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Nackte Äste

  • Chapter
  • First Online:
Ostdeutsche Frauenbewegung

Part of the book series: essentials ((ESSENT))

  • 1067 Accesses

Zusammenfassung

Als die Nationaldemokratische Partei im September 2006 bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 7,3 % der Wählerstimmen gewonnen hatte, war der Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und Hobby-Bevölkerungsforscher Frank Schirrmacher flugs mit einer umwerfenden These zur Hand. Der hohe Stimmenanteil der Rechten käme nicht überraschend, ließ er sich vernehmen, sondern habe direkt mit der Abwanderung junger Frauen aus den strukturschwachen Gebieten zu tun.

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Notes

  1. 1.

    Schirrmacher hatte einige Zeit zuvor dem äußerst konservativen Bevölkerungsforscher Herwig Birg Gelegenheit gegeben, in einer Artikelserie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Grundkurs Demographie, Februar/März 2005) das Gespenst des demografischen Niedergangs des deutschen Volks an die Wand zu malen. Diese Befürchtungen und seine persönlichen Ängste verarbeitete er in den Büchern „Das Methusalem-Komplott“ (2004) und „Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft“ (2006).

  2. 2.

    Wir sehen, dass sich Schirrmacher bereits auf eine Studie des Berlin-Instituts beruft. Dieses hat dann aber wieder Schirrmachers These zur eigenen Hypothese gemacht und überprüft. Solche zirkulären Referenzierungen lassen sich in Bezug auf Bevölkerungsfragen des Öfteren beobachten. Beispielsweise bildeten Herwig Birg und Franz-Xaver Kaufmann ein Referenzpärchen.

  3. 3.

    Für den qualitativen Teil bereisten die ForscherInnen „zwei typische Orte in der ostdeutschen Provinz“, nämlich das sächsische Ebersbach und Herzberg in Brandenburg. Nachdem sie in Dorfdiskotheken und auf einem Feuerwehrfest die zahlenmäßige Geschlechterrelation ermittelt hatten (Ergebnis: tatsächlich mehr Männer als Frauen), förderten sie durch Interviews einige interessante Selbstbeschreibungen der Ostdeutschen zutage. Eine Gemeindemitarbeiterin etwa machte die Mütter für die geschlechterspezifische Abwanderung verantwortlich: „Ich denke, manche Männer haben nicht den Mut und den Schneid, hier wegzugehen. Die haben ihre Freunde hier und ihren Bekanntenkreis, und wenn sie jetzt gehen würden, wer weiß, ob die sich drüben wieder etwas aufbauen könnten … Ich glaube, dass dies an den Müttern liegt. Wir erziehen unsere Töchter zu mehr Selbstständigkeit als unsere Söhne. Wenn ich mir die Mütter von Söhnen in meinem Alter so anschaue. Was die alles nicht machen brauchen und nicht können müssen, weil die Mütter sagen: Warte, das mach ich!“ (Kröhnert und Klingholz 2007,S.  17).

  4. 4.

    Kröhnert und Klingholz (2007, S. 70) räumen selbst ein, dass „die genannten Faktoren natürlich nur einen Teil des Wahlverhaltens“ erklärten. Vor allem die Behauptung, dass der Frauenmangel überhaupt eine Ursache für rechtes Wahlverhalten darstellt, lässt sich mit den von ihnen verwendeten Daten nicht im Geringsten belegen. Abgesehen davon, dass Wahlentscheidungen in der Regel multivariate Ursachen haben dürften, kann es sich hier auch um Koinzidenzen handeln.

  5. 5.

    Offensichtlich handelt es sich beim Wegzug der ostdeutschen Frauen nicht nur um Arbeitsmigration; ein nicht unerheblicher Teil (das Berlin-Institut spricht von 30 %) gebe vordringlich private Gründe an. Für Kröhnert und Klingholz wäre das mit materialistisch motivierter Heirat gleichzusetzen. Ihre Hypothese: „Weil in Westdeutschland lebende Männer im Durch- schnitt wesentlich mehr als ihre ostdeutschen Geschlechtsgenossen verdienen, wäre zu vermuten, dass eine Partnerfindung zwischen West-Mann und Ost-Frau weit häufiger stattfindet als umgekehrt. Damit ließe sich auch erklären, warum Frauen – etwa nach abgeschlossener Ausbildung – seltener als Männer den Wunsch nach einer Rückkehr in die neuen Bundesländer verspüren“ (Kröhnert und Klingholz 2007, S. 62).

  6. 6.

    Dieser Diskursstrang ist in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik sehr einflussreich geworden. Man proklamierte damit die Überwindung des Feminismus, denn die Frauen, die ja längst zu Gewinnerinnen des Bildungssystems geworden seien und damit auch die besseren ökonomischen und sozialen Chancen hätten, seien längst emanzipiert. Gerade ihre gesellschaftliche Dominanz entwickle sich zunehmend zu einem Problem für Männer. Inzwischen haben sich einige dieser Männer schon in Selbsthilfegruppen organisiert.

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Schmidt, D. (2015). Nackte Äste. In: Ostdeutsche Frauenbewegung. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06792-2_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-06792-2_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-06791-5

  • Online ISBN: 978-3-658-06792-2

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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