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Migration und Behinderung

Prekarisierung von Arbeitssituationen, die Flexibilisierung menschlicher Arbeit und die Wanderung sozialer Spannungen

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Book cover Arbeit, Migration und Soziale Arbeit
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Zusammenfassung

Die beiden Phänomene, das der Migration und das der Behinderung haben miteinander nichts zu tun. Sie zeigen allerdings bei ihrer Analyse strukturelle Ähnlichkeiten, denen hier nachgegangen wird. Es gibt Menschen, die von den einen Menschen als Fremde bezeichnet werden, aus Gründen die rational nicht nachvollziehbar sind, sondern sich historisch-kontingent im Kontext nationalstaatlicher Selbstverständnisse und Identitätskonstruktionen als soziale Vorurteile erklären lassen, und es gibt andererseits Menschen, die sich in Situationen von Behinderung befinden, die nicht situativ verstanden werden, sondern ihnen aufgrund essentialistischer Deutungen zugeschrieben werden.

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Notes

  1. 1.

    Es besteht allerdings auch das Phänomen des Exportes/Importes von in Menschen inkorporiertem sozialem Kapital, also Menschen mit hoher und spezieller Bildung, die so genannten Expats. Wenn hochqualifizierte Arbeitskräfte in ein Land einwandern, dann „spart“ dieses Land die Ausbildungskosten für diese Arbeitskräfte und importiert damit Dienstleistungen die im Bildungsbereich eines anderen Landes. Erbracht worden sind.

  2. 2.

    Hans Joachim Hoffman-Nowotny hat in seinen Arbeiten zur Migration diese Mechanismen von Unterschichtung und Überschichtung einer Beschäftigungsstruktur in nationalstaatlichen Kontexten plausibel erklärt. Heute werden auf dem Hintergrund kultursoziologischer Betrachtungsweisen, die Codedifferenzen eher in den Vordergrund gerückt und strukturtheoretische Erklärungen eher weniger verwendet. Vgl. Hoffmann-Nowotny 1969, 1973, 2001.

  3. 3.

    Assimilation meint im Kontext der Migrationssoziologie, die Anpassung und Einpassung der Migrant_innen an die lokaleKultur des Einwanderungslandes unter weitgehender Aufgabe der kulturellen Bezüge des Auswanderungskontextes.

  4. 4.

    Zum Funktionieren sozialer Vorurteile vgl. Heintz et al. 1978.

  5. 5.

    Zum Konzept des Workfare vgl. Wyss 2007.

  6. 6.

    Zur Schwierigkeit des sich Verstehens im Kontext der Konstruktion von Individualität. Um Asyl zu erhalten ist es nicht immer möglich, alles zu sagen, sondern es nötig, das Nötige zu sagen. Was nicht heisst, dass offen gelogen, sondern strategische gedacht wird. Vgl. Lanz 2008.

  7. 7.

    Zur Staatstheorie, vgl. Poulantzas 2002; zur Staatstheorie von Nicos Poulantzas, ihrer Möglichkeiten und Grenzen, vgl. Demirovic 2007.

  8. 8.

    Es gibt in der Schweiz auch Ausnahmen dafür. Seit Jahrzehnten ist das Italienische die lingua franca auf den Baustellen. Ein wenig Italienisch, fokussiert auf die Arbeitsvorgänge auf dem Bau verstehen fast alle, eher noch als Deutsch.

  9. 9.

    Diese Thematik zeigt sich besonders im Zusammenhang von so genannten ökologischen Fragen, wo es kostengünstiger ist, nicht erneuerbare anstatt erneuerbarer Energien zu verwenden, weil die Kostenstruktur so institutionalisiert ist, dass reale Kosten, dort wo sie anfallen, externalisiert werden können. Externalisierung von Kosten bedeutet, dass die Kosten nicht dort bezahlt werden müssen, wann und wo sie anfallen. Dazu gehören alle jene Fragen, die sich heute als so genannten „Entsorgungesprobleme“ darstellen vom gewöhnlichen Haushaltabfall über den industriellen Sondermüll bis hin zum CO2-Ausstoss oder der nach wie vor nicht gelösten Fragen der ökologisch unbedenklichen Lagerung von radioaktivem Abfall. Nationale Souveränitätskonstruktionen helfen mit, globale soziale Probleme zu verschleiern. Ein klassisches Beispiel dafür ist die weltweite Steuerbefreiung von Flugpetrol für den Flugbetrieb. Viele zu sozialen Problemen gewordene Phänomene hängen mit Fragen mangelnder Internalisierung von anfallenden Kosten zusammen.

  10. 10.

    Der gängige Diskurs rechnet hier immer unsauber, weil Kosten, die real anfallen, externalisiert werden. Vgl. Fn 9. Die sozialen Kosten der Migration trägt der Staat, bzw. die Bevölkerung eines Territoriums und die an bestimmten Orten lebenden Menschen tragen auch die Kosten der Umweltzerstörung bestimmter Kapitalallokationen, etwa in Folge von nachhaltigen Gesundheitsschädigungen; vgl. dazu Graf 2012a) und Graf 2012b).

  11. 11.

    Als direkte Demokratie kennt die Schweiz das so genannte Referendum, welches beinhaltet, dass ein durch das eidgenössische Parlament beschlossenes Gesetz durch die Unterschrift von 50000 Stimmberechtigten der Volksabstimmung zu unterbreiten ist (fakultatives Referendum). Sehr viele parlamentarische Gesetzesentscheidungen unterliegen in der Schweiz sowieso der Genehmigung durch den Souverän (obligatorisches Referendum). Das Referendum ist eine wichtige Machtbremse und die Drohung ein Referendum zu ergreifen hat Einfluss auf die parlamentarische Debatte im gesamtschweizerischen Parlament. Deshalb ergeben stets wechselnde Mehrheitsverhältnisse, wer heute in der einen Sachfrage obsiegt, kann in der nächsten unterliegen. Das macht die schweizerischen politischen Verhältnisse für Beobachter_innen, die repräsentative demokratische Systeme gewohnt sind, oft nicht leicht durchschaubar, da zum System der direkten Demokratie noch ein ausgeprägter Föderalismus hinzukommt. Grundsätzlich ist der Staat in der Schweiz historisch betrachtet der Kanton und der Bund übernimmt gleichsam nur neu hinzugekommene Aufgaben. Die Neuverteilung des Finanzausgleichs im Zuge neoliberaler Reformbestrebungen ist in dieser Hinsicht für die Sozialpolitik bedeutsam, weil die Invalidenversicherung (IV) als Bundeseinrichtung sich aus der Finanzierung der Schulung behinderter Kinder, die ihr bisher oblag, zurückzuziehen hatte und diese Aufgabe auf die Kantone übergegangen ist, was zu einer sehr grossen Variation der konkreten Unterstützung zwischen den Kantonen geführt hat.

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  • Dr. Erich Otto Grafist Privatdozent an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich. Darüber hinaus ist er als Institutionsberater tätig. Zuletzt erschienen: „Solidarität. Selbstaufklärung, Autonomes Denken, Handeln und Subjektivität„ (2013) und „Begegnungen mit Menschen in Behinderungssituationen„ (2014). Weitere Informationen: www.institutionsberatung.ch.

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Graf, E. (2015). Migration und Behinderung. In: Geisen, T., Ottersbach, M. (eds) Arbeit, Migration und Soziale Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07306-0_3

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