und als figurativer und konzeptueller Glauben erfasst; säkulare Überzeugungen als naturalistisches und existenzialistisches Weltbild. Zwar korrelieren die Sinnfrage wie die Religions- und Glaubensfrage positiv mit allen christlichen Überzeugungen und negativ mit säkularen Überzeugungen. Wenn aber in Regressionen der positive Einfluss von Religions- und Glaubensfrage auf christliche Überzeugungen bzw. ihr negativer Einfluss auf säkulare Überzeugungen kontrolliert ist, hat die Sinnfrage weder auf christliche noch säkulare Überzeugungen einen Einfluss, aber der positive Einfluss der Religions- und Glaubensfrage auf christliche Überzeugungen und ihr negativer Einfluss auf säkulare Überzeugungen bleibt bestehen. Offenheits- und Differenzierungshypothese werden bestätigt. Die Intensität der religiösen Frage kann als ein Ausgangspunkt für die Wahl religiöser, christlicher und säkularer, Überzeugungen gesehen werden.
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Eine Faktorenanalyse der Intensität des christlichen Glaubens, der Häufigkeit kirchlicher Praktiken, des Breite des religiösen Wissens und der Intensität des Austausches über „religiöse Themen“ und den „Sinn Ihres Lebens“, lädt die beiden „Austausche“ auf einem und alle weiteren Fragen auf einem zweiten Faktor. Die religiöse Frage ist also unabhängig von Glauben und Praxis. Allerdings kann auch ihre Erhebung als Gespräch zur Bildung eines eigenen Faktors geführt haben (Evangelische Kirche Deutschlands 2014, spezielle Auswertung durch Anne Elise Liskowsky).
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Die nahezu gleichen Faktorenstruktur, insbesondere die Zusammenfassung von Theismus und Deismus, findet sich auch in den 22 Ländern des Bertelsmann Religions-Monitors insgesamt sowie bei ihrer Aufgliederung in jüdisch-christliche, islamische und hinduistisch/buddhistische (Meulemann 2009, S. 713–714; 2010, S. 41–49).
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Das Kriterium dieser Unterscheidung – allgemein vs. spezifisch – wird auch in Theorien der religiösen Entwicklung verwendet (Scarlett und Warren 2010, S. 648).
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Es kann natürlich sein, dass auch die Lebensgemeinschaft als bewusste Voraussetzung für die Elternschaft geschlossen wird und die Ehe ohne die Absicht der Elternschaft eingegangen wird. Aber beides ist nicht vorwiegend so.
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Hinzukommt, dass das spezifisch Christliche der Vorstellung eines Lebens nach dem Tode, die Auferstehung der Toten in ein Jenseits, in der Fragevorgabe nicht erwähnt wird, so dass die im Fragebogen später aufgerufene Reinkarnation als Sonderfall eines Lebens nach dem Tode verstanden werden kann. In der Tat korreliert der Glaube an ein Leben nach dem Tod mit dem Glauben an die Reinkarnation 0,45, also nur wenig schwächer als die figurativen Überzeugungen untereinander mit im Durchschnitt rund 0,55 und stärker als die übrigen konzeptuellen Überzeugungen untereinander mit im Durchschnitt rund 0,35.
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Dass Postmaterialismus negativ mit traditionaler Religiosität, aber positiv mit der Häufigkeit zusammenhängt, über den Sinn des Lebens nachzudenken, verweist indirekt auf einen positiven Einfluss der Intensität der religiösen Frage auf säkulare Überzeugungen (Inglehart 1990, S. 193).
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Meulemann, H. (2015). Von der religiösen Frage zu christlichen oder säkularen Überzeugungen. In: Nach der Säkularisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10952-3_5
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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