Zusammenfassung
Während sich die junge Wissenschaft der Politik im Nachkriegsdeutschland als Demokratiewissenschaft verstand und zur Aufgabe der politischen Bildung klar bekannte, hat sie sich mit ihrer nachfolgenden Ausdifferenzierung, Professionalisierung und „Normalisierung“ von der politischen Bildung „emanzipiert“ und entfremdet. Parallel hat sich die Politikdidaktik als Wissenschaft und Leitdisziplin der politischen Bildung etabliert, deren eigene Professionalisierung sich jedoch von politikwissenschaftlichen Kolleg/-innen weitgehend unbemerkt vollzogen hat. Vor diesem Hintergrund bestimmt der Beitrag Politikwissenschaft als zentrale fachwissenschaftliche Bezugsdisziplin einer politischen Bildung, die Politik als ihren „Kern“ versteht. Dies widerspricht nicht der Notwendigkeit einer Berücksichtigung bspw. soziologischer und ökonomischer Bezüge. Eine fachwissenschaftliche Bezugsdisziplin dient nicht der „Abbilddidaktik“, ihre Funktionen sind überwiegend vermittelt über die Fachdidaktik. Der Beitrag plädiert vor dem Hintergrund wechselseitiger Funktionen heute für eine erneute Annäherung von Politikwissenschaft und Politischer Bildung bzw. Politikwissenschaft und Politikdidaktik.
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„Pädagogische Impulse“ (Massing 2010, S. 255) als Gründungsmotiv sind kein durch die deutsche Geschichte und die damit verbundenen re-education Bestrebungen der Alliierten, insb. der Amerikaner, im Nachkriegsdeutschland hervorgebrachtes Alleinstellungsmerkmal der deutschen Politikwissenschaft. So zählt auch die US-amerikanische Politikwissenschaft die politische Bildung der Bürgerschaft zu ihren Leitmotiven Anfang des 20. Jahrhunderts (vgl. McCartney et al. 2013). Auch die US-amerikanische Politikwissenschaft trieb und treibt allerdings immer wieder die Frage um, ob eine Zuwendung zur politischen Bildung dem eigenen wissenschaftlichen Selbstverständnis Abbruch tue (vgl. Brintnall 2013). Die Antworten darauf fallen, wie in Deutschland, vielstimmig aus (vgl. auch APSA 1998).
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Dieses Verständnis von Politikdidaktik ist einerseits breiter, da nicht allein auf Schule beschränkt, andererseits aber auch enger gefasst als der Schulfachbezug, da politische Bildung im Fokus steht, selbst wenn schulische Fächerverbünde bspw. Geschichte und Geografie umfassen. Auch Autor/-innen wie Detjen und Massing fokussieren v. a. die politische Bildung in derlei Fächerverbünden, insofern scheint die gewählte Beschränkung auf den Schulkontext wenig plausibel.
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Zugleich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Grenzziehungen zwischen Disziplinen unscharf sind. Betrachtet man bspw. die Politische Soziologie, die Politische Kulturforschung oder die Politische Psychologie wird dies augenfällig. Hier und andernorts entstehen Teilbereiche, Zwischenwelten zwischen etablierten Disziplinen, die sich nicht klar zuordnen lassen und die teilweise wiederum disziplinäre Eigenständigkeit beanspruchen. Für unseren Zusammenhang ist die klare Zuordnung allerdings nicht die entscheidende Frage. Bedeutsamer ist, ob (Teil-)Disziplinen in Forschung und Lehre durch eigene Lehrstühle vertreten werden sollten. Dies ist für die Politikdidaktik erforderlich, wobei im Falle einer notwendigen organisatorischen Zuordnung die zur Politikwissenschaft auf Grund der großen Nähe im Bereich der Ziel- und Inhaltsklärung (siehe unten) mit Abstand am Sinnvollsten erscheint.
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Oberle, M. (2017). Politikwissenschaft als Bezugsdisziplin der Politischen Bildung. In: Oberle, M., Weißeno, G. (eds) Politikwissenschaft und Politikdidaktik. Politische Bildung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07246-9_2
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