Zusammenfassung
Programmatischen Darstellungen zufolge zielen Schulinspektionen weniger unmittelbar auf die schulische Praxis, als auf eine Veränderung der Steuerung im Schulsystem, indem sie auf eine Etablierung einer evidenzbasierten Schulentwicklung zielen. Davon ausgehend wird in diesem Beitrag aus einer governanceanalytischen Perspektive heraus nach den sich im Zuge der Einführung der Schulinspektionen etablierenden Modi der Handlungskoordination im als Mehrebenensystem gefassten Schulwesen gefragt. Exemplarisch werden dafür die Bezugnahmen zweier auf der Ebene der Administration tätigen und mit der Einführung der Schulinspektionen in ihren Bundesländern betrauten Akteure sowie eines Schulleiters und einer Lehrerin in den Blick genommen. Die kontrastiv angelegten Rekonstruktionen verweisen auf eine zentrale Bedeutung der Performativität der Schulinspektionen. Erkennbar werden darin eingeschriebene Adressierungen, die im Sinne von Zuschreibungen spezifischer Vorstellungen von Schule, Professionalität und Schulentwicklung das Selbstverständnis der Schulleitungen und Lehrkräft e herausfordern. Die Schulinspektionen zielen so auf eine Bearbeitung des als Steuerungsproblem gedeuteten, in der Figur der „losen Koppelung“ (Weick 1976) beschriebenen Verhältnisses von Administration und schulischer Praxis, die letztlich auf eine Anpassung der innerschulischen Binnenlogik an die administrative Rationalität zielt. Die Bezugnahmen der schulischen Akteure kennzeichnen eine demonstrative Konformität, verweisen aber der Stoßrichtung der Schulinspektion entgegenlaufend rekursiv auf eben jene lose Koppelung.
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Dietrich, F. (2016). Schulinspektion als Steuerungsimpuls zur Schulentwicklung?. In: Schulinspektion als Steuerungsimpuls?. Educational Governance, vol 25. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10872-4_4
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