Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was polizeiliche Führungskräfte aus einer soziologischen Perspektive auf das Thema Motivation von Mitarbeitern lernen können. Hierzu werden unterschiedliche Formen von Motivation, die in der Organisation Polizei eine Rolle spielen können, vorgestellt und diskutiert. Im besonderen Fokus steht dabei die Frage nach der Gestaltbarkeit von Mitgliedermotivation. Denn Motivation ist aus soziologischer Sicht weder vollständig steuer-, noch in ihrer Wirkung vorhersagbar. Der Versuch, sich bestimmter Formen von Motivation zu bedienen, um Mitarbeiter im Sinne der Organisation zu beeinflussen, kann nicht nur ins Leere laufen, sondern im schlimmsten Fall auch dysfunktionale Konsequenzen nach sich ziehen. Als Ausblick auf eine mögliche Praxisanwendung wird daher die These formuliert, dass Mitarbeitermotivation durch Aushandlungsprozesse zwischen den verschiedenen Positionen und Ebenen begünstigt werden kann, bei denen es um die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven zum Thema Arbeit sowie organisationaler Ziele geht.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Barnard beschreibt diesen Sachverhalt durchaus differenzierter, dazu später mehr.
- 2.
Ob diese Ultima Ratio als „Führungsinstrument“ sonderlich praxistauglich ist, bleibt allerdings fraglich. Bei einer konsequenten Anwendung würde die Organisation – sofern sie nicht ein sehr schnelles Recruiting betreibt – schnell auf eine deutlich kleinere Anzahl von Mitgliedern zusammenschrumpfen. Blieben derlei Drohungen dagegen regelmäßig ohne Folgen, würde dieses Schwert recht schnell an Schärfe verlieren.
- 3.
Analog dazu stellt sich die Frage, ob die Mitgliedschaftsmotivation bei „unkündbaren“ Staatsbeamten möglicherweise eine andere Bedeutung hat, als bei Angestellten in der freien Wirtschaft.
- 4.
Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von kalkulierter Leistungsbereitschaft (Luhmann 1995, S. 105).
- 5.
Meiner Ansicht nach muss dieser Punkt nicht auf die Handlungen selbst beschränkt werden. An der Argumentation ändert sich nichts, wenn bei der Beschreibung der Attraktivität von Handlungen oder Stellen auch die Befriedigung durch eine mögliche Anerkennung von innerhalb oder außerhalb der Organisation berücksichtigt wird.
- 6.
Die Funktion von Kollegialität geht damit über die Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Kontakt und Zusammensein hinaus, welches Luhmann wie folgt beschreibt: „Die Mitglieder möchten, während sie ihre Aufgaben ausführen, gelegentlich auch über etwas anderes reden: über ihr neues Auto, ihre häuslichen Verhältnisse, ihre persönliche Einstellung zu Vorgesetzten, zur Arbeit, zu schwierigen Kollegen. Durch solche Seitenthemen werden die Grenzen des formalen Systems nicht verändert. Aber die informale Organisation kann, wie man aus umfangreicher Forschung weiß, für die Arbeitsmotivation von Bedeutung sein, die durch die formale Organisation allein nicht ausreichend sichergestellt werden kann.“ (Luhmann 1991, S. 269).
- 7.
Laut den amerikanischen Soziologen Shils und Janowitz, hing die Bereitschaft der Wehrmachtssoldaten, selbst in aussichtslosen Situationen weiterzukämpfen, vor allem mit dem informalen Druck zusammen, den Kameraden nicht die Unterstützung zu versagen (Shils und Janowitz 1948, S. 280–315).
- 8.
In manchen Ländern auch nur in Gefahrenabwehr und Kriminalistik.
- 9.
Die Frage in diesem Zusammenhang ist: Warum sollten Mitglieder durch erhöhte Anreize bessere Leistungen zeigen? Die erhöhten Leistungen sind ja (sofern sie nicht genau gesteuert werden können) in jedem Fall verfügbar.
- 10.
Beispielsweise stellt Lenk in einer Abhandlung über die Leistungsmotivation und Gruppendynamik von Rennruderern fest, dass Leistungs- und Geltungsmotivationen sich für viele Mitglieder erst im Rahmen der Mitgliedschaft ergeben haben, ursprüngliche Motive waren dagegen die Lust sich im Freien oder am Wasser zu bewegen oder Teil einer Gemeinschaft junger Menschen zu sein (Lenk 1977, S. 12 ff).
Literatur
Barnard CI (1970) Die Führung großer Organisationen. Girardet, Essen
Deci EL, Koestner R, Ryan RM (1999) A meta-analytic review of experiments examining the effects of extrinsic rewards on intrinsic motivation. Psychol Bull 125(6):627–668
DeWitt CD, Simon HA (1958) Selective perception: a note on the departmental identifications of executives. Sociometry 21(2):140–144
Frey BS (2002) Wie beeinflusst Lohn die Motivation? In: Frey BS (Hrsg) Managing Motivation, 2. aktualisierte Aufl. Gabler, Wiesbaden, S 73–106
Frey BS, Osterloh M (1997) Sanktionen oder Seelenmassage? Motivationale Grundlagen der Unternehmensführung. Die Betriebswirtschaft 57(3):307–321
Frey BS, Osterloh M (2002) Managing motivation, 2. Aufl. Gabler, Wiesbaden
Goffman E (2008) Wir alle spielen Theater, 6. Aufl. Piper, München
Grüneisen S (2015) Kameradschaft im Reserve-Polizeibataillon 101 und der Genozid an den Juden. In: Gruber A, Kühl S (Hrsg) Soziologische Analysen des Holocaust. Springer VS, Wiesbaden
Heisig U (2005) Professionalismus als Organisationsform und Strategie von Arbeit. In: Pfadenhauer M (Hrsg) Professionelles Handeln. Springer VS, Wiesbaden, S 27–53
Kieserling A (2004) Einführung in die Soziologie. Unveröffentlichtes Manuskript, Mainz
Kühl S (2011) Organisationen: eine sehr kurze Einführung. Springer VS, Wiesbaden
Kühl S (2014) Ganz normale Organisationen: zur Soziologie des Holocaust. Suhrkamp, Berlin
Lenk H (1977) Leistungsmotivation und Mannschaftsdynamik, 2. Aufl. Hofmann, Schorndorf
Littler CR (1987) Theorie des Managements und Kontrolle. In: Hildebrandt E, Seitz R (Hrsg) Managementstrategie und Kontrolle. Sigma, Berlin, S 27–73
Luhmann N (1991) Soziale Systeme, 4. Aufl. Suhrkamp, Berlin
Luhmann N (1995) Funktionen und Folgen formaler Organisationen, 4. Aufl. Duncker & Humblot, Berlin
Luhmann N (2000) Organisation und Entscheidung. Westdeutscher, Opladen
Luhmann N (2005) Allgemeine Theorie organisierter Sozialsysteme. In: Luhmann N (Hrsg) Soziologische Aufklärung 2. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft, 5. Aufl. Springer VS, Wiesbaden, S 48–62
Menz W (2009) Die Legitimität des Marktregimes. Springer VS, Wiesbaden
Munz E (2005) Selbststeuerung der Arbeitszeiten aus Beschäftigtenperspektive, Universität Bremen. http://elib.suub.uni-bremen.de/diss/docs/00010117.pdf. Zugegriffen: 18. Dez. 2015
Ockenfels A (2009) Die Kunst des Marktdesigns. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 187/2009
Pongratz HJ, Voß GG (1997) Fremdorganisierte Selbstorganisation. Zeitschrift für Personalforschung 11(1):30–53
Schimank U (2005) Organisationsgesellschaft. In: Jäger W, Schimank U (Hrsg) Organisationsgesellschaft. Facetten und Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden, S 19–50
Shils EA, Janowitz M (1948) Cohesion and desintegration in the Wehrmacht in World War II. The Public Opinion Quaterly 12:280–315
Siebert H (2002) Der Kobra-Effekt, überarbeitete Aufl. DVA, Stuttgart
Sprenger RK (2007) Mythos motivation, 18. aktualisierte Aufl. Campus, Frankfurt a. M.
Wetzel R (2005) Kognition und Sensemaking. In: Weik E, Lang R (Hrsg) Moderne Organisationstheorien 1. Gabler, Wiesbaden, S 157–206
Zeyringer J (2014) Wie Geld wirkt. BusinessVillage, Göttingen
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Marsell, P. (2017). Der „Mythos Motivation“ in der Polizei. In: Barthel, C., Heidemann, D. (eds) Führung in der Polizei. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10349-1_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-10349-1_9
Published:
Publisher Name: Springer Gabler, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-10348-4
Online ISBN: 978-3-658-10349-1
eBook Packages: Business and Economics (German Language)