Zusammenfassung
Auf dem US-amerikanischen Comic-Markt zirkulieren seit geraumer Zeit Begriffe wie rural noir, Marvel Noir, medical noir oder native American noir. In den vergangenen Jahren ist Noir zu einer sehr populären Bezeichnung avanciert, die transmedial unter anderem für Comics, Filme, Fernsehsendungen und Romane zum Einsatz kommt. Der Beitrag fragt daher danach, wie sich Noir als ein transmediales Genre fassen lässt und welche Modelle und Methoden sich für eine transmediale Perspektive auf Genres eignen. Exemplifiziert wird die Argumentation an Noir-Inszenierungen im Comic, im Fernsehen und im Film.
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Notes
- 1.
Für die bislang unabgeschlossene Serie zeichnen Tim Seely als Autor und Mike Norton als Zeichner verantwortlich. Die Serie erscheint seit Juli 2012 monatlich beim Comic-Verlag Image, der bereits ähnliche Zombie-Narrative wie The Walking Dead oder RebelBlood veröffentlicht hat, die im ländlichen Amerika spielen.
- 2.
Die filmwissenschaftliche Genre-Theorie ist bis heute stark gezeichnet von dem Disput über den Genre-Status des film noir: Die Filme, die heute als film noir gelten, waren bei ihrer ersten Aufführung in US-amerikanischen Kinos mit anderen Labels wie etwa mystery beworben worden und wurden erst durch französische Filmkritiker nachträglich als Genre film noir verstanden und gruppiert (vgl. Neale 2000, S. 151–175).
- 3.
Transmedial wird hier im Sinne der Definition von Irina O. Rajewsky verstanden als „Medienunspezifische Phänomene, die in verschiedensten Medien mit dem jeweiligen Medium eigenen Mitteln ausgetragen werden können“ (2002, S. 12 f.). Dieses Verständnis von Transmedialität liegt größtenteils auch der Forschung zu transmedia storytelling zugrunde.
- 4.
Der Begriff der Interferenz ist im umgangssprachlichen Gebrauch oft negativ im Sinne von Störungen von Signalen und von Übertragungen besetzt. Die Begriffsverwendung rekurriert hier allein auf sein Verständnis in der „Schul-Physik“ als eine Überlagerung von Wellen, die sich gegenseitig verstärken oder schwächen können.
- 5.
Für erste Vorüberlegungen hierzu siehe: Scheinpflug 2014, S. 78–80.
- 6.
Der Fernsehwerbespot kann im Internet gesehen werden: http://www.clipland.com/v/8231.
- 7.
Als MacGuffin bezeichnet man ein Objekt, Ereignis, Geheimnis etc., dessen einzige Bedeutung und Funktion für den Text darin besteht, die Handlung in Gang zu setzen.
- 8.
In Anlehnung an die Malerei wurden das low-key-lighting und die dadurch bedingten hohen Kontraste vieler film noir als Chiaroscuro-Ästhetik apostrophiert.
- 9.
Wie sie etwa in Laura (1944) oder Phantom Lady (1944) prominent auftreten.
- 10.
Wie sie etwa in The Big Heat (1953) oder The Big Combo (1955) die Protagonisten stellen.
- 11.
Zur Unterscheidung von Genre und Gattungsbegriff siehe: Hickethier 2007, S. 206 f.
- 12.
Dies gilt nicht für alle Genre-Konventionen: Eine verschachtelte Erzählweise oder eine eingehende Psychologisierung von Figuren konfligieren mit der Gattung des konventionellen Fernsehwerbespots.
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Als Textboxen werden hier solche Boxen bezeichnet, die von einem Comic-Bild/Panel zwar abgesetzt sind, aber dieses kommentieren. Die Textboxen enthalten in aktuellen Comics v. a. den inneren Monolog von Figuren, die auch in der Erzählung auftreten. Es ist aber ebenso gebräuchlich, und dies war bis vor einigen Jahren die dominante Konvention, dass Textboxen als eine heterodiegetische Erzählinstanz fungieren.
- 14.
Einen historischen Abriss zu Noir-Comics bietet Lyons 2013.
- 15.
Im Fall von Noir deutet bereits Norbert Grobs Darstellung des Genres in diese Richtung (vgl. 2008, S. 12–23).
- 16.
Erste Ansätze hat Andrea B. Braidt formuliert (2008).
- 17.
- 18.
Siehe hierzu beispielsweise: http://www.bleedingcool.com/2012/08/18/review-revival–2-rural-noir; http://www.fearnet.com/news/interview/wisconsin-death-trip-tim-seeley-talks-rural-noir-comic-revival-hackslash-and-future; http://www.comicsforge.com/2012/08/revival-a-rural-noir1-by-tim-seeley-and-mike-norton; http://www.amazon.com/Revival-Vol-Youre-Among-Friends/product-reviews/1607066599/ref=cm_cr_dp_see_all_btm?ie=UTF8&showViewpoints=1&sortBy=bySubmissionDateDescending.
- 19.
Dabei wird das Genre nicht immer vom film noir abgegrenzt, wie das folgende Beispiel zeigt: „Also known as country noir, hick lit, redneck noir, redneck grit, or hillbilly noir. It differs from southern gothic in that it does not contain supernatural, ironic or unusual events.” (http://www.goodreads.com/genres/rural-noir). Nach dieser Definition wäre Revival übrigens aufgrund der revivals und der Geister-/Seelen-Thematik kein rural noir.
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- 21.
Mit Bezeichnungen wie Marvel Noir, rural noir, medical noir oder native American noir weist der US-amerikanische Comic-Markt eine Dynamik der Binnendifferenzierung von Noir durch Adjektive auf, wie sie Rick Altman beschrieben hat (vgl. 2006, S. 62–68).
- 22.
Als Elseworld-Saga bezeichnet man einen Comic, der dezidiert als Variation eines Referenz-Comics rezipiert werden soll.
- 23.
- 24.
So wird beispielsweise Iron Man Noir zwar zumeist als pulp adventure aus dem Korpus Marvel Noir aussortiert, aber zugleich besonders oft als besonders gelungene Elseworld-Saga gelobt. Siehe beispielsweise: http://www.ign.com/articles/2010/04/15/iron-man-noir−1-review; http://evilgeeks.com/2013/09/10/pulp-corner-iron-man-noir.
- 25.
- 26.
Tim Seeley, der Autor von Revival, stellt hier eine Ausnahme dar. Bereits bei der erfolgreichen Comic-Serie Hack/Slash orientierte er sich bevorzugt an Filmgenres wie dem Slasher. Man vergleiche damit etwa die Aussagen von Noir-Comic-Autor Greg Rucka zu Raymond Chandler: http://www.comicbookresources.com/?page=article&old=1&id=11391.
- 27.
Darin zeigt sich auch die generelle Dynamik, dass Genres, je populärer sie werden, umso weiter historisch und medial ausgedehnt werden und sie dadurch tendenziell als ahistorische und transmediale Größen erscheinen können.
- 28.
Siehe hierzu die symptomatischen Ausführungen von Shawn Martinbrough 2007, S. 11.
Literatur
Altman, Rick. 2006. Film/Genre. London: BFI.
Bourdieu, Pierre. 1993. The field of cultural production: Essays on art and literature (Edited and introduced by Randal Johnson). Oxford: Polity Press.
Braidt, Andrea B. 2008. Film-Genus: Gender und Genre in der Filmwahrnehmung. Marburg: Schüren.
Grob, Norbert. 2008. Einleitung: Kino der Verdammnis. In Filmgenres: Film Noir, Hrsg. Norbert Grob, 9–54. Stuttgart: Reclam.
Hart, Christopher. 2006. Drawing Crime Noir: For comics and graphic novels. New York: Watson-Guptill Publications.
Hickethier, Knut. 2007. Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart: J. B. Metzler.
Lyons, James. 2013. It rhymes with lust: The twisted history of Noir comics. In A companion to Film Noir, Hrsg. Andrew Spicer und Helen Hanson, 458–475. Malden: Wiley Blackwell.
Martinbrough, Shawn. 2007. How to draw Noir comics: The art and technique of visual storytelling. New York: Watson-Guptill Publications.
Naremore, James. 2008. More than night: Film Noir in its contexts. Berkeley: University of California Press.
Rauscher, Andreas. 2012. Spielerische Fiktionen: Transmediale Genrekonzepte in Videospielen. Marburg: Schüren.
Rajewsky, Irina O. 2002. Intermedialität. Tübingen und Basel: UTB/A. Francke.
Scheinpflug, Peter. 2014. Genre-Theorie: Eine Einführung. Berlin: LIT Verlag.
Schweinitz, Jörg. 2002. Von Filmgenres, Hybridformen und goldenen Nägeln. In Film und Psychologie – nach der kognitiven Phase?, Hrsg. Jörg Schweinitz und Hans J. Wulff, 79–92. Marburg: Schüren.
Schweinitz, Jörg. 2006. Film und Stereotyp: Eine Herausforderung für das Kino und die Filmtheorie. Zur Geschichte eines Mediendiskurses. Berlin: Akademie Verlag.
Todorov, Tzvetan. 1975. The fantastic: A structural approach to a literary genre. Ithaca, New York: Cornell University Press.
Tudor, Andrew. 1974. Theories of film. London: Secker & Warburg.
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Scheinpflug, P. (2016). Film noir, rural noir, Marvel Noir: Transmediale Interferenzen im Genre-Feld Noir. In: Ritzer, I., Schulze, P. (eds) Transmediale Genre-Passagen. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09426-3_13
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