Zusammenfassung
Auf Grundlage der Kritischen Theorie beleuchtet der Beitrag erkenntnistheoretische Ursachen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Naturkrise. Im Zentrum steht dabei die Rezeption der „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno, die bereits weit vor den Anzeichen einer Umweltkrise gezeigt haben, dass eine Verabsolutierung aufklärerischen Denkens für die Menschheit zunehmend zu einer Selbstgefährdung werden kann. Zur Überwindung solchen Denkens fordern sie ein „Eingedenken der Natur im Subjekt“. Diese Forderung wurde in ähnlicher Form – allerdings ohne Bezüge zur Kritischen Theorie – und mit bildungstheoretischer Relevanz bereits schon früher, zum Beispiel von Schelling, und später, zum Beispiel von Picht, formuliert. Am Abschluss des Beitrags steht der Versuch, die bildungstheoretischen Konsequenzen der zuvor dargelegten Erkenntniskritik im Hinblick auf eine Überwindung der gesellschaftlichen Naturkrise zu skizzieren.
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Notes
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In den meisten Umfragen liegt der Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs trotz vielfältiger Bemühungen auf Seiten der Bildungspolitik und der Wirtschaft immer noch weit unter 50 %. (vgl. Brämer 2013) In einer im Jahre 2012 durchgeführten Umfrage zur Nachhaltigkeit (Forsa 2012) konnten 36 % der Gesamtbevölkerung und 43 % der 18- bis 29-jährigen spontan nicht sagen, was sie mit ‚Nachhaltigkeit‘ verbinden.
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Unter Aufklärung wird allgemein eine Epoche und eine geistige Strömung verstanden, die ursprünglich geltende Ansichten über Staat, Religion, Wirtschaft und Gesellschaft erschütterte und deren historischer Ausgangspunkt oft im 18. Jahrhundert (verbunden mit Philosophen wie Kant, Rousseau u. a.) gesehen wird. In diesem Beitrag wird der Ausdruck im Sinne der Kritischen Theorie mehr als ein universeller Begriff einer rationalistischen Denk- und Wissenschaftshaltung verstanden, deren historischer Ausgangspunkt häufig mit den Gedanken des italienischen Philosophen, Priesters, Dichters und Astronomen Giordano Bruno (1548–1600) in Verbindung gebracht wird, der sich selbst schon im 16. Jahrhundert mit den Worten preiste, er „habe den menschlichen Geist und die Erkenntnis befreit, die in dem engen Kerker der irdischen Lufthülle eingeschlossen waren und aus dem sie nur wie durch schmale Schlitze die entferntesten Sterne erblicken konnten.“ (Bruno zit. n. Hackenesch 1984, S. 41).
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Die Entstehung von multiresistenten Keimen (MRSA) infolge der Massentierhaltung als extreme Herrschaftsform unserer Kultur über Natur kann sich letztlich als Bedrohung für die Menschheit erweisen. Die tierethischen Probleme dieses Naturumgangs sind regelmäßig Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. Doch durch die Entwicklung multiresistenter Keime geht es nicht mehr allein um Mitleid mit der misshandelten Kreatur, sondern um das eigene Wohl des Menschen, womöglich eines Tages um sein Überleben; denn Experten schließen nicht aus, dass diese Keime der menschlichen Existenz gefährlich werden könnten (vgl. Biermann et al. 2014, S. 21. ff.) Auch solche Entwicklungen hatte man in der Kritischen Theorie – und darin erweist sich wiederum ihre außerordentliche Aktualität im Diskurs um die gesellschaftliche Naturkrise – bereits vorausgesehen als man prophetisch formulierte, dass „jeder Versuch, den Naturzwang zu brechen, indem Natur gebrochen wird“ nur um so tiefer in den Naturzwang hineingerate (Horkheimer und Adorno 1947/1975, S. 15). Die Aufklärung als der Versuch, „den Schicksalsmächten zu entspringen“, erreicht nicht ihr Ziel. In der „trostlosen Leere der Emanzipation“ könnte der „Fluch der mythischen Gewalten“ letztlich doch noch die „die Entfliehenden“ ereilen. (Habermas 1983, S. 413).
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Zwar haben die kritischen Theoretiker kaum explizit auf Schelling Bezug genommen; aber zumindest dessen erkenntnistheoretischen Gedanken weisen eine deutlich Nähe zur Kritischen Theorie auf. Die eigentliche Beziehung zwischen Denkern Kritischer Theorie und Schelling verläuft wohl über Hegel. Adornos Kritik der Hegelschen Dialektik, seine Vorstellung von der Beziehung zwischen Natur und Geist, und seine Philosophie der Geschichte verweisen deutlich auf Schelling. Die Beziehung Schellings zur Kritischen Theorie kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Habermas sich in seiner Dissertation mit dessen Philosophie beschäftigte.
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Allein aus einem Vergleich der sinnlichen Eindrücke, wie ein Huhn in freier Wildbahn und unter den Bedingungen der Massentierhaltung lebt, eröffnet die Möglichkeit einer ethischen Diskussion, welche Tierhaltung dem Wesen dieser Art angemessen wäre und dabei gleichzeitig menschliche Bedürfnisse befriedigt werden sollen.
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Am Beispiel der Kernenergie ist das in den vergangenen Jahren schmerzlich bewusst geworden. Im Grunde hätte bereits allein im Hinblick auf einen möglichen GAU (größten anzunehmenden Unfall) auf diese Energieform verzichtet werden müssen. Allerdings brauchte es – zumindest in Deutschland – die zweifache Anschauung (in Tschernobyl und Fukushima), welche Folgen ein Atomunfall hat, um die außerordentlichen Gefahren dieser Energieform zu erkennen und sich davon zu verabschieden.
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Vogel, T. (2015). Kritische Theorie und Bildung in der gesellschaftlichen Naturkrise – Perspektiven einer naturgemäßen Bildung. In: Dammer, KH., Vogel, T., Wehr, H. (eds) Zur Aktualität der Kritischen Theorie für die Pädagogik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09569-7_9
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