Zusammenfassung
Über die Transformationen des Sozialstaates in ihren Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und soziale Sicherung und hier auch auf die Soziale Arbeit wird im einschlägigen Fachdiskurs lebhaft diskutiert. Wie sich diese Transformationen auf der Ebene der konkreten Praxis zeigen, dazu gibt es in der Schweiz bisher nur einzelne Forschungen. Der folgende Artikel fokussiert auf die Praxis der Eingliederung erwerbsloser Männer und Frauen und nimmt dabei Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick. Im Zentrum des Artikels steht der Eingliederungsprozess in einem Programm, das Einsatzplätze für Erwerbslose auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Mit den Einsatzplätzen im ersten Arbeitsmarkt kommt der erste Arbeitsmarkt als Akteur der Eingliederung in das eingespielte Team der Sozial Tätigen.Die in der aktuellen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik diskutierten Transformationen im Verhältnis von Arbeitsmarkt und sozialer Sicherung, kurz zwischen Arbeit und Fürsorge werden im folgenden Beitrag „on the ground“ untersucht, gefragt wird nach Interaktionen und Strategien der Sozialtätigen in den Eingliederungsprozessen, sei das „am Schalter“, „in den Betrieben“; oder in den „Beratungsbüros“ im Schnittpunkt zwischen 1. Arbeitsmarkt und sozialer Sicherung.
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Notes
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Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter teilen sich das Feld der Arbeitsintegration mit anderen Berufsgruppen. Eva Nadai und Alan Cononica bezeichnen die dort Tätigen als „Arbeitsintegrationsspezialisten“ (2012).
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Die „soziale, berufliche und kulturelle Integration“ von anerkannten Flüchtlingen ist in Art. 91, Abs. 4 des Asylgesetzes (Asylgesetzt vom 26. Juni 1998, SR 142.31) geregelt.
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Elias hat das Figurationskonzept in verschiedenen Büchern und Aufsätzen entwickelt. Als zentrales Werk gilt seine mit John L. Scotson veröffentlichte Studie über die Beziehung zwischen Etablierten und Außenseitern in einer englischen Kleinststadt, die in Fachkreisen als Klassiker der Soziologie gilt (Elias und Scotson 1993 (1965)).
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Der Figurationsbegriff wird hier in einer doppelten Bedeutung verstanden, erstens als konkrete Untersuchungseinheit, deren Grenzen über konkrete Abhängigkeitsdimensionen bestimmt werden. Zweitens als die Beschreibung eines Wechselverhältnisses zwischen Menschen und Gesellschaft, die in ihrer jeweiligen Entwicklungslogik auf spezifische Weise miteinander verknüpft sind (Treibel 2008, S. 46–54).
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Das Heimatprinzip bestimmte die Fürsorge nicht nur in der Schweiz. Auch in Deutschland kannte man das Heimatrecht, das in Preußen jedoch bereits 1871 und in Baden Württemberg 1873 durch das Unterstützungswohnsitz-Prinzip abgelöst wurde. Anders in der Schweiz: Hier kann man erst in den 1950er Jahren von einer durchgängigen Ablösung des Heimatprinzips zugunsten des Wohnortprinzips sprechen.
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Die im Sommer 2013 abgeschlossene Forschung wurde vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des NFP 60 gefördert. Neben der Autorin waren Eva Nadai, Alan Canonica und Loredana Monte am Projekt beteiligt. Der Forschungszugang wird ausführlicher vorgestellt im Schlussbericht (Nadai et al. 2013).
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Die Datenbasis umfasst Beobachtungsprotokolle, Interviews mit insgesamt 24 Mitarbeitenden bzw. Expertinnen und Experten Ausgewertet wurde das Material mit der Grounded Theory entlang Strauss/Corbin (Strauss und Corbin 1990) und 22 Klientinnen und Klienten sowie organisationsinterne bzw. übergreifende Dokumente. Direkte Zitate aus dem Datenmaterial werden in Anführungszeichen gesetzt, der Lesbarkeit wegen wird hier auf detaillierte Verweise verzichtet.
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In der hier untersuchten Stadt sind – beauftragt durch den Kanton – die jeweiligen Sozialdienste der Flüchtlingshilfe (Caritas und Schweizerisches Rotes Kreuz, SRK) für die Ausrichtung der Sozialhilfe und die berufliche und soziale Integration der Flüchtlinge zuständig. Diese können Beschäftigungsprogramme der sozialen Sicherung, sowie Integrationsprogramme nutzen.
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Die ersten fünf, bei vorläufig aufgenommenen die ersten sieben Jahren ist der Bund für die finanzielle Unterstützung der Zugewanderten zuständig. In einer besonders schwierigen Situation sind vorläufig aufgenommene Personen. Sie erhalten weniger als die ordentliche Sozialhilfe, was mit einer Verminderung der Integrationsbemühungen für diese Gruppe einherzugehen scheint.
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Ausführlicher dazu Schallberger und Wyer (2010).
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Hauss, G. (2015). „Wir sind hier keine Phantasiefirma“. In: Geisen, T., Ottersbach, M. (eds) Arbeit, Migration und Soziale Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07306-0_14
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